EZB als europäische Bankenaufsicht:Gefährliche Doppelrolle

Endlich wird Schluss gemacht mit dem Gemauschel zwischen nationalen Aufsichtsbehörden und heimischen Banken. Alle Banken der Euro-Länder werden von 2013 an zentral beaufsichtigt. Doch der Aufseher EZB gerät in einen gewaltigen Interessenskonflikt.

Cerstin Gammelin

Der Vorschlag, alle Banken der Euro-Länder zentral aus dem Frankfurter Turm zu beaufsichtigen, und zwar schon ab 2013, birgt Chancen, Risiken - und gefährliche Nebenwirkungen. Und das für alle Beteiligten, also die neuen Aufseher, die bisherigen Behörden, die Banken und die Bürger.

EU plant Bankenunion

Die Europäische Zentralbank soll auch am Finanzplatz Frankfurt den unabhängigen, strengen Aufseher spielen, der weitreichende Vollmachten erhält.

(Foto: dpa)

Die gute Nachricht für Europas Steuerzahler ist, dass endlich Schluss gemacht wird mit dem Gemauschel zwischen nationalen Aufsichtsbehörden und heimischen Banken. Denn genau weil die nationalen Aufseher ihre Kreditinstitute bisher immer vor der Konkurrenz im Ausland schützten, statt ihnen wirklich auf die Finger zu klopfen, wurden viele Schwächen der Banken nicht erkannt. Oder sie wurden so lange vertuscht, bis die Krise so groß war, dass der Steuerzahler die maroden Banken vor der Pleite retten musste.

Wer daran noch zweifelt, dem sei die Lektüre der angeblich so strengen Stresstests empfohlen. Fast alle europäischen Banken bestanden den Test - und wenige Wochen später musste europäisches Steuergeld mobilisiert werden, um spanische Banken zu retten.

Jetzt soll die Europäische Zentralbank den unabhängigen, strengen Aufseher spielen, der so weitreichende Vollmachten erhält, dass er jede E-Mail in jeder Bank im Euro-Land kontrollieren, Institute durchsuchen und notfalls sogar die Banklizenz entziehen kann. Alles mit dem Ziel, kranke Finanzinstitute rechtzeitig zu erkennen und zu kurieren, damit sich nicht die ganze Branche ansteckt und damit den Euro-Raum so stark schwanken lässt, dass die Bürger wieder einspringen müssen.

Für die Europäische Zentralbank ist diese Aufsicht allerdings eine heikle Angelegenheit. Die Notenbank ist die einzige europäische Institution, die nach vier Jahren Krise ein intaktes Bild abgibt. Der Frankfurter Turm hat unter Mario Draghi an Glanz gewonnen. So sehr, dass sich manche Euro-Retter schon fragen, ob das alles nicht ein bisschen viel wird für die Notenbanker: die Inflation zu bekämpfen, den Euro zu retten - und nun noch die Banken zu kontrollieren. Doch wer jetzt den Gesetzentwurf zur Aufsicht liest, wird wohl weniger fürchten, die EZB könnte überfordert sein, sondern den Zeilen einen handfesten Interessenkonflikt entnehmen - so handfest, dass er die zentrale Aufsicht bei der Notenbank komplett infrage stellt.

Die chinesische Mauer wird halten? Sicher nicht

Die Notenbank soll künftig Financier und Polizist zugleich sein. Einerseits ändert sich nichts an ihrem Mandat, wonach sie politisch unabhängig Geldpolitik betreibt. Und dabei auch 1000 Milliarden Euro als billige Kredite an Finanzinstitute vergeben kann. Anderseits soll sie als zentraler Aufseher ebenjenen Banken, die sie mit Milliarden versorgt, unnachgiebig auf die Finger klopfen. Sie rutscht damit in einen Interessenkonflikt, wie er nicht besser in einem Lehrbuch stehen könnte.

Sicher, die europäischen Politiker haben versprochen, dass chinesische Mauern zwischen Geldpolitik und Aufsicht eingezogen werden. Dass die Aufseher separat entscheiden und noch dazu demokratisch vom Europaparlament kontrolliert werden. Doch das Versprechen ist schon gebrochen.

Der vorgelegte Gesetzesentwurf zeigt, dass das Europaparlament mit einigen Rechenschaftspflichten abgespeist wird. Noch schlimmer: Der Gouverneursrat der Europäischen Zentralbank soll das letzte Wort bei Aufsichtsentscheidungen haben - und einer der fünf Direktoren der Bank soll der Oberaufseher werden. Konkret: Es soll überhaupt keine chinesischen Mauern geben.

Außerdem: Wer glaubte denn im Ernst, dass die Notenbank in einer Situation, in der es ganz konkret um das Überleben der Währung geht, nicht alle Mauern niederreißen würde, um die höchste Aufgabe, den Euro zu retten, auch zu erfüllen? Dass sie im Zweifel kranke Banken nicht mit billigen Krediten in unvorstellbarer Höhe fluten würde, um die Finanzbranche vor dem Kollaps zu bewahren? Mario Draghi selbst hat angekündigt, dass der Euro unumkehrbar ist; dieses Ziel wird er mit aller Kraft verfolgen.

Weil also derzeit die Risiken die Chancen überwiegen, ist klar: Das Papier aus der Europäischen Kommission muss nachgebessert werden, damit die Aufsicht überhaupt funktionieren kann. Wollen die Euro-Staaten wirklich eine zentrale unabhängige und demokratisch kontrollierte Aufsicht - dann sollten sie die bestehende Aufsichtsagentur EBA entsprechend ausbauen. Soll es aber unbedingt die Europäische Zentralbank werden, müssen sie die Entscheidungsbefugnisse ändern und die Rechte des Europaparlaments stärken.

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