Expertenmeinungen:Lafontaines Lücken

Lafontaines Umverteilungsvorschlag stößt nicht nur bei der politischen Opposition auf Kritik. Auch Wirtschafts- und Rechtsexperten sehen seine Ideen kritisch.

Marc Steinhäuser

Lange konnte sich Oskar Lafontaine, der in dieser Woche seinen 65. Geburtstag gefeiert hat, nicht freuen: Sein Vorschlag, die "Enteignung" von Angestellten durch Familienunternehmen rückgängig zu machen, ist auf harsche Kritik in Politik und Wirtschaft gestoßen. Lafontaine hatte das Milliardenvermögen einiger Unternehmen für verfassungswidrig erklärt und gefordert, deren Besitz rückzuverteilen.

Deutsche Ökonomen können Lafontaines Vorschlag wenig abgewinnen. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) bezeichnet die Pläne als "ökonomisch hanebüchenen Unsinn." Er kritisiert vor allem die Auswahl des Beispiels von Lafontaines jüngster Attacke: Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg, Eigentümer der Schaeffler-Gruppe, welche Ende August den Dax-Konzern und Reifenhersteller Continental übernommen hatte.

Keine Hungerlöhne

"Solche Unternehmer sichern deutsche Arbeitsplätze mit ihren Investitionen", sagt Hüther. "Die Alternative zu der Übernahme von Continental durch Schaeffler wäre, dass weitere Investoren aus dem Ausland bei deutschen Firmen einsteigen", sagt Hüther. Gleichzeitig stellt der IW-Chef einen anderen Aspekt der Enteignungsthese in Frage: "Da wird unterstellt, dass die Beschäftigten bei Schaeffler zu Hungerlöhnen arbeiten", sagt Hüther. Dies sei aber nachweislich nicht der Fall.

Mit seiner Meinung steht IW-Chef Hüther nicht alleine da: Sogar gewerkschaftsnahe Fachleute kritisieren Lafontaine. "Der Vorschlag ist so nicht akzeptabel," sagt Rudolf Hickel, Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen. "Niemand kann ernsthaft definieren, ab wann eine Firma zu viel Kapital besitzt", sagt Hickel.

Zudem müsse immer unterschieden werden zwischen aktivem und passivem Kapital. "Oftmals steckt das Vermögen doch im Unternehmen und ist ökonomisch nicht funktional", sagt Hickel. Will heißen: Das Geld könnte den Arbeitern gar nicht ausgezahlt werden, weil es im Betrieb investiert ist. Allerdings spricht Lafontaine nach Hickels Ansicht ein wichtiges Problem an: die seiner Meinung nach zunehmende Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Löhne. In manchen Betrieben könne man demnach "wahrhaft von einer Aneignung der Manager" sprechen, sagt Hickel.

Er plädiert aber für andere Maßnahmen als Lafontaine mit seinen Plänen: "Es muss für Familienunternehmen eine stärkere Belegschaftsbeteiligung nach dem Vorbild von Belegschaftsaktien geben", sagt Hickel. Gleichzeitig fordert er eine andere Steuerpolitik: "Mit einer straffen Erbschaftssteuer und geringeren Steuerbefreiungen bei Unternehmensfortführungen" könne man die Probleme ohne eine Rückenteignung lösen, sagt Hickel.

Enteignung rechtlich unmöglich

Neben den wirtschaftlichen Folgen haben Lafontaine und andere Vertreter der Linken laut Experten einen anderen Aspekt völlig vergessen: das Grundgesetz. "Wer den Besitz von Familienunternehmen enteignen will, muss die Grundmauern unseres Rechtssystem verändern", sagt Knut Werner Lange, Professor für Wirtschafts- und Handelsrecht an der Universität Bayreuth. "Eine Enteignung aufgrund von einer Anhäufung von Geld ist rechtlich völlig unmöglich", sagt Lange und verweist dabei auf Artikel 14 des Grundgesetzes: Dort werden - den Vorschlägen Lafontaines zum Trotz - Eigentum und Erbe geschützt.

Wirtschaftsrechtler Lange kann deshalb den Vorstoß des Linkspartei-Chefs nicht nachvollziehen. "Das zeugt von einer erschreckenden Unkenntnis unseres Rechtssystems." In Deutschland dürfe der Staat nicht einmal Monopolstellungen zerschlagen. "Nur weil jemand unternehmerisch erfolgreich ist, kann er nicht außerhalb der Rechtsordnung oder als Krimineller behandelt werden."

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