Existenzkrise bei General Motors:Hilflos in Detroit

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Der Rauswurf von GM-Chef Wagoner war nötig, der Chefwechsel aber wird das Problem nicht lösen. General Motors hat keinen sinnvollen Überlebensplan.

Carsten Matthäus

Es gibt viele gute Gründe, Rick Wagoner, den glücklosen Chef des einst größten Autobauers der Welt zu feuern. Wie kaum ein anderer Autoboss steht der 56-Jährige für die Fehler eines Riesenunternehmens, das die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. So hat es Wagoner, seit 2000 Chef von General Motors (GM), zu verantworten, dass sein Konzern nicht mit neuen Modellen reagierte, als Konkurrenten wie Toyota, BMW und Audi im Heimatmarkt immer mehr Marktanteile eroberten.

Ratlos am Pult: Rick Wagoner, glückloser Chef von General Motors (Foto: Foto: dpa)

Bei jeder Detroit Motor Show präsentierten seine Leute unverdrossen den nächsten monsterhaften Kleinlaster für Kleinfamilien, den nächsten vollkommen absurden Spritschlucker - auch das Ich-bin-zwei-Öltanks-Auto Hummer gehört zu Wagoners überfetteter Armada. Anstelle von neuen Ingenieurs-Ideen entfachte Wagoners Truppe aus Detroit eine ruinöse Rabattschlacht auf dem US-Markt. Ziel war es, die kleineren Konkurrenten mit schierer Geldmacht aus dem Feld zu pressen. Das Unterfangen misslang gründlich, GM war bereits weit vor dem Ausbruch der Finanzkrise eine wankender Koloss ohne Perspektive. Ratingagenturen stuften die Kreditwürdigkeit des Unternehmens im Wochentakt herunter.

Wagoner wachte aus seinem "Wir-machen-einfach-weiter"-Tagtraum auch nicht auf, als er als Bittsteller nach Washington musste, um Milliardenspritzen für sein chronisch verlustreiches Riesenreich zu erbetteln. Einmal flog er im Privatjet rüber in die Hauptstadt, und wurde schon wegen des Luxus-Flugs von den Politikern abgewatscht. Das nächste Mal kam er in einer umweltfreundlichen Dienst-Limousine. Am Grundproblem aber änderte sich nichts: Er hatte kein Konzept, wie man seinen kaputten Konzern wieder flottkriegen könnte.

Dramatisch ist allerdings, dass Wagoner und sein Stab, zu dem auch sein Nachfolger Fritz Henderson gehört, noch immer nicht wissen, wie sie den Konzern retten sollen. Henderson, 50, ist ein enger Vertrauter Wagoners und wie der geschasste Chef kein Visionär oder genialer Ingenieur, sondern ein Zahlenmensch. Die bisher vorgelegten Pläne sind aber insbesondere wegen der Zahlen durchgefallen.

Die Auto-Task-Force von US-Präsident Barack Obama hat das Sanierungskonzept von General Motors rundweg abgelehnt. In der Schule würde der Lehrer wohl einfach "Setzen, sechs" sagen. Der Prüfbericht der Task-Force, der bereits veröffentlicht wurde, nennt die Rettungskonzepte immer wieder "not viable" - "nicht gangbar, nicht zielführend". Alle Annahmen von GM zur Marktentwicklung und den Effekten von Sparmaßnahmen halten die Autoexperten der Regierung für "übertrieben optimistisch" und sie rechnen sehr einfach vor, wie vollkommen unrealistisch die Planungen aus Detroit sind.

Nur ein Beispiel: Allein die laufenden Kreditkosten des Sanierungsplans steigen nach Einschätzung der Task-Force bis 2013 und 2014 auf jährlich 6 Milliarden Dollar. Um diese Kosten auszugleichen, müsste der Konzern 900.000 Autos mehr verkaufen - pro Jahr. Wie das angesichts der Absatzkrise gehen soll, versteht niemand. Fast schon sarkastisch klingt in diesem Zusammenhang der Satz: "Angesichts des derzeit schwierigen Marktes liegt das Unternehmen bereits in diesem Jahr in Hinblick auf Verkaufsvolumen und Marktanteil hinter Plan."

Autokrise 2008
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2008 sah die Autobranche den Niedergang von General Motors, Ford und Chrysler. Selbst die einstigen Vorzeigemarken BMW, Mercedes und VW schwächeln - Szenen einer beispiellosen Krise. In Bildern

Günther Fischer

Das dürre Statement, das Wagoner zur Berufung Hendersons in der Nacht zum Montag veröffentlicht hat, ist für den neuen Chef alles andere als hilfreich. Darin steht: "Weil ich jahrelang mit ihm zusammengearbeitet habe, weiß ich, dass er die ideale Person ist, das Unternehmen durch die Restrukturierung zu führen." Ein Herumreißen des Ruders, bitter nötig fürs nackte Überleben des Autoriesen, sieht anders aus.

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