Ex-VW-Patriarch:Piëch kappt seine Verbindungen zu Volkswagen - fast

Ex-VW-Patriarch: Ein Bild aus besseren Zeiten: Damals, im Jahr 2009, war Ferdinand Piëch bei VW noch das Maß aller Dinge.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Damals, im Jahr 2009, war Ferdinand Piëch bei VW noch das Maß aller Dinge.

(Foto: Thomas Kienzle/AP)
  • Für Piëch sind die Zeiten als Großaktionär bei VW endgültig vorbei.
  • Er hat seine Anteile auf weitere Mitglieder der Familien Porsche und Piëch übertragen.

Von Thomas Fromm und Max Hägler

Man konnte es durchaus so interpretieren: Dieser alte Herr führt noch einmal etwas im Schilde. Vielleicht zum letzten Mal. Auf den Fotos, die Ferdinand Piëch in der vergangenen Woche zeigten, scheint er frech zu grinsen. Auf dem Beifahrersitz eines hellblauen Porsche Panamera fuhr er zur Sitzung des von ihm mit aufgebauten und geleiteten Konzerns. Am Steuer: seine Gattin Ursula. Das "Orakel von Salzburg" nennen sie ihn in der Autobranche, weil man nie genau weiß, was er vorhat. Nun zeigt sich, dass es tatsächlich einer der letzten Auftritte gewesen sein könnte - oder eben auch nicht. Denn ein bisschen soll er noch bleiben als Aufsichtsrat dieser Porsche Holding SE (PSE). Darüber kann man als Patriarch schon einmal schmunzeln.

Eines aber ist gewiss: Die Zeit des Großaktionärs ist vorbei, endgültig. Am Montagnachmittag teilte die Holding mit, dass Piëch den Großteil seiner Aktien verkauft - nicht an Chinesen, nicht an US-Hedgefonds, sondern an die weitverzweigte Verwandtschaft. Ausgerechnet an jene, mit denen er seit Jahren im Clinch liegt.

Es seien Verträge unterzeichnet worden, "mit denen die im Einflussbereich von Piëch stehenden Privatstiftungen den wesentlichen Anteil ihrer Stammaktien der Porsche Automobil Holding SE an weitere Mitglieder der Familien Porsche und Piëch übertragen", heißt es. In der PSE ist die Macht über den VW-Konzern gebündelt, der wiederum der größte Autokonzern der Welt ist. Piëch hielt bislang 14,7 Prozent der PSE. Die Kartellbehörden müssen noch mitreden, aber was sollen sie dagegen haben: Wer in den Clans nun welche Prozente hält, ist letztlich egal.

Einerseits. Andererseits geht eine Ära zu Ende. Ferdinand Piëch war lange der einflussreichste Automanager Europas. Der Enkel des Porsche-Erfinders hat den VW-Konzern (u.a. MAN, VW, Scania, Porsche) geprägt wie kein zweiter. Im Jahr 1972 heuerte er bei der VW-Tochter Audi an - als normaler technischer Entwickler.

Damals war es ein Beschluss der Familie: Alle Clan-Mitglieder sollten sich aus der Porsche-Leitung zurückziehen und woanders ihr Glück versuchen. Piëch, der rastlose Ingenieur, der zuerst der forsche Jung-Manager war, bevor er zum knorrigen alten Patriarchen wurde, machte seinen Weg durch die Konzerninstanzen. 1988 Audi-Chef, 1993 VW-Chef, nach 2002 Chefkontrolleur des Autobauers. Das war sie nun, die ultimative Rolle des Clan-Chefs, der Wirtschaft immer auch für so etwas gehalten hat wie Krieg. Mann gegen Mann, jedes Auto, jeder Vorstandsbeschluss eine Schlacht.

Er machte Volkswagen zum weltweit bedeutenden Konzern. Am Ende blieben ihm: Aktien

Seine wichtigste Schlacht kam im Frühjahr 2015. Mit nur einem Satz ("Ich bin auf Distanz zu Winterkorn") hatte sich der Alte von seinem jahrelangen Schützling, Geführten und Bruder im Geiste losgesagt. Doch Martin Winterkorn, der wie sein Mentor zuerst Audi- dann VW-Chef war, blieb noch - bis zum Ausbruch der Dieselaffäre im September. Piëch, der bis dahin Unbesiegbare, räumte das Feld. Was ihm am Ende blieb, waren seine Aktien an der Porsche Holding SE - deren geplanten Verkauf er nun vor wenigen Wochen ankündigte. Der angekündigte Bruch. Dabei war klar: Die Familie hat das Vorkaufsrecht. Ohne Ferdinand Piëchs Anteile würden die Porsches und die Piëchs ihre 50-Prozent-Mehrheit über die PSE und damit auch über VW verlieren. Das wäre ein Ende dieser Ära, das wohl keiner wirklich wollte.

Zwischenzeitlich war spekuliert worden, ob die Familien tatsächlich den Kaufpreis aufbringen können. Kenner aus ihrem Umfeld hatten für diese Zweifel indes nur Spott übrig. Die Clans sind vielleicht nicht immer einer Meinung. Aber eine Milliarde Euro bekommen sie dann schon noch zusammen, und sei es zum Teil auch auf Kredit von ihren Hausbanken. Wer nun genau welche Anteile erhält oder besser einkauft, ist indes noch unklar.

Einen interessanten Aspekt gibt es darüberhinaus: Ferdinand Piëch gibt nicht komplett ab und damit auf. Die Ferdinand Karl Beta Privatstiftung - sie heißt wirklich so - bleibt weiterhin mittelbar an der PSE beteiligt, "geringfügig" zwar, wie das Unternehmen mitteilt, aber doch so, dass Piëch eben noch eine Rolle spielen kann - und es auch tut. Denn der 80-Jährige bleibt, anders als viele gedacht hatten, vorerst im Aufsichtsrat. Im Mai ist die Hauptversammlung der Porsche SE und die meisten hatten gedacht, dass hier nun die entscheidenden Weichen gestellt werden, was die Nachfolge anbelangt. Wer ist die bestimmende Figur aus der nächsten Generation?

Für Porsche und Volkswagen bedeutet der Ausstieg einen Kulturwandel

Doch Piëch, hat ganz orakelmäßig, diese Antwort aufgeschoben. Er hat sich stattdessen "bereit erklärt, der Porsche Automobil Holding SE für den Fall seiner Wahl durch die Hauptversammlung im Mai bis zum "vollständigen Vollzug" der vorstehend genannten Übertragungen als Aufsichtsrat zur Verfügung zu stehen. Und er ist auch vorgeschlagen zur Wiederwahl, neben seinem Cousin Wolfgang Porsche und anderen Familienmitgliedern. Das bedeutet: Immer noch hat er Macht, immer noch dirigiert er mit.

Einige Monate zumindest. Für den Konzern bedeutet der begonnene Ausstieg dennoch nichts weniger als: einen großen Kulturwandel. Es begann damit, dass sich Piëch mit den anderen Familienmitgliedern überworfen hatte. Zuletzt warf er seinem Cousin Wolfgang Porsche vor, dass dieser schon früher von den VW-Dieselbetrügereien wusste, dies aber nicht publik machte. Auch Betriebsratschef Bernd Osterloh und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wurden von Piëch belastet. Ein Racheakt für jene heißen Tage im Frühjahr 2015, als Piëch vom Hof gejagt wurde?

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