Ex-Siemens-Vorstand Jung:Nicht auf die Insel

Deutschland, nicht Griechenland: Der frühere Siemens-Vorstand Volker Jung wird nicht nach Athen ausgeliefert. Er bummelt stattdessen durch Berlin.

Klaus Ott

Am Freitag war Volker Jung in Berlin unterwegs. Der ehemalige Siemens-Vorstand, der einst zu den wichtigsten Managern hierzulande zählte, schaute sich die Hauptstadt an und besuchte dort einige Ausstellungen. Der 71-jährige Rentner hält sich mit seiner Frau lieber im kalten Deutschland auf, anstatt ins frühlingshafte Griechenland zu reisen, das er einst als seine zweite Heimat bezeichnet hat. Auf der Ägäis-Insel Paros besitzt das Ehepaar ein Haus. Für andere Leute wäre die Reise ans milde Mittelmeer ein Vergnügen, für den alten Herrn aus dem Münchner Vorort Grünwald käme das eher einen Horror-Trip gleich. Die griechische Justiz würde Jung nämlich wegen des Schmiergeldskandals bei Siemens ins Gefängnis stecken und hat deshalb versucht, seiner mit einem europäischen Haftbefehl habhaft zu werden. Doch daraus wird nichts.

Ex-Siemens-Vorstand Volker Jung

Ex-Siemens-Vorstand Volker Jung - die griechische Justiz würde Jung gerne  wegen des Schmiergeldskandals ins Gefängnis stecken.

(Foto: Peer Grimm/dpa)

Das Oberlandesgericht und die Generalstaatsanwaltschaft in München haben einen Auslieferungsantrag abgelehnt. Der frühere Siemens-Vorstand, der auch Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie war und den Aufsichtsräten führender Konzerne angehörte, wird nicht ins Flugzeug gesetzt und nach Athen überstellt. Vor einem Vierteljahr war Jung mit seiner Frau aus Griechen geflohen, nachdem die dortigen Behörden ihn nach einer Zeugenaussage im Juni 2009 im Lande festgehalten und ein Ausreiseverbot verhängt hatten. Siemens hatte früher in Athen fleißig geschmiert, um Aufträge von Staatsfirmen zu bekommen. Jung sei daran beteiligt gewesen, glauben die griechischen Behörden. Sie haben aber keine Beweise und ignorieren hartnäckig, dass die Münchner Staatsanwaltschaft sagt, gegen den Ex-Vorstand liege gar nichts vor.

Stattdessen beruft sich die Athener Justiz darauf, dass Jung mal Verwaltungsratschef von Siemens in Griechenland war und geholfen habe, mit Bestechung einen Milliardenauftrag der nationalen Telefongesellschaft OTE zu bekommen. So steht es im Haftbefehl. Den hat die Münchner Justiz aber rasch verworfen, aus formalen Gründen. Jung ging bereits 2003 in Rente, nach deutschem Recht wären solche Taten mittlerweile verjährt. Allein schon deshalb wird nicht ausgeliefert. "Das ist für uns erledigt", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Alfons Obermeier. Die Griechen können sich weitere Anträge also sparen.

Nun hält man sich in Athen an die eigenen Leute. Ein Untersuchungsausschuss des Parlaments kam zu dem Ergebnis, Ex-Ministerpräsident Kostas Simitis und etliche Minister seiner sozialistischen Partei Pasok sowie mehrere Ex-Minister der konservativen Nea Dimokratia seien für den Skandal politisch verantwortlich. Jetzt wird beraten, gegen wen wie vorgegangen werden soll. Jung schaut sich das lieber aus der Ferne an.

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