Interview mit Daniel Bahr:"Das ist keine Lobby-Tätigkeit"

***BESTPIX*** Health Minister Bahr Visits Teddy Bear Clinic

Gesundheitsexperte: Ex-Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) im Mai 2013 in der Kuscheltierklinik in der Berliner Charité.

(Foto: Getty Images)

Ex-Gesundheitsminister und FDP-Politiker Daniel Bahr wird bald für die Allianz Private Krankenversicherung arbeiten. In der "SZ" spricht er über den Neuanfang, wehrt sich gegen Lobbyismus-Vorwürfe und erklärt, warum ein Jahr Pause genug ist.

Interview von Guido Bohsem

Nach der Bundestagswahl im vergangenen Jahr kam für ihn das Aus, der freie Fall. Seine FDP schaffte den Einzug in den Bundestag nicht mehr und damit war auch Daniel Bahrs Karriere in der Politik vorerst beendet. Sein Mandat war weg und natürlich auch der Ministerposten. Ein schwerer Schlag für den 37-Jährigen. Er zog sich aus dem Berliner Politbetrieb zurück, ging in die USA, wo er in Washington für das Center for American Progress arbeitete - eine Denkfabrik, die US-Präsident Barack Obama bei der Gesundheitsreform berät. Daneben unterrichtete er als Dozent an der University of Michigan - Schwerpunkt: Gesundheitsökonomie.

Die Auszeit hat ihm gutgetan. Bahr wirkt erholt und entspannt, wozu auch die längeren Haare und der Bart beitrugen, die er sich in seiner Auszeit in den Vereinigten Staaten zugelegt hatte. Jetzt kehrt er ins deutsche Gesundheitswesen zurück, allerdings nicht mehr als Politiker, sondern als Vorstandsmitglied der Allianz Private Krankenversicherung. Das sei keine Lobby-Tätigkeit, versichert er. Die Süddeutsche Zeitung sprach mit ihm über seine neue Aufgabe, vor allem aber über die Probleme, die dieser Wechsel aufwirft und darüber, wie das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft aussehen kann.

Herr Bahr, für Sie beginnt nach Ihrer Karriere in der Politik ein neuer Lebensabschnitt. Was werden Sie nun machen?

Ich habe mich nach einer politischen Auszeit ein Jahr nach der Bundestagswahl dazu entschieden, in die Wirtschaft zu gehen. Dort will ich meine Kompetenz und Erfahrung in das Gesundheitswesen einbringen nutzen. Ich werde zum 1. November in die Führung der Allianz Private Krankenversicherung eintreten.

Sie waren gesundheitspolitischer Sprecher, Staatssekretär, Gesundheitsminister und nun werden Sie für die private Krankenversicherung arbeiten. Ist das nicht zu nahe an der alten Tätigkeit dran?

Politiker kommen nicht aus dem Nichts und sie gehen auch nicht in das Nichts. Meine Ausbildung und mein Engagement in den vergangenen Jahren für das Gesundheitswesen führen für mich logisch dazu, dass ich in diesem Bereich auch weiter tätig bin. Es wäre ja eher verwunderlich gewesen, wenn ich jetzt für die Automobilindustrie arbeiten würde, wo ich mich ja nicht auskenne.

Ihre Ausbildung war doch die Gesundheitspolitik.

Ich habe Bankkaufmann gelernt und war bei der Bank tätig. Ich habe Volkswirtschaft studiert, dann auch noch ein Masterstudium Gesundheitswirtschaft absolviert. Insofern ist meine Ausbildung eigentlich mal gedacht gewesen, dass ich eine Laufbahn in der Wirtschaft mache und dann bin ich in den Bundestag gekommen. Das war eine spannende Zeit, die ich nicht missen möchte.

Sie müssen wechseln, weil die FDP nicht mehr in den Bundestag gekommen ist ...

Politik ist immer ein Mandat auf Zeit. Ich wollte nie für immer Politik machen. Ich wäre gerne weiter Gesundheitsminister gewesen, aber der Wähler hat es anders entschieden. Für mich ist es eine folgerichtige Entscheidung, etwas Neues anzufangen. Da fühle ich mich bei der Allianz sehr wohl.

Sie hätten sich den Ausstieg also auch als aktiver Politiker vorstellen können?

Niemand sollte ewig Politiker sein. Es gibt viel zu viele im Parlament, die eigentlich nichts anderes gemacht haben als Politik, häufig nur bei Parteien gearbeitet haben oder in Fraktionen oder Stiftungen.

Das hätten Sie ja jetzt auch machen können ...

Ich wollte immer unabhängig von Politik sein. Der Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik ist sinnvoll ist und muss möglich sein, denn beide profitieren davon. In der Wirtschaft schadet es nicht, wenn man weiß, wie politische Zwänge und Entscheidungen zustande kommen und in der Politik nutzt es, wenn man weiß wie Wirtschaft funktioniert.

Daniel Bahr - ein Politikerleben

Man kann sagen, dass Daniel Bahr trotz seines Alters bereits zum Inventar der Berliner Republik gehört. Zwar wird der FDP-Politiker im November gerade mal 38 und trotzdem kann der in Münster aufgewachsene Bahr auf eine mehr als 15-jährige Karriere im politischen Betrieb zurückblicken. 1999 wurde er zum Vorsitzenden der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale gewählt. 2002 zog er in den Bundestag ein und arbeitete sich in den Bereich der Gesundheitspolitik ein. 2009 wurde er Staatssekretär und 2011 Gesundheitsminister. Bahr hatte eine glückliche Hand im Amt. Durch die gute Konjunktur und den hohen Beitragssatz ging es der gesetzlichen Krankenversicherung wohl nie vorher so gut wie zu seinen Zeiten - 30 Milliarden Euro betrugen die Reserven im System. Guido Bohsem

Was werden Sie denn genau bei der Allianz machen?

Bei der Allianz Private Krankenversicherung übernehme ich die Verantwortung für das Leistungsmanagement und die Vertriebskoordination. Ich bin quasi zuständig für Vertriebsfragen und die Ausgabenseite der Krankenversicherung. Abrechnungen und Verträge mit Leistungserbringern wie zum Beispiel Ärzten oder Kliniken gehören dazu. Das ist klassisches Unternehmensgeschäft.

Und das halten Sie nicht für eine Lobby-Tätigkeit?

Für das Lobbying bei der Allianz sind andere zuständig. Mein Schreibtisch ist in München. Ich werde mit Familie nach München umziehen. Meine Aufgabe ist es, Verantwortung im Unternehmen zu übernehmen und nicht, politische Entscheidungen zu beeinflussen. Wenn das Lobby-Tätigkeit ist, dann wäre ja jeder Angestellte eines Unternehmens gleichzeitig Lobbyist. Sie wären dann als SZ-Journalist ja auch Lobbyist für Ihren Verlag.

Journalisten sind aber Journalisten und keine Politiker ...

Das bin ich auch nicht mehr. Es muss möglich sein, dass man eine normale Verantwortung in einem Unternehmen hat und auch als Ex-Politiker gerade in jungen Jahren noch die Chance hat, etwas anderes zu machen, um sich dort zu beweisen.

"Ich werde ja kein anderer Mensch"

Und doch haben Sie die Kontakte, die Sie haben und die werden Sie ja auch nutzen, wenn es darauf ankommt.

Ich werde ja kein anderer Mensch und ich werde auch meine Überzeugungen nicht ändern. Das wird nicht verwundern. Ich habe mich immer für Wahlfreiheit eingesetzt, für Vielfalt bei den Versicherern. Aus meiner Sicht tut es der Versorgung gut, wenn es einen Wettbewerb auch zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung gibt. Ich bin der Auffassung, dass wir eine starke private und gesetzliche Krankenversicherung brauchen und dafür werde ich mich weiter einsetzen. Und im Übrigen ist die FDP weder in der Bundesregierung, noch im Bundestag vertreten.

Sie haben sich für etwa neun Monate aus der Politik und der Öffentlichkeit zurückgezogen. Glauben Sie, dass Sie damit die allgemein geforderte Karenzzeit eingehalten haben?

Ich habe es für mich entschieden, dass ich eine Auszeit sinnvoll finde. Ich weiß nicht, ob man das überhaupt gesetzlich regeln kann, weil die Situationen ja sehr unterschiedlich sind. Ich habe es als sehr angenehm empfunden, in den USA räumlichen und zeitlichen Abstand zu gewinnen und auch mal auf Deutschland zu schauen und neue Erfahrungen zu sammeln. Aber ich sage auch: Wenn man vorher wie ein Formel-Eins-Fahrer 300 Stundenkilometer fährt und plötzlich ist der Motor aus - und das war nach der Bundestagswahl so - dann kann man auch nicht einfach drei Jahre lang nichts tun. Ich habe mich vorher mit Leidenschaft um das Gesundheitswesen gekümmert und da kann ich nicht einfach abschalten und nichts tun.

War es lange genug?

Bereits am Wahlabend haben mich Journalisten gefragt, was ich beruflich mache. Ein Jahr nach der Bundestagswahl zu warten, ist ein hinreichender Abstand. Ich habe mich zurückgehalten und mich nicht mehr in die politischen Debatten eingebracht, obwohl es mich gejuckt hätte. Nein, ich habe mich vorbereitet auf eine neue Aufgabe.

Sie haben in Amerika sicherlich die Diskussionen über Ihre Ministerkollegen Dirk Niebel und Ronald Pofalla verfolgt. Können Sie nachvollziehen, dass es so heftige Kritik an deren Wechsel gab und so viele Menschen empört waren?

Jeder entscheidet das für sich. Ich bin jung und habe Familie, ich wollte operative Verantwortung im Unternehmen, bewusst keine Lobbytätigkeit. Nicht weil ich das verwerflich finde, sondern weil ich für mich entschieden habe, dass das nichts ist, was mich begeistert und ausfüllt. Ich wollte den Abstand zur Politik und ich will mich in einer anderen Aufgabe beweise, mit allen Chancen und Risiken.

Sie galten als großes politisches Talent. Ist die Politik für Sie jetzt abgeschlossen?

Ich werde ein politischer Mensch bleiben und mich auch wie vor meiner Zeit im Bundestag für die Liberalen ehrenamtlich engagieren. Aber ich konzentriere mich voll auf meine Aufgabe in der Allianz.

Sie sind zuversichtlich, dass die FDP noch eine Chance hat - die derzeitigen Ergebnisse sprechen ja nicht gerade für ein Comeback der Liberalen?

Ja, bin ich. Ich bin überzeugt davon, dass es die Liberalen im Parlament braucht und dass Christian Lindner und andere sehr hart dafür kämpfen und deshalb bin ich auch zuversichtlich, dass die FDP wieder in den Bundestag kommt.

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