Ex-Pleitier Horst-Dieter Esch:Maschinen und Mädchen

Die Insolvenz des Baumaschinenkönigs Esch war eine der spektakulärsten Pleiten der Nachkriegszeit. 20 Jahre später bringt der Manager eine US-Modelagentur an die Börse.

Nina Jauker

"Nur ein dritter Weltkrieg kann mich stoppen," lautete die Philosophie von Horst-Dieter Esch in den achtziger Jahren, als er noch ein Tycoon war. In seiner zweiten Karriere nennen ihn die langbeinigen Mädchen nur "Dieter" - mit dem knarzigen "Horst" haben sie Schwierigkeiten. Den 64-jährigen Großaktionär von Wilhelmina Models hätte man auch in seiner aktiven Zeit als Unternehmer niemals für den Chef einer Modelagentur gehalten. Fotografieren ließ er sich noch nie gern, sein Kleidungsstil wurde mit dem eines schwäbischen Autohändlers oder eines Rentners aus Milwaukee verglichen. Dass das Geschäft mit grazilen Laufstegschönheiten "mehr Spaß macht" als Baumaschinen zu vertreiben, gab Esch zu. Doch ansonsten hat er immer den geschäftsmäßigen Stil der deutschen Modelbranche gepflegt.

Ex-Pleitier Horst-Dieter Esch: Der Gründer des Baumaschinenkonzerns IBH, Horst-Dieter Esch (r.), mit seinem Anwalt vor Verhandlungsbeginn im Hanauer Landgericht (Archivfoto vom 29.11.1984).

Der Gründer des Baumaschinenkonzerns IBH, Horst-Dieter Esch (r.), mit seinem Anwalt vor Verhandlungsbeginn im Hanauer Landgericht (Archivfoto vom 29.11.1984).

(Foto: Foto: dpa picture-alliance)

Weder glamourös noch trendy

"Dieter Esch ist total atypisch im Business," sagte der Gründer der Konkurrenz-Agentur Elite, John Casablancas, im Jahr 2005 dem Focus. Casablancas war früher als Nymphenjäger und Partyhengst Prototyp der Branche. "Esch ist weder hip, glamourös noch trendy - genau darum hat er immer den besten Riecher für Geschäfte." Der maliziöse Hinweis folgte allerdings sofort: "Sein Background brachte ihm juristisch viel Kenntnis. Im US-Rechtssystem bewegt er sich wie ein Fisch im Wasser!".

Seine Vergangenheit sei in den USA kein Thema, sagt Esch selbst. "Hier bekommt jeder seine zweite Chance," erzählt er in jedem Interview. Und weist mit Vorliebe darauf hin, dass er in Amerika für seine Taten niemals in den Knast gewandert wäre. Auch in Deutschland hat sich die Rechtslage mittlerweile geändert.

Gelegentliche Anfälle von Größenwahn

All das ist lange her: Selbst seine zweite Karriere in den USA hat offiziell ihr Ende erreicht. An seinem 60. Geburtstag setzte sich Esch zur Ruhe und verkaufte die Agentur - behielt aber 50 Prozent der Aktien und jede Menge Einfluss. Doch auch wenn der Selfmademan aus Hannover in vier Tagen seinen 65. Geburtstag feiert und seine Zeit im Gefängnis 20 Jahre her ist: Seine Vergangenheit bleibt ein spektakuläres Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte und alles zentriert sich um die schillernde Persönlichkeit des Wirtschaftsmanagers.

Der Schlossersohn aus Hannover legte eine filmreife Karriere hin - befeuert, so schien es, hauptsächlich durch seine Risikofreude und gelegentliche Anfälle von Größenwahn. Esch studiert an der University of California in Los Angeles, finanzierte sich sein Studium als Platzanweiser im Autokino. Thema seiner Abschlussarbeit: Die Möglichkeit, in Deutschland Autokinos zu etablieren. Mit einem Master of Business Administration arbeitete er sich im Baumaschinen-Gewerbe hoch, spekulierte 1973 mit Aktien seines Arbeitgebers Blackwood-Hodge an der Börse und gewann in kurzer Zeit eine Million DM, den Grundstock für seine weiteren Geschäfte.

Er kaufte eine Reihe mittelständischer Baumaschinen-Unternehmen auf, die kurz vor dem Konkurs standen und billig zu haben waren - Mitte der siebziger Jahre waren solche Firmen dank einer ausgedehnten Wirtschaftskrise wenig begehrt. Daraus formte er den drittgrößten Baumaschinen-Konzern der Welt, die IBH-Holding. Es gelang Esch, die größte deutsche Privatbank, die renommierte Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. (SMH) zu seiner Hausbank zu machen. Er nahm General Motors, Babcock und einen reichen saudischen Scheich an Bord. Die Presse jubelte ihm zu. Die Großaktionäre traten ihre Stimmrechte an Esch ab, er selbst besaß 1982 nur noch neun Prozent der Anteile. Der Darling der deutschen Wirtschaftsszene spekulierte also hauptsächlich mit fremdem Geld, kassierte aber dicke Provisionen für all die Firmentransaktionen. Sein Konzern hatte 15.000 Mitarbeiter und machte zweieinhalb Milliarden DM Jahresumsatz. Der damalige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep saß im Aufsichtsrat.

Ein Graf im Knast

Die Konjunktur spielte jedoch nicht mit. 1983 musste Esch Insolvenz anmelden. Es war eine der spektakulärsten Pleiten der Nachkriegszeit. Am Ende standen rund eine Milliarde Mark Schulden und die Beinahe-Pleite der Privatbank SMH, die nur mit einer vereinten Hilfsaktion des deutschen Bankgewerbes verhindert werden konnte. Der Chef der Privatbank, Ferdinand Graf Galen, der knapp eine halbe Milliarde DM in den Esch-Konzern gesteckt hatte, kam wegen Betrugs ins Gefängnis. Esch wurde 1984 verhaftet, es folgten zwei spektakuläre Prozesse. Er wurde unter anderem wegen Untreue, Betrug und Bilanzfälschung zu insgesamt mehr als sechs Jahren Haft verurteilt, vier Jahre davon büßte er ab.

Noch am Tag seiner Haftentlassung im Juli 1989 saß Esch mit Tochter Natascha und Frau Ana Gabi im Flugzeug in die USA. Mit der Modelagentur Wilhelmina startete er eine zweite Unternehmerkarriere - obwohl er offiziell "sein ganzes Vermögen verloren" hatte. Seine Tochter fungierte zunächst als Eigentümerin und seine Frau als Geschäftsführerin. Auch dieses Unternehmen hat er mittlerweile über den klassischen Bereich einer Modelagentur hinaus zu einem Konzernimperium ausgebaut, unter anderem mit lukrativen Internet-Beteiligungen.

Models sind konjunkturrobust

Zwischenzeitlich scheiterte er auch wieder - unter anderem mit der Restaurant-Show "Pomp Duck & Circumstance" mit Starkoch Wodarz, die er in die USA bringen wollte. Doch kleinere Pleiten kann er sich mittlerweile leisten. Die Wilhelmina und der um sie herum aufgebaute Konzern sichern den sanierten Ex-Pleitier komfortabel ab - nun will Esch seine Firma sogar an die Börse bringen. Zwar ist die Branche an den sensiblen Werbemarkt gekoppelt. Doch die Unternehmen streichen Werbung nie komplett, sondern zeigen sie höchstens seltener in den Medien. Sorgen muss sich also niemand machen: Im Gegensatz zum Baumaschinenhandel ist das Geschäft mit Models konjunkturrobust. Esch sagt selbst: "Es gibt hier keine großen Auf und Ab".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: