Ex-Millionär Karl Rabeder:Wohltäter im Nirgendwo

Öffentlichkeitswirksam verloste der Tiroler Karl Rabeder 2010 seine Villa in Österreich. Der Erlös sollte einem sozialen Projekt zugutekommen, doch nun kommt die Frage auf, ob dies tatsächlich der Fall war - was sagt Rabeder dazu?

Hans von der Hagen

Karl Rabeder fasst seine eigene Geschichte gerne so zusammen: Ein Millionär verlost seine Villa, weil er sein bisheriges Leben nicht mehr erträgt. Mit dem Geld hilft er Ärmeren. Eine Geschichte, die Medien mögen. Auch wir haben über Karl Rabeder berichtet - zuletzt interviewte ihn Süddeutsche.de in einer Berghütte, um zu hören, was diesen Mann bewegt.

Rabeder

Karl Rabeder: Was geschah genau nach der Verlosung?

(Foto: sueddeutsche.de)

Doch nun hat das schöne Bild vom Wohltäter Kratzer bekommen. Der Autor Stefan Linde zeichnet im Stern und in der Münchner Abendzeitung sowie im Rahmen von Recherchen des NDR-Medienmagazins "Zapp" nach monatelanger Arbeit ein anderes Bild von Rabeder. Demnach würde die Geschichte eher so lauten: Jemand verlost mit sozialem Aplomb seine Villa, um besonders viel Öffentlichkeit zu erreichen - mit ungewissem Ergebnis. Und Rabeder kann den kritischen Eindruck auch nach neuen Recherchen von Süddeutsche.de nicht stichhaltig entkräften.

Als Rabeder 2009 und 2010 sein Haus in Österreich anpries, schrieb er auf seiner damaligen Webseite luxusvillatirol.at, die noch bei den Internet-Archivseiten archive.org aufgerufen werden kann: "Sichern Sie sich jetzt für 99,- Euro Ihre Luxusvilla in Tirol mit einer Grundstücksgrösse von 2711 m² und einer 321 m² großen Wohnfläche, im Gesamtwert von ca. 1,5 Millionen Euro". Er versprach: "Den Erlös aus der Verlosung unseres Hauses werden wir einerseits verwenden, um bestehende (Hausbau-) Darlehen zu tilgen, und andererseits, um die Gründungskosten von Mymicrocredit (MMC) aus eigener Tasche abdecken zu können."

Es gebe keine Gewinnabsicht, beteuerten Rabeder und seine damalige Lebensgefährtin seinerzeit auf der Webseite: "Wir haben den Weg der Hausverlosung gewählt, um für unser Schmuckstück den durch einen Gutachter geschätzten Wert zu erzielen. Diesen Betrag wollen wir nicht in unseren Besitz fließen lassen, sondern werden diesen nach Abzug der Kosten (Anwalt, Treuhänder, Steuern und Marketingkosten) in ein neues soziales Projekt investieren."

Doch wie viel war das am Ende?

"Wieso nicht? Ich hatte nicht vor, sie weiter zu nutzen"

Der Villenverkauf verlief anfangs zäh. Rabeder beschreibt in seiner Autobiographie, dass von den 21.999 Losen ein halbes Jahr nach Start der Verlosung erst rund ein Viertel verkauft wurde. Darum schaltete er zwei Kommunikationsagenturen ein - zunächst eine in Salzburg, dann eine weitere in Deutschland, um auch Kunden aus dem Nachbarland zu gewinnen. Das alles hat viel Geld gekostet.

Die Einnahmen lagen beim Verkauf aller Lose bei 2,178 Millionen Euro. Rabeder, der sich nach eigenen Angaben derzeit in Namibia aufhält, teilt per Mail mit, dass am Ende nach Abzug der Kosten in der Hausverlosung ein Betrag von rund 1,5 Millionen Euro geflossen sei - mithin die Summe, die die "Immobilie mit allen Grundstücken laut Gutachter auch Wert war".

Verluste in der Finanzkrise

Nach den Angaben in der Abendzeitung tilgte Rabeder Hypotheken in Höhe von 745.000 Euro. Rechnerisch blieb demnach noch eine Summe von rund 755.000 Euro für MMC.

Doch ist das Geld in dieser Höhe je bei dem Verein angekommen? Diese Frage lässt Rabeder auf neue Nachfragen von Süddeutsche.de unbeantwortet. Dass kurz vor Beginn der Verlosung die Villa zusätzlich noch mit 100.000 Euro belastet worden sei, begründet er mit den Kosten für die Glückspielgebühr von 261.000 Euro, die der Staat Österreich am Beginn einer Verlosung haben will. Die Eintragung sei durch die Hausbank vorgenommen worden, die die Gebühr vorab finanziert habe.

Schon früher hatte Rabeder offenbar erfolglos versucht, die Villa zu veräußern. Zunächst über zwei Makler, später über Ebay, heißt es in der Abendzeitung. Ursprünglich sollte demnach die Luxusimmobilie in Telfs für 1,8 Millionen Euro veräußert werden, dann für 1,58 Millionen Euro. Rabeder sagt, dass sich die Preisdifferenzen "wahrscheinlich" damit begründeten, dass die Liegenschaft mit "unterschiedlich großen Grundstücken" angeboten worden sei.

In der Finanzkrise hatte Rabeder "große Summen" verloren, wie er selbst in seinem Buch schreibt - Geld, das "ich nach dem Verkauf meiner Firma in Aktien angelegt hatte". Trieben die Verluste in der Finanzkrise Rabeder zum Verkauf? Rabeder sagt nur: "Bedingt durch die Veränderung in meiner Lebensplanung war schon früher klar, dass ich die Villa in Tirol veräußern will."

Rabeder hatte noch ein zweites Haus in Südfrankreich, das er laut dem Bericht in der Abendzeitung 2010 verkaufte. Auf die Frage des NDR, warum er es hingenommen habe, es unter Verlust zu veräußern, antwortete Rabeder lediglich: "Wieso nicht? Ich hatte nicht vor, sie weiter zu nutzen."

Und so bleibt unklar, wie es um Rabeder in jenem Jahr tatsächlich finanziell stand. Er selbst beantwortet die Frage, ob er zum Zeitpunkt der Verlosung im August denn noch tatsächlich Millionär war oder bereits in finanziellen Schwierigkeiten steckte, so: "Bereits seit 2004 gebe ich Teile meines Vermögens für gemeinnützige Zwecke aus und nicht für meinen exzessiven Lebensstil, wie es im Stern steht. Daher war der Wert meiner Besitztümer 2010 geringer als 2004, aber immer noch in Millionenhöhe."

"Anderes Sparbüchel"

Verwirrend ist aber auch, dass Rabeder immer noch Alleingesellschafter eines Unternehmens ist - immerhin hatte Rabeder ja wiederholt betont, dass er seine Firma schon 2004 verkauft hatte. Nun sagt er dazu, dass er 2004 lediglich die werthaltigen Vermögensgegenstände verkauft habe. "Nach 2004 wollte ich den restlichen Teil der Firma ebenfalls gewinnbringend verkaufen wie den ersten Teil." Besonders 2008 habe er dafür einiges an Energie verwendet. "Dabei merkte ich auch, dass mir aufgrund meiner sozialen Aktivitäten aber immer mehr die Begeisterung für die Firma abhanden gekommen war. So entschloss ich mich 2009/2010 zur GmbH-Stillegung". Doch noch immer existiert die Firma - im österreichischen Firmenbuch wird die Kunsthandwerk Kara GmbH noch geführt.

Unklar ist auch, warum Rabeder - gemäß dem Bericht in der Abendzeitung kurz nach Verlosung der Villa - noch offene Bankverbindlichkeiten seiner Firma Kunsthandwerk Kara GmbH tilgte. Im Jahresabschluss vom 30.09.2010 hieß es: "Die Gesellschaft weist zum 30.09.2010 eine buchmäßige Überschuldung aus." Dennoch lag aus Sicht des Geschäftsführers Rabeder und Alleingesellschafters keine Überschuldung vor. Er übernahm die Verbindlichkeiten gegenüber einem Kreditinstitut in Höhe von knapp 510.000 Euro persönlich.

Sanierte Rabeder womöglich mit dem Geld aus der Villenverlosung nebenher seine Firma? Süddeutsche.de sagt er, "dass keinerlei Gelder aus der Hausverlosung in die Tilgung der GmbH-Verbindlichkeiten geflossen sind". Belege dafür will er nach seiner Rückkehr aus Namibia liefern. Anfragen zur Herkunft des Geldes beantwortete Rabeder nicht. In der Abendzeitung sprach er von "einem anderen Sparbüchel", was es da noch gegeben habe.

Rabeder gründete auch noch eine weitere Firma, die A Gold GmbH, eine Handelsplattform im Internet für Gold und Silber. Rabeder sagt, dass die A-Gold-GmbH in seiner Autobiografie unerwähnt geblieben sei, weil sie die Idee eines Partners gewesen sei. Schon zum Zeitpunkt der Gründung sei sie eigentlich überholt gewesen. "Sie hat kaum Umsätze gemacht und ich hatte in meiner Zeit als Geschäftsführer auch kaum etwas zu tun und bezog daher auch kein Gehalt daraus." Es sei "ein gemeinsam mit Freunden gestartetes Unternehmen, um in der Finanzkrise 2007 Menschen zu helfen, ihren Besitz in sichere Werte wie Gold zu verwandeln", sagte er im vergangenen Herbst dem österreichischen Wirtschaftsblatt.

Überraschung bei der Hütte

"Keine Reserven mehr"

Geld verdient Rabeder - der angeblich über keine Reserven mehr verfügt - nach eigenen Angaben mit seiner Tätigkeit als Coach. Er ist auch unterwegs als Vortragsreisender und Seminarleiter. Gerne weist er dabei auf seine Erfahrungen "als Trainer der Österreichischen Segelflug-Junioren-Nationalmannschaft und als Coach von Top-Managern" hin.

Für einen Vortrag kassiert er, so ist zu hören, schon mal 2000 Euro. Rabeder sagt, dass er "bei einigen" der Vorträge statt eines Honorares eine Spende an Mymicrocredit verlange. Auch zwei Drittel seines Buchhonorares gingen an MMC. Er selbst will von 1000 Euro im Monat leben. Demnach könnte mittlerweile einiges für MMC abgefallen sein. Ob das wirklich so ist, bleibt aber unklar - denn auch für diese Behauptung liefert Rabeder bislang keine Belege.

Vertreten wird der Verein durch ihn selbst. Er war von einer Münchner Steuerkanzlei mitgegründet worden - diese hat allerdings keine Geschäftsbeziehung mehr zu dem Verein, weil "eine andere Kanzlei uns ihre Dienste pro bono anbot", sagt Rabeder, also kostenlos. Mittlerweile hat nach Informationen von Süddeutsche.de diese Kanzlei die Geschäftsbeziehung zu Rabeder ebenfalls aufgelöst.

Fragen tun sich auch noch an ganz anderer Stelle auf. Da ist etwa die Hütte, die Rabeder als sein neues Domizil beschrieb. Er ließ sich dort von Süddeutsche.de filmen und nannte sie ein "richtiges Wohlfühlfleckchen", wenn es draußen stürme und schneie. Sie war auch wohnlich eingerichtet, mit Ofen und Doppelbett, Küche und Badezimmer. In seinem Buch schreibt er: "Ich betrachte es als Geschenk, dass ich heute ein Leben führen darf, dass in einem kleinen Haus in Leonding begann und mich über den Umweg einer Luxusvilla in Tirol und eines 'Chateaus' in Frankreich zurück in eine einfache Hütte geführt hat".

Als eine Redakteurin der Augsburger Allgemeinen gemeinsam mit Rabeder im Herbst 2011 auf die Hütte fuhr, wurde sie allerdings seltsam überrascht: "Rabeder drückte die Türklinke herunter, doch die Tür war verschlossen", sagt Manuela Mayr Süddeutsche.de. "Keiner da", habe Rabeder gesagt. Vor der Tür hätten Schuhe in unterschiedlicher Größe gestanden. Sie habe angenommen, dass er womöglich mit einer Frau dort wohne. Anschließend seien sie beide auf die Terrasse der Hütte gegangen - dort allerdings von dem Bauern des angrenzenden Hofes verscheucht worden. Rabeder habe ihr anschließend erklärt, dass er das Quartier habe räumen müssen, weil es für ein paar Tage Feriengästen vermietet worden sei.

Auf Nachfrage von Süddeutsche.de sagt er: "Die Hütte habe ich im Frühjahr, Sommer und Herbst fast durchgehend bewohnt. Nur während meiner Aufenthalte außerhalb Tirols nicht." Sie sei nicht winterfest, doch das berühre ihn nicht, "einfach weil ich während des Winters fast durchgehend bei Projekten auf der Südhalbkugel bin". In Österreich ist Rabeder auch nicht mehr gemeldet. Das sei gar nicht notwendig, behauptet er, wenn "man keinen festen Wohnsitz hat bzw. in Beherbungsbetrieben untergebracht ist".

"Gewisse Verstimmung"

Rabeder ist also offenkundig viel unterwegs - wie derzeit in Namibia. Schon im Januar hielt er dort ein Seminar "Stille und Erkenntnis", so steht es zumindest auf seiner Webseite. Namibia gilt unter Segelfliegern als Paradies, doch womöglich treibt Rabeder auch nur das Vorhaben Mymicrocredit voran, das offenbar gerade neu sortiert wird. Und zwar so neu, dass soziale Investoren derzeit kein Geld mehr loswerden können.

In den Jahren 2012/2013 werden nach Angaben Rabeders Projekte in El Salvador, Bolivien, Peru und Nambia betreut. Vor allem die Organisationsstruktur soll verändert werden: MMC ist bislang ein eingetragener Verein, Rabeder will daraus nun eine gemeinnützige Gesellschaft in Form einer GmbH oder AG machen, weil so das Wachstum und die Zusammenarbeit mit Partnern leichter wäre. Die Gründung "wird in der zweiten Jahreshälfte 2012" erfolgen, sagt Rabeder Süddeutsche.de. In Deutschland sollen dann die künftigen Partner eine Bank und "eine große gemeinnützige Organisation sein". Namen? Gibt es zunächst nicht. "Die darf ich Ihnen erst nach abgeschlossener Gründung sagen."

Fest steht: Zwischenzeitlich hat es Probleme gegeben. Im Nachrichtenmagazin Stern steht, Rabeder sei dem Kooperationspartner in El Salvador, Apoyo Integral, 46.000 Dollar schuldig geblieben. Rabeder räumt ein, dass die Zusammenarbeit mit Apoyo im Juli 2011 beendet wurde. Seine Begründung: Im Winter 2010/2011 habe MMC viel mehr Kleinkredit-Projekte erhalten, "als unsere sozialen Investoren finanzieren konnten". Apoyo sei "irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass alle Projekte sofort finanziert sein würden, und erwartete die entsprechende Summe von uns".

Bis ihm und den Beteiligten bei Apoyo Integral klar gewesen sei, worin die Missverständnisse lägen, "gab es eine gewisse Verstimmung seitens Apoyo Integral". Die sei allerdings beigelegt worden. In einer Mail vom Herbst 2011 habe die zuständige Apoyo-Integral-Mitarbeiterin, geschrieben, dass die Apoyo bereit sei, die Zusammenarbeit fortzusetzen, "wenn MMC das wünscht". Rabeder will diese Mail als Beleg an Süddeutsche.de weiterleiten, wenn er wieder in Europa ist. Apoyo selbst hat bislang auf eine entsprechende Anfrage noch nicht reagiert.

Alle bisherigen Kredite seien an die entsprechenden sozialen Investoren in Deutschland und Oesterreich zurücküberwiesen, sagt Rabeder: "Wir haben aufgrund der bevorstehenden Gründung der gemeinnützigen Gesellschaft keinem sozialen Investor gestattet, seinen Mikrokredit im Verein zu belassen." Nur "bei ganz wenigen Mikrokrediten sind wir leider noch immer am Recherchieren, da sich Kontodaten und E-Mail-Adressen bei ein paar sozialen Investoren geändert haben und wir keine Fehlüberweisungen produzieren möchten".

In der Jugend habe er Probleme gehabt, sich verständlich zu machen, sagte Karl Rabeder einmal. Er habe andere nicht verstanden, und manche ihn nicht - gut möglich, dass es auch diesmal Verständnisprobleme gibt.

Linktipp: Das NDR-Magazin Zapp berichtet über den Fall Rabeder.

Anmerkung der Redaktion:

Süddeutsche.de hat sich entschlossen, wegen der unklaren Faktenlage frühere Berichte über Karl Rabeder zurückzuziehen, um bis zur Klärung keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

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