Ex-Intel-Chef Andy Grove:Der Mann, der 386er und Pentium erfand

Grov Gates

Andy Grove (rechts) auf einer Aufnahme mit Microsoft-Gründer Bill Gates, 1992

(Foto: AP)

Andy Grove war Intels erster Angestellter. Als Chef machte er aus der Speicherchip-Firma eine Weltmarke für Mikroprozessoren.

Von Helmut Martin-Jung

Die Sache stand Spitz auf Knopf. Die junge, aufstrebende Elektronikfirma aus San José bei San Francisco war an einem strategischen Wendepunkt angelangt. Japanische Unternehmen hatten es geschafft, gleichwertige Speicherchips zu fertigen und boten sie auf dem Weltmarkt billiger an. Beinahe alles, was in Jahren harter Arbeit aufgebaut worden war, drohte verloren zu gehen. Es war einer dieser Momente, in denen der Firmengründer und Ingenieur Andy Grove sich verwandelte. Sich quasi erhob über seine Firma Intel und sie betrachtete wie ein kühler Analyst.

"Wenn wir zwei entlassen würden und ein neuer Chef eingesetzt würde - was würde der tun?", fragte Grove seinen Mitgründer und damaligen CEO Gordon Moore. Der, berichtet Groves Biograf Richard Tedlow, habe ohne zu zögern geantwortet: "Aus dem Geschäft mit Speicherchips aussteigen." Kurz darauf hielt Andy Grove eine Rede zur Zukunft von Intel. Intel, die Firma für Speicherchips, ist tot, sagte er, aber es gebe da ein anderes Produkt, auf das man setzen könne: den Mikroprozessor.

Aus der Sicht von heute, da Intel der größte Hersteller dieser Chips ist, fast jeder die Marke kennt und den charakteristischen Werbe-Jingle, klingt das logisch. Doch die Entscheidung von damals, Anfang der 1980er-Jahre, war alles andere als leicht. Nicht nur musste Intel etwa 8000 Mitarbeiter entlassen, machte erstmals seit der Gründung Verlust. Mikroprozessoren steuerten zu jener Zeit allenfalls Verkehrsampeln oder einfache Maschinen. Grove wettete also die Zukunft der Firma auf eine Technologie, von der niemand wusste, wie sie sich entwickeln würde. An den Personal Computer, der nur wenige Jahre später die Welt erobern sollte, dachte damals keiner.

Aber Angst, sich für den risikoreichen, aber auch vielversprechenden Weg zu entscheiden, gehörte nicht zu Groves Erbanlagen. Grove, der als András Gróf in Budapest als einziger Sohn jüdischer Eltern geboren worden war, überlebte die Nazizeit, weil es seinen Eltern gelang, unerkannt zu bleiben. Als sich der eiserne Vorhang kurz hob, nutzte er 1956 die Gelegenheit zur Flucht vor dem Kommunismus, obwohl er nicht wusste, was ihn im Westen erwarten würde - und obwohl er seine Eltern zurücklassen musste.

Gróf änderte seinen Namen zu Grove und studierte Chemie in New York, seinen Doktor machte er in Berkeley, Kalifornien. Gordon Moore schließlich stellte ihn bei der Firma Fairchild Semiconductor ein, und Grove stieg schnell auf. Als sich die Fairchild-Mitarbeiter Moore und Robert Noyce aufmachten, um Intel zu gründen, ging Grove mit und wurde erster Angestellter des Start-ups.

Eigentlich hatte alles gegen Intels Erfolg gesprochen

"Intels Erfolg", schreibt der Historiker Richard Tedlow, "hätte gar normalerweise nicht passieren dürfen, es war eine Anomalie, ein Ausreißer, etwas Außergewöhnliches." Eigentlich habe alles gegen Intel gesprochen, die Firma hätte scheitern müssen. Doch Grove, der bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben 77 Mal auf dem Cover eines Magazins erschien, war nicht bloß Wissenschaftler, verstand nicht nur etwas von Prozessoren und Chips. Er war vor allem auch ein Unternehmenslenker. Einerseits gefürchtet, weil er auch scheinbar unantastbare Wahrheiten in Zweifel zog und dabei ziemlich unerbittlich war, doch andererseits auch bereit, sich überzeugen zu lassen - auch wenn das nicht allzu vielen Menschen gelungen ist. Oft genug musste er andere überzeugen, zum Beispiel als es darum ging, aus der Rolle des Lieferanten im Hintergrund herauszutreten und offensiv für "Intel inside" zu werben - im Nachhinein betrachtet ein genialer Schachzug.

Dass er nichts als gegeben hinnahm, immer die Argumente und Fakten zählen ließ - das mussten auch Groves Ärzte erfahren, als bei ihm Prostatakrebs diagnostiziert wurde. Obwohl ihm die Mediziner zu einer Operation rieten, blieb er skeptisch, holte selbst an Informationen ein, was er nur kriegen konnte, und kam zum Schluss, dass es eine bessere Alternative gebe. Und er sollte recht behalten.

Auch eine Lichtgestalt wie Grove aber macht Fehler. Als beim Pentium-Prozessor, der unter seiner Regie entstand, ein eigentlich unbedeutender Rechenfehler entdeckt wurde, versuchte er, rational dagegen zu halten. Er erkannte zu spät, dass die öffentliche Meinung solchen Argumenten längst nicht mehr zugänglich war und der Ruf Intels auf dem Spiel stand. Am Ende musste er eine 475 Millionen Dollar teure Rückrufaktion starten.

In seinen letzten Jahren litt Grove an der Parkinson-Krankheit. Er spendete für die Forschung auf diesem Gebiet und für viele andere caritative Zwecke. Am Montag ist Grove im Alter von 79 Jahren gestorben.

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