Ex-General-Electric-Chef Jack Welch im Interview:"Politiker sind bloß neidisch auf Manager"

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20 Jahre führte er erfolgreich General Electric: Ex-GE-Chef Jack Welch über Vorstandsgehälter, die Konkurrenz aus China und den Erfolg von Mischkonzernen.

Stefan Hostettler

20 Jahre lang hat Jack Welch den US-Konzern General Electric erfolgreich geführt, vielen gilt er als Management-Guru. Die Wirtschaft sei durch Globalisierung und Internet schneller und die Jobs härter geworden, meint Welch. Wer die Gehälter von Unternehmenschefs begrenzen wolle, schädige den Wettbewerb, so Welch.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Welch, Sie gelten als einer der erfolgreichsten Manager. Was machten Sie besser als die Konkurrenz?

Welch: Man hat mir aber auch einige weniger vorteilhafte Titel verliehen. Ich kann nur ein paar Dinge aufzählen, von denen ich weiß, dass sie funktionieren. Es geht im Team hauptsächlich darum, offen zu sein und den Menschen die Wahrheit zu sagen. Leistungen und Verhalten müssen beide berücksichtigt werden. So haben wir bei General Electric ein erfolgreiches Team mit Menschen aufgebaut, die sich gegenseitig mochten und gerne zusammenarbeiteten.

SZ: Was heißt das konkret?

Welch: Die Auswahl der Spieler ist in der Wirtschaft nicht anders als im Sport. Ein gutes Team bauen Sie auf, indem Sie sich von den schwächsten Spielern trennen und die besten fördern. Daran muss konstant gearbeitet werden. Das mag jetzt hart klingen. Es ist entscheidend, Menschen mit Respekt, aber auch mit Offenheit zu begegnen.

SZ: Wer die Leistungen nicht bringt, fliegt?

Welch: Sie müssen den Betroffenen erklären, dass es Zeit ist, etwas anderes zu machen. Man soll ihnen dazu Zeit lassen. Es ist aber falsch, einfach zuzuwarten und zu hoffen, dass sich das Problem von selbst löst. Es ist nicht fair, wenn Menschen mitgetragen werden, nur um sie dann mit 50 Jahren auf die Straße zu stellen. Die Leistungsbewertung muss rigoros sein.

SZ: Sie sind bekannt für die Einzeiler, mit denen Sie Ihr unternehmerisches Handeln auf den Punkt bringen: "Fix it, sell it or close it" -"Flicken, verkaufen oder schließen". Ist es so einfach?

Welch: In einem Mischkonzern ist es der richtige Weg, Probleme zu orten und Verlustquellen loszuwerden. Als wir diese Strategie entwickelten, war GE ein typisches Nachkriegsunternehmen. Wie viele andere US-Konzerne schleppten wir Bereiche mit, die zu nichts taugten. Das war damals die verbreitete Unternehmenskultur, weil es keine globale Konkurrenz gab. Seit die Globalisierung eingesetzt hat, ist das nicht mehr möglich. Mit dem Motto konnten wir die Strategie einfach an die 400.000 Mitarbeitenden kommunizieren.

SZ: Und wenn ein Konzern im Kerngeschäft nicht mehr erfolgreich ist?

Welch: Dann muss schnell entschieden werden, ob man das ursprüngliche Geschäft wieder in Schwung bringen kann oder ein neues Tätigkeitsfeld suchen muss. "Würden Sie in dieses Geschäft einsteigen, wenn Sie nicht schon heute drin wären?, lautet die Frage des Management-Gurus Peter Drucker. Jeder Konzernchef muss das immer wieder fragen.

SZ: Sie haben den Mischkonzern General Electric erfolgreich geführt. Doch solche "Gemischtwarenläden" gelten als out. Unternehmen müssten sich vielmehr auf ihre Kernkompetenzen fokussieren. Welch: Die Leute haben immer wieder behauptet, Konglomerate seien aus der Mode. Das ist Nonsens. Natürlich stellt sich die Frage nach dem Sinn eines Mischkonzerns, wenn der nicht integriert geführt wird. Konglomerate, die darauf verzichteten, wurden weggeputzt. Wenn aber die Bereiche gegenseitig vom intellektuellen Kapital und unterschiedlichen Zyklen profitieren können, sieht die Sache ganz anders aus.

SZ: Als Folge der Subprime-Krise enttäuschte auch der Erfolgsgarant General Electric seine Aktionäre mit einer Gewinnwarnung. Waren Sie überrascht?

Welch: Total überrascht.

SZ: Was ist schiefgelaufen?

Welch: Keine Ahnung. Ich habe die Firma vor sieben Jahren verlassen.

SZ: Wenn Sie von außen sehen, was passiert . . . ?

Welch: Das mache ich nicht. Ich habe mein altes Leben hinter mir gelassen.

SZ: Lassen Sie mich anders fragen . . .

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Welch: Vergessen Sie es. Sie können hundert Mal fragen, und ich werde nichts sagen.

SZ: Einverstanden. Auf jeden Fall stecken die USA womöglich in der schwersten Krise seit den dreißiger Jahren. Wer trägt aus die Hauptschuld?

Welch: Alle haben ihren Anteil daran. Wie bei jeder Spekulationsblase. Das war in der Sparkassenkrise, der Asienkrise und der Internetkrise nicht anders. Es gibt immer jene, die sich Geld ausleihen, aber es nicht tun sollten. Die Banken wollen ihre Produkte verkaufen, verzichten darauf, ihre Kunden genügend zu prüfen. Die Notenbanken helfen mit tiefen Zinsen mit. So tragen alle ihren Teil der Verantwortung für die Finanzkrise. Ein immer wiederkehrendes Phänomen.

SZ: Sie sagen, alles wiederhole sich in der Wirtschaftswelt. Aber es hat sich doch auch einiges geändert?

Welch: Die Wirtschaft ist global geworden. Diese Entwicklung hat uns in den frühen Achtzigern härter getroffen, als dass wir davon profitieren konnten. Heute sind mit wettbewerbsfähigen Produkten die Möglichkeiten auf den Weltmärkten enorm. Die Chancen sind da, aber auch die Gefahren. Zudem ist alles durch das Internet enorm viel schneller geworden. Nehmen Sie sich selbst als Beispiel: Ist Ihr Job heute noch derselbe wie vor fünf Jahren?

SZ: Nein.

Welch: Eben. Alle Jobs sind härter geworden, weil alles schneller ist.

SZ: Harte Konkurrenz erleben europäische und amerikanische Konzerne auch aus China. Haben die alten Traditionsunternehmen des Westens überhaupt eine Chance?

Welch: Absolut. Die werden nicht verschwinden, denn Innovation wird weiterhin aus dem Westen kommen. Aber die Wirtschaft braucht Regierungen, die die Steuern tief halten, auf Protektionismus verzichten und eine intelligentere Einwanderungspolitik betreiben.

SZ: Nicht nur das Wirtschaftsleben ist immer schneller geworden. Manager verdienen auch immer mehr, selbst wenn sie die Leistung nicht erbracht haben. Der Ruf nach regulatorischen Eingriffen wird laut.

Welch: Wie sollte jemand regeln, wie viel Geld man verdienen darf? Das ist eine wunderschöne Journalistenfrage! Journalisten sind nur enttäuscht, dass sie nicht auch so viel verdienen. Oder?

SZ: Ich spreche nicht von der Kritik der Medien, sondern jener der Politik.

Welch: Die Politiker wollen natürlich auch mehr verdienen! Aber ernsthaft: Wie soll der Wettbewerb um die besten Führungskräfte funktionieren, wenn die Entschädigungen reguliert werden? Das geht nicht. Aber wieso regt sich eigentlich niemand auf über das Einkommen von David Beckham? Oder von Madonna?

SZ: Einverstanden, die verdienen auch zu viel.

Welch: Gute Konzernchefs schaffen neue Jobs. Wenn sie nicht gut sind, aber dennoch fette Gehälter kassieren, ist das eine Schande. Diese Missbräuche führen zum Problem, das Sie ansprechen. In den USA mussten solch hohe Gehälter häufig dann bezahlt werden, wenn die Nachfolgeregelung versagt hat und fremde Manager für teures Geld angelockt oder vielmehr von anderen Konzernen gestohlen werden mussten. Ein gutes Beispiel dafür ist Carly Fiorina, die HP von Lucent weggeholt hat. Das war übrigens bei Beckham nicht anders, als er zuerst nach Madrid und dann nach Los Angeles wechselte.

SZ: Die Öffentlichkeit hat - zumindest bei Wirtschaftsbossen - kein Verständnis dafür.

Welch: Zwei wichtige Gruppen sind einfach neidisch, nämlich die Medien und die Politiker. So geraten die Manager unter Druck. In den Konzernen versäumen es die Kontrollgremien, Leistung richtig zu entschädigen. Damit gießen sie zusätzliches Öl ins Feuer. Aber das ändert nichts daran, dass nur der freie Markt herausragende Unternehmen schaffen kann.

SZ: Egal wie viel der Manager verdient?

Welch: Ich werde mich hüten, Ihnen eine Grenze zu nennen. Es gibt sie so absolut nicht. Ein Unternehmen muss die Flexibilität haben, für die Entschädigung xMillionen zu zahlen. Das gilt nicht nur für den obersten Chef. Wir haben bei General Electric Tausende zu Millionären gemacht. Ich sage nicht, dass unser System perfekt war. Aber wenn die Unternehmensspitze Geld macht, sollen möglichst viele profitieren. So gewinnt man die besten Leute - und sie bleiben dem Unternehmen treu.

© SZ vom 29.05.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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