Ex-DocMorris-Chef Däinghaus:Apothekerschreck entdeckt die Rentner

Ralf Däinghaus kann Unternehmensgründungen nicht lassen: Nach dem lohnenden Verkauf von DocMorris will er nun wieder Geld verdienen - mit Clubs für einsame Senioren.

Caspar Dohmen

Eigentlich bräuchte er nicht mehr zu arbeiten. Das gibt Ralf Däinghaus unumwunden zu. Lange stand er als Apothekerschreck in der Öffentlichkeit. Als er vor mehr als drei Jahren seine Firma, die Billigapotheke Doc Morris, an den Pharmagroßhändler Celesio verkaufte, war Däinghaus reich - und es wurde still um ihn.

DocMorris eröffnet erste Apotheke in Iralnd

Ralf Däinghaus in seiner Zeit als DocMorris-Chef in einer seiner Apotheken (Archivfoto). Der 43-Jährige ist optimistisch, dass sein neues Unternehmen Kunesto erneut ein großer Erfolg wird.

(Foto: dpa)

Für sein erstes Interview seit längerem hat er nun ein Café in der Friedrichstraße in Düsseldorf ausgesucht, weil in seinem Büro gerade Bewerbungsgespräche stattfinden. Er braucht sie eben doch, die Arbeit.

Wer dem 43-Jährigen eine Weile zuhört, der hat den Eindruck, dass es ganz einfach ist, ein Unternehmen zu gründen. Vor wenigen Monaten hat er es nun zum dritten Mal gewagt: Nach einer Multimediagentur und der Billigapotheke hat er einen Club für Senioren gestartet.

Sein Vater erzählte ihm eines Tages, er könne leider sein Tennisdoppel nicht fortführen, seinem Mitspieler habe der Arzt den Sport verboten. Und irgendeinen neuen Partner, nein, den konnte und wollte er sich nicht vorstellen, man spiele schließlich nicht nur gemeinsam Tennis, sondern sei seit langer Zeit befreundet. "Dass Menschen ihren Gewohnheiten nicht mehr nachgehen können, weil irgend etwas Blödes passiert", so etwas müsse doch vielen älteren Menschen passieren. Jedenfalls habe er darüber seit diesem Tag immer wieder nachgedacht, sagt Däinghaus jetzt und streift sich schnell mit einer Hand die langen roten Haare aus dem Gesicht.

Großes Potential

Das Potential ist in der Tat groß: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist jeder fünfte Deutsche älter als 65 Jahre, und etwa 5,5 Millionen Senioren leben alleine, häufig weil ihr Lebenspartner verstorben ist.

Sie hat Däinghaus als Kunden im Blick, deswegen hat er gemeinsam mit dem ehemaligen Unternehmensberater Thomas Schirmer, 30, einen Club gegründet. Kunesto haben sie ihn getauft, was in der Kunstsprache Esperanto für Gemeinschaft steht. Mitglieder bekommen für einen Clubbeitrag im Schnitt alle zwei Tage eine Veranstaltung angeboten, von dem Theaterbesuch über den Spieleabend und den Zeichenkurs bis hin zu einem Besuch im Parlament. Im Vordergrund steht dabei weniger das Ereignis als das Kennenlernen. "Nicht jeder kann auf andere Menschen zugehen", sagt Däinghaus.

Mancher sei deswegen froh, wenn jemand anderes das für ihn organisiert. "Viele Menschen haben im Alter mehr Zeit als Termine. Wir sorgen einfach für die Termine, wir organisieren die Freizeit", bringt er die Geschäftsidee auf den Punkt.

Alle zwei Tage eine Veranstaltung

Nun haben die beiden Gesellschafter mit einer Handvoll Mitarbeitern losgelegt. Sie kennen die Vorlieben und Hobbys der Clubmitglieder und versuchen, dafür zu sorgen, dass sich Mitglieder mit passenden Profilen bei Veranstaltungen kennenlernen. Bisher gibt es hundert Mitglieder, etwa 70 Prozent sind Frauen. Sie zahlen monatlich 50 Euro und können dafür im Schnitt alle zwei Tage eine Veranstaltung besuchen. Selbst die ersten Unternehmen haben angeklopft, um ihren Mitarbeitern rechtzeitig dabei zu helfen, sich auf den Ruhestand vorzubereiten.

Gestartet ist Däinghaus in Düsseldorf. In die Stadt ist er vor einigen Jahren gezogen, weil seine Frau hier in der Werbebranche arbeitet. Von hier aus hat er es auch nicht weit ins Bergische Land, wo er in Wipperfürth aufgewachsen ist, bevor er Informatik studierte.

Seine Diplomarbeit schrieb er am Stuttgarter Fraunhofer-Institut, wo er anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter für Produktionstechnik und Automatisierung wurde. Danach leitete er einige Zeit das CyberLab bei Burda New Media, bevor er seine erste Firma gründete: eine Multimedia-Agentur. Sie trug den Namen Yellow Planet, und auch sie hat Däinghaus, wie er selbst sagt, erfolgreich verkauft.

Däinghaus und Schirmer, der einige Zeit als Manager bei der Unternehmensberatung Deloitte war, haben sich vor ein paar Jahren in Barcelona kennengelernt: in der Mensa einer Business School. Damals führte Däinghaus noch die Billigapotheke Doc Morris. Um das bis 2003 in Deutschland geltende Verbot des Arzneimittelversandhandels und die Preisbindung auf rezeptfreie Medikamente zu umgehen, hatte er ein paar Jahre zuvor im niederländischen Heerlem eine Internetapotheke gegründet, gemeinsam mit dem Apotheker Jacques Waterval.

Ehrgeizige Ziele

Später gründeten sie dann in Saarbrücken eine Apotheke, um mehr Medikamente zu verkaufen. Eigentlich sollten viele weitere Apotheken folgen, so sah es jedenfalls der Geschäftsplan vor. Zahlreiche deutsche Apotheker sahen das anders, klagten - und die Richter des Europäischen Gerichtshofs gaben ihnen recht. Sie bestätigten die in Deutschland geltende Regelung, nach der nur ausgebildete Apotheker in Deutschland eine Apotheke besitzen und betreiben dürfen. Der Aktiengesellschaft Doc Morris war dies folglich untersagt, sie beschränkte sich auf den Internetversandhandel von Medikamenten; heute arbeiten etwa 300 Mitarbeiter für die Firma.

Nach seinem Ausstieg bei Doc Morris sei er für drei Monate mit seiner Frau und seinen beiden drei- und siebenjährigen Kindern in die USA gereist, erzählt Däinghaus. Und weil es so gut funktioniert habe, sei er wenig später noch einmal drei Monate nach Australien und Neuseeland. "Wenn wir jetzt nicht gereist wären, hätten wir Jahre warten müssen, bis die Kinder größer sind", sagt er - und wirkt dabei, als setze er seine privaten Pläne genauso entschlossen um wie die beruflichen.

Seine Ziele sind ehrgeizig: Von Kunesto soll es bereits Ende nächsten Jahres Filialen in einigen weiteren Städten geben, danach soll es zügig weitergehen. "In zehn Jahren sind wir bundesweit tätig - gegen Kunesto war Doc Morris ein müder erster Versuch", gibt sich der Manager optimistisch.

Kalt lassen den Unternehmer mögliche Nachahmer. Sicher könne man das Geschäft kopieren, aber das sehe von außen einfacher aus, als es ist, zumal das Geschäft, wie er sagt, "substantielle Fehler verbiete", weil die Menschen jeden Monat kündigen könnten. Seine Stärken schildert er selbst: "Ich bin der Richtige, um ein Unternehmen von null auf hundert zu bringen. Von hundert auf tausend - das können andere besser." Und in diesem Moment wirkt er, als ob ihm furchtbar langweilig werden wird, wenn er in ein paar Jahren nicht erneut ein neues Projekt aus der Taufe heben kann.

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