Europäischer Gerichtshof:Deutschland erreicht im Streit über VW-Gesetz Teilerfolg vor Gericht

Hilft der Staat einem höchst erfolgreichen Autobauer? Die Europäische Kommission verklagte Deutschland wegen des VW-Gesetzes, das den Konzern unfair bevorteile. Vor Gericht hat die Kommission aber schlechte Karten.

Deutschland muss nach Ansicht des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof das VW-Gesetz mit seiner Sperrminorität für das Land Niedersachsen nicht ändern. Die Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wegen einer unvollständigen Umsetzung des EuGH-Urteils zum VW-Gesetz von 2007 sei zurückzuweisen, erklärte Generalanwalt Nils Wahl am Mittwoch in Luxemburg.

Er teile die Auffassung der Bundesregierung, dass die von der Kommission monierte Sperrminorität von 20 Prozent nur in Kombination mit einer anderen, schon abgeschafften Regel, ein Verstoß gegen EU-Recht sei. Die Meinung des Generalanwalts ist für das Gericht nicht bindend, die Richter folgen der Empfehlung aber in den meisten Fällen.

Die EU-Kommission hatte Deutschland verklagt, weil die Bundesregierung nach ihrer Ansicht das EuGH-Urteil zum VW-Gesetz vom Oktober 2007 nicht vollständig umgesetzt hat.

Das Gericht hatte damals aus drei Gründen die in der EU geltende Kapitalverkehrsfreiheit verletzt gesehen: Der Bund und Niedersachsen konnten je zwei Vertreter im Aufsichtsrat von Volkswagen stellen, die Stimmrechte der Aktionäre waren auf 20 Prozent begrenzt, und die Sperrminorität liegt bei 20 Prozent statt der im Aktienrecht üblichen 25 Prozent.

Deutschland hatte die ersten beiden Regeln abgeschafft, die Sperrminorität für das Land Niedersachsen aber beibehalten. Die Bundesregierung argumentierte, das Gericht habe nur die Kombination von Höchststimmrecht und Sperrminorität gerügt, nicht aber die Blockademöglichkeit an sich.

Hintergründe zum VW-Gesetz hat die Nachrichtenagentur dpa zusammengestellt:

Seit mehr als 50 Jahren sichert das VW-Gesetz Bund und Land einen Sonderstatus bei dem Autobauer - und sorgt damit immer wieder für Streit. Es trat 1960 in Kraft, als die Volkswagenwerk GmbH zur AG wurde, und räumte Bund und Land Vorrechte ein, um den Autobauer vor einer feindlichen Übernahme zu schützen. Die Wurzeln dieser Extra-Regelung reichen bis zur Nazi-Machtübernahme zurück, da Volkswagen mit enteignetem Gewerkschaftsvermögen entstand. Auf Druck aus Brüssel fielen inzwischen Sonderrechte. Doch immer noch gibt das Gesetz dem Land Niedersachsen mit 20 Prozent VW-Anteil eine starke Stellung. Zentrale Entscheidungen der Hauptversammlung, für die normalerweise drei Viertel der Aktionärsstimmen ausreichen, benötigen bei VW mehr als 80 Prozent Ja-Stimmen. Die Landesregierung hat daher ein Vetorecht - und das ist der EU-Kommission ein Dorn im Auge. Brüssel sieht damit die Freiheit des Kapitalverkehrs in Gefahr.

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