Europäische Zentralbank:Mario Draghi hat sich verrannt

Key Speakers At The Bank Of England Open Forum

EZB-Chef Mario Draghi hat die Finanzwelt unangenehm überrascht.

(Foto: Simon Dawson/Bloomberg)

Der EZB-Chef bläst Geld unters Volk wie nie zuvor - und verballert damit sein ganzes Arsenal.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Er hat es wieder getan. Wieder die Zinsen gesenkt. Wieder mehr Schulden aufgekauft, sodass er nun Geld unters Volk bläst wie nie zuvor. Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), trotzt allen Kritikern. Er gestaltet seine Politik noch expansiver, als es die Börsianer erwartet hatten. Doch Mario Draghi hat sich verrannt. Er verbilligt das Geld, ohne Wachstum zu erzeugen. Stattdessen enteignet er faktisch die Sparer und beraubt sich der Waffen gegen eine echte Krise, wie sie bald über die Welt kommen könnte.

Draghis erster Irrtum ist, dass er Südeuropas Volkswirtschaften mit untauglichen Mitteln beleben will. Er kaufte seit 2015 für kaum fassbare 750 Milliarden Euro Staatspapiere. Das Geld versickert, die Banken vergeben kaum mehr Kredite. Wofür auch? Südeuropa erholt sich erst langsam von Jahren der Misswirtschaft. Es braucht Zeit, damit marktfähige Produkte entstehen statt Bauruinen in Geisterstädten. Geldkanonen richten in diesem Gefecht wenig aus.

Börsianer und Politiker haben sich zu sehr an Billiggeld gewöhnt

Draghis zweiter Irrtum ist, dass er mit aller Macht eine Deflation stoppen will, die nicht existiert. Ja, Deflation, also fallende Preise, stellen eine Gefahr dar. Anfang der 1930er-Jahre, während der Weltwirtschaftskrise, fielen die Preise in Deutschland um 30 Prozent. Niemand kaufte, weil alles morgen billiger sein würde. Das lähmte die Wirtschaft. In der Geschichte blieb es einmalig. Heute fällt der Ölpreis, aber das ist eine Ausnahme. Autos und Staubsauger kosten genauso viel wie zu vor. Manche Preissenkung, etwa niedrigere Löhne in Südeuropa, war sogar wünschenswert, damit die Länder wettbewerbsfähiger werden. Es gibt keine Deflation auf breiter Front, die Draghi bekämpfen müsste.

Seine Politik wird sich also als wertlos erweisen. Gleichzeitig verursacht sie enorme Kosten. Wenn die Preise nur ein wenig steigen, bedeutet der Nullzins: Die Ersparnisse auf der Bank schrumpfen. Und weil die Altersvorsorge über Lebensversicherungen und Pensionskassen auf Zinsanlagen basiert, werden Millionen Menschen im Ruhestand weniger haben. Gleichzeitig verschärft die Nullzinspolitik die Ungleichheit in der Gesellschaft. Immobilienkredite verbilligen sich - doch die meisten Deutschen mieten. Die Aktienkurse steigen - aber nur jeder Zehnte besitzt Aktien.

Selbst für diese Anleger schmeckt der Gewinn schal. Weil Zinsanlagen nichts abwerfen, fließt das Kapital in Aktien und Häuser. So schwillt eine Blase an, die platzen könnte - wie in der Finanzkrise 2008, die Millionen Jobs vernichtete.

Börsianer und Politiker haben sich an das Billiggeld gewöhnt wie an eine Droge, die ihre Probleme lösen soll. Stattdessen dürften wir alle die Nebenwirkungen spüren. Auch ernsthaftere Figuren als Donald Trump empfinden Draghis Politik als gezielte Abwertung des Euro, die den Vereinigten Staaten und Asien schadet. Der EZB-Chef verballert gerade sein Arsenal. Mit welchem Geld stützt er Europa, falls eine neue Weltwirtschaftskrise à la 2008 entsteht? Mario Draghi ist gerade dabei, Europas Zukunft zu ruinieren.

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