Europäische Schuldenkrise:"Griechenland hat in der EU nichts zu suchen"

Bosch-Chef Franz Fehrenbach bricht das Tabu: Erstmals fordert der Vorsitzende eines Großkonzerns den Ausschluss des Schuldenstaats. Griechenland sei ein "Staat mit Phantomrentnern und reichen Nichtsteuerzahlern". Fehrenbachs Wort hat Gewicht: Sogar die Kanzlerin sucht seinen Rat.

Marc Beise

Auf die deutsche Wirtschaft konnte sich die Bundeskanzlerin bisher verlassen. Mochten den Bürgern die immer größeren Rettungsmaßnahmen für Griechenland und den Euro unheimlich werden und der Unmut im Land von EU-Gipfel zu Gipfel lauter werden, die Unternehmer und Manager unterstützen Angela Merkel bei ihrem Versuch, Griechenland zu stabilisieren und die Währungsunion zusammenzuhalten. Grob gesprochen, galt die Faustregel: Je größer ein Unternehmen, je internationaler und exportabhängiger, desto fester auch die Treue zum Euro.

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Die Kanzlerin sucht seinen Rat: Bosch-Chef Franz Fehrenbach.

(Foto: dpa)

Zunächst waren es nur die Familienunternehmer, die widersprachen - und dort eher die mit den kleineren Firmen. Ihr Verband kritisiert beinahe wöchentlich die aktuellen Rettungsmaßnahmen, die "Jungen Unternehmer" fanden sich sogar zusammen, um am Regierungssitz Berlin im Morgengrauen mit Kreide Parolen an Hauswände zu schreiben - abwaschbar, versteht sich.

Ihre Präsidentin Marie-Christine Ostermann, Lebensmittelgroßhändlerin aus dem westfälischen Hamm, war lange Zeit die Einzige, die in Talkshows gegen die Euro-Milliarden stritt. "Ich bin ganz klar für den Euro", sagt Ostermann. "Aber immer größere Rettungsschirme sind nicht der richtige Weg, um die derzeitige Krise zu lösen. Auch der kürzlich beschlossene Fiskalpakt sollte nicht überschätzt werden."

Dann wagte sich als erster Konzernchef Wolfgang Reitzle von Linde aus der Deckung. In einem Interview zu Jahresbeginn brachte er gar einen Euro-Austritt Deutschlands ins Gespräch. Der Euro müsse "nicht um jeden Preis gerettet werden". Der Topmanager, der sich auch gegen die Energiewende der Koalition in Rage reden kann, galt zunächst als Einzelstimme. Damit ist es nun vorbei - dank Franz Fehrenbach, Chef des Traditionsunternehmens Robert Bosch.

Fehrenbach hatte sich noch kürzlich im kleinen Kreis eher zurückhaltend zu dem Reitzle-Vorstoß geäußert und zur Besonnenheit gemahnt. In den vergangenen Wochen aber, so berichten Vertraute, habe es in ihm gearbeitet. Ergebnis: ein Interview, das am Freitag im Manager Magazin erscheinen wird. Frontal fordert er darin den Ausschluss Griechenlands aus dem Euro-Raum und aus der Europäischen Union.

EU soll Griechenland ausschließen

Damit bricht der Chef des größten unabhängigen Automobilzulieferers der Welt ein Tabu. Bisher war im Kreis der Wirtschaftsführer bestenfalls davon die Rede, dass ein Austritt besser für Griechenland wäre, weil es dann mit eigener Währung abwerten könne. Fehrenbach will mehr. Griechenland sei "marode und in einer Solidargemeinschaft eine untragbare Belastung".

Sollte Athen die EU und den Euro nicht freiwillig verlassen wollen, müsse die Gemeinschaft ihre Gesetze ändern und das gegen die Staatspleite kämpfende Land ausschließen. Griechenland habe als "Staat mit Phantomrentnern und reichen Nichtsteuerzahlern" und als "Staat ohne funktionierende Verwaltung" in der EU derzeit nichts zu suchen. Wohl aber solle die EU den Griechen den Ausstieg mit Strukturhilfen erleichtern, erklärte der Bosch-Chef.

Eine Gemeinschaftswährung könne nur mit einer gemeinsamen Steuer-, Haushalts- und Wirtschaftspolitik funktionieren, so der Manager. Dabei sollten wirtschaftlich schwächere Länder zunächst außen vor bleiben. "Wir kommen um ein Europa der zwei Geschwindigkeiten nicht herum." Fehrenbach lässt offen, welche Staaten einer Kern-Gemeinschaft angehören sollten. Klar sei aber, dass Deutschland nicht überfordert werden dürfe.

Fehrenbachs Wort hat Gewicht. Bosch, das im Laufe seiner 125-jährigen Geschichte erst sechs Chefs hatte, ist nicht nur weltweit erfolgreich, sondern auch bodenständig und sozial engagiert - ein Vorzeigeunternehmen. Fehrenbach selbst ist ein stiller Manager. Einer, der die Talkshows scheut. Angela Merkel, die Wirtschaftsvertretern gegenüber häufig reserviert ist, sucht seinen Rat.

Schon einmal hat Fehrenbach öffentlich Furore gemacht. Das war im November 2010, als er beim "Führungstreffen Wirtschaft" der Süddeutschen Zeitung in Berlin gegen die Gier und das fehlende soziale Verantwortungsgefühl mancher Banker wetterte. Dafür gab es ungewöhnlicherweise demonstrativ heftigen Applaus der Unternehmerkollegen.

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