Eurofighter:Eine Frage der Ehre

Airbus gegen Österreich: Der Streit um das Eurofighter-Geschäft wird härter. Jetzt geht es auch um die Menschenrechte, eine Einigung ist so fern wie nie.

Von Caspar Busse

In den Regalen, die bis zur Decke reichen, stehen Bücher und Gesetzesbände, der runde Tisch ist voller Getränkeflaschen. Die Bibliothek der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Bub Gauweiler & Partner ist imposant. Über der Tür trohnt die Figur des heiligen Nikolaus. Mit einem Schmunzeln erzählt Peter Gauweiler, 68, warum: Der Nikolaus erfreue nicht nur im Dezember die Kinder, sondern sei auch Schutzpatron der Anwälte. Der Legende nach hat der Heilige Nikolaus von Myra einst drei Angeklagte vor dem Galgen gerettet, indem er Kaiser Konstantin im Traum erschien und die Beschuldigten verteidigte.

Gauweiler, einer der bekannten und umstrittenen CSU-Politiker und EU-Gegner, ist auch ein erfolgreicher Rechtsanwalt, der sich mit Wirtschaftsprozessen einen Namen gemacht hat. Er erstritt für den verstorbenen Medienunternehmer Leo Kirch viel Geld gegen die Deutsche Bank, er vertritt Mediamarkt-Gründer Erich Kellerhals in dessen Kampf gegen Metro.

Jetzt hat Gauweiler ein nicht minder öffentlichkeitsträchtiges Mandat: Der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus hat ihn in einem ganz speziellen Verfahren beauftragt. Österreich beschuldigt Airbus des Betrugs beim Kauf von Eurofighter-Maschinen. Die Auseinandersetzung läuft schon lange, doch jetzt eskaliert der Streit. Gauweiler, in rechtlichen wie politischen Dingen ebenso erfahren wie wortgewaltig, soll nun Airbus helfen - dabei beschäftigt der deutsch-französische Konzern immerhin 350 eigene Anwälte.

Das Fall ist ziemlich heikel: Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, 47, hatte schon im Februar bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Anzeige gegen zwei Airbus-Unternehmen wegen des Verdachts auf arglistige und betrügerische Täuschung eingereicht. Der SPÖ-Politiker, früher Polizeichef im Burgenland, hatte damals eigens zu einer großen Pressekonferenz in Wien geladen, um die Anzeige öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Doch dabei, so argumentiert jetzt Gauweiler, habe er gewaltig über das Ziel hinausgeschossen. "Wenn man die Mitschrift der Pressekonferenz liest, kann man das erst einmal nicht glauben", sagt Gauweiler heute, sieben Monate danach. Weil Doskozil die Vorwürfe quasi als bereits bewiesene Fakten dargestellt und damit eindeutig Vorverurteilung betrieben habe, sieht Gauweiler einen eklatanten Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Unschuldsvermutung gelte in Europa für alle, sagt Gauweiler. Und: "Ein weltweit agierendes Unternehmen wie Airbus muss sich diese Form rechtswidriger Anprangerung nicht gefallen lassen." Jetzt prüft Airbus eine Gegenklage.

A Eurofighter Typhoon fighter jet from the Spanish Air Force makes a high speed pass during an international aerial and naval military exhibition in Rota

Österreich beschuldigt Airbus des Betrugs beim Kauf von Eurofighter-Maschinen. Der Streit eskaliert.

(Foto: Jon Nazca/REUTERS)

Der Streit ist ein in der Wirtschaftsgeschichte wohl einmaliger Fall. Ein internationaler Konzern mit 67 Milliarden Euro Umsatz und Aufträgen im Wert von knapp einer Billion Euro gegen ein EU-Land mit einem Bruttoinlandsprodukt von 350 Milliarden Euro. Eine außergerichtliche Einigung, wie sie Österreichs Bundeskanzler Christian Kern angeblich bevorzugt, ist nun weiter denn je entfernt. "Das Verhältnis ist erheblich gestört, es gibt derzeit keine Gesprächsbasis", sagt Gauweiler.

Das österreichische Verteidigungsministerium wirft Airbus vor, genauer der Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH und der Airbus Defence and Space (früher EADS), sowohl über den Kaufpreis als auch über die Lieferfähigkeit und Ausstattung der Kampfjets in betrügerischer Absicht getäuscht zu haben. Österreich hätte sich sonst nicht für den Kauf der Eurofighter entschieden, begründete der Minister im Februar die Klage. Die Republik Österreich hatte sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen und verlangt Schadenersatz in Milliardenhöhe. Sowohl der Kauf als auch die damit angeblich verbundenen Gegengeschäfte waren bereits wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen und Scheingeschäften in die Schlagzeilen gekommen. Staatsanwälte in München und Wien sind seit Längerem aktiv. Auch italienische Behörden ermitteln.

Das Problem: Die Republik Österreich, die eine amerikanische Kanzlei engagiert hat, droht zusätzlich damit, gegen Airbus auch in den USA Anzeige zu erstatten. Das könnte für den europäischen Konzern Folgen haben, verkauft Airbus doch in den USA besonders viele Verkehrsmaschinen. Sollte Airbus dort von öffentlichen Aufträge auch nur zeitweise ausgeschlossen werden, wäre das ein Problem. Zudem sitzt dort auch Boeing, der Konkurrent wartet nur darauf, dass sich die Europäer eine Blöße geben. Übrigens zählt auch Konzernchef Tom Enders zu den in der Klageschrift aufgeführten Beschuldigten.

Ein Gutachten eines Professors aus Salzburg stützt die Sicht des Luftfahrt-Konzerns

Airbus weist in einer ausführlichen Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft Wien jetzt alle Anschuldigungen zurück. Die Darstellung der Österreicher sei konstruiert und juristisch substanzlos. "Es handelt sich um den untauglichen Versuch von Verteidigungsminister Doskozil, sich im Wahlkampf zu profilieren", sagt Peter Kleinschmidt, Chefanwalt bei Airbus. Mitte Oktober wird in Österreich gewählt.

Plaintiff Gauweiler attends the ruling on the legality of a European Central Bank emergency bond-buying scheme at the court in Karlsruhe

Peter Gauweiler, 68, trat 1968 der CSU bei, sein Mentor war Franz Josef Strauß. Er war etwa bayerischer Umweltminister und bis 2015 CSU-Bundestagsabgeordneter. Heute ist er Partner der Kanzlei Bub Gauweiler & Partner.

(Foto: REUTERS)

Auf Airbus solle zudem wirtschaftlicher Druck ausgeübt werden. Und: "Dabei wird das Strafverfahren für Zwecke der Politik missbraucht." Zudem seien die Anschuldigungen ohnehin verjährt. Die Flugzeuge wurden 2003 für knapp zwei Milliarden Euro gekauft, die Verhandlungen liefen bereits seit 2001. Kritisiert wird zudem, dass hier die Republik Österreich als "Opfer, Kläger und Richter" auftrete. Gerade dann müsse man die Unschuldsvermutung gelten lassen. Zudem habe die Staatsanwaltschaft Wien Airbus bislang nicht im Einzelnen sagen können, was den beschuldigten Personen konkret zur Last gelegt werde.

Minister Doskozil bleibt im Streit bei seinen Vorwürfen. "Ich lasse mich sicher nicht von diesem Rüstungskonzern einschüchtern", sagte er vergangene Woche dem ORF. Die Vorbereitungen für eine Klage von Österreich gegen Airbus in den USA liefen weiter. Dass die Airbus-Anwälte eine Gegenklage prüfen, zeige laut Doskozil, dass "hohe Nervosität" bestehe. Er betont, er werde "sicher nicht klein beigeben".

Gauweiler hat gleichzeitig ein Gutachten anfertigen lassen, vom bekannten Rechtsprofessor Walter Berka aus Salzburg, das auch der Staatsanwaltschaft Wien zugeleitet wurde. "Angesichts der Wortwahl und des objektiven Sinngehalts der Stellungnahmen", die Doskozil im Februar bei der Pressekonferenz getätigt hat, bestehe kein Zweifel, dass "damit durch Staatsorgane gegen die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Unschuldsvermutung verstoßen wurde", heißt es darin. Es werde ausdrücklich von "Betrug und betrügerischem Handeln" gesprochen sowie der Vorwurf von Schmiergeldzahlungen in den Raum gestellt. Damit seien Airbus und deren Mitarbeiter als "schon überführte und schuldige Straftäter angeprangert" worden. Sollte dabei versucht worden sein, so Berka weiter, Airbus zum Entgegenkommen zu veranlassen, wäre das "besonders schwerwiegend". Die Begründung des Verfassungsrechtlers: "Wenn dem Staat schon jede gegen die Grundsätze der Objektivität, Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit verstoßende Informationstätigkeit verwehrt ist, darf er eine solche Tätigkeit umso weniger zur Ausübung von Druck missbrauchen". Das wäre dann Rechtsmissbrauch.

Harte Worte.

Gauweiler geht jedenfalls in die Offensive und sagt auch: "Ich empfehle meiner Mandantin dringend, Schadenersatz geltend zu machen." Airbus prüft aber noch. Immerhin war Gauweiler auch in dem anfangs scheinbar so aussichtslosen Fall Leo Kirch gegen Deutsche Bank erfolgreich. Vielleicht braucht er dieses Mal aber auch einmal mehr die Hilfe vom Schutzpatron der Anwälte, vom Heiligen Nikolaus von Myra.

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