Euro-Kritiker klagt gegen Griechenland-Hilfen:"Dann hätten die Richter versagt"

Joachim Starbatty gehört zu den Klägern, die den Euro-Rettungsschirm kippen möchten. Mit einem umfassenden Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht am Mittwoch rechnet er nicht mehr - schließlich seien die Richter "keine Helden". Der Finanzpolitik müssten sie aber klare Grenzen setzen, sonst hätten sie vor einer "historischen Aufgabe" versagt.

Frederik Obermaier

sueddeutsche.de: Herr Starbatty, am Mittwoch entscheidet das Bundesverfassungsgericht über Ihre Klage gegen den Euro-Rettungsschirm und die Finanzhilfen für Griechenland. Wie muss das Urteil ausfallen, damit Sie es als Erfolg sehen?

Starbatty will gegen Griechenland Finanzhilfe klagen

Joachim Starbatty: "Die Verfassungsrichter sind nun mal keine Helden."

(Foto: dpa)

Joachim Starbatty: Es ist schon ein Erfolg, dass sich das Bundesverfassungsgericht dieser Sache überhaupt angenommen hat.

sueddeutsche.de: Das klingt schon etwas bescheidener als noch vor einem Jahr. Als Sie die Verfassungsklage einreichten, war Ihr erklärtes Ziel noch ein deutliches Nein der Richter zum Rettungsschirm.

Starbatty: Wenn im Bundesverfassungsgericht Helden sitzen würden, würden sie auch so entscheiden.

sueddeutsche.de: Sollte das Bundesverfassungsgericht den deutschen Beitrag zum Rettungsschirm für nichtig erklären, müssten bereits gezahlte Kredite rückabgewickelt werden, Deutschland fiele als Bürge aus ...

Starbatty: ... ein Ende mit Schrecken. Ich kann mir deshalb auch nicht vorstellen, dass die Richter das machen. Sie sind nun mal keine Helden.

sueddeutsche.de: Als wahrscheinlicher gilt, dass die Verfassungsrichter dem Bundestag mehr Mitbestimmung bei der Euro-Rettung einräumen.

Starbatty: Das allein wäre mir zu wenig. Das Bundesverfassungsgericht sollte sagen: "Bis hierhin und nicht weiter." Es darf keinen finanzpolitischen Automatismus geben. Ein überschuldetes Unternehmen saniert man ja auch nicht dadurch, dass man ihm immer mehr Geld gibt, das der Chef dann an seine Gläubiger weitergibt. Also sollte es bei einem überschuldeten Land nicht anders sein.

sueddeutsche.de: Ein Unternehmen meldet in einem solchen Fall Insolvenz an. Sollen es Staaten wie Griechenland auch so machen? Das wäre gleichbedeutend mit dem Ausscheiden aus der Euro-Gruppe ...

Starbatty: In der Vergangenheit sind immer wieder Länder pleitegegangen. Sie haben sich dann mit den Gläubigern zusammengesetzt und überlegt, wie man das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen kann. Und das ist nur möglich, wenn man die Wettbewerbsfähigkeit wiedergewinnt, die innerhalb der Euro-Zone verlorengegangen ist.

sueddeutsche.de: Schon 1998 haben Sie erfolglos gegen die Einführung des Euro geklagt. Sind Sie ein notorischer Euro-Skeptiker?

Starbatty: Ganz im Gegenteil: ein Mann mit klarem Menschenverstand. Immer wieder sprechen Politiker von der Euro-Zone als einer unkündbaren Schicksalsgemeinschaft. Unkündbare Schicksalsgemeinschaft heißt: wir zahlen, zahlen und zahlen - bis wir nicht mehr zahlen können. Der Euro wäre am Ende.

sueddeutsche.de: Sie könnten mit Ihrer Klage zum Totengräber des Euro werden ...

Starbatty: Nein, Herr Trichet (der Präsident der Europäischen Zentralbank; Anm. d. Red.) und die Politiker sind die Totengräber des Euro - weil sie dauernd unser Geld ausgeben, um einzelne Länder zu retten. Dabei sind die nicht mehr zu retten.

sueddeutsche.de: Wenn es nach Ihnen geht, sollen künftig nur noch sieben Länder, darunter Deutschland, mit dem Euro zahlen. Die Euro-Zone wäre gescheitert.

Starbatty: Gescheitert wäre der politische Illusionismus, nicht die wirtschaftliche Wirklichkeit. Es war von vorneherein klar, dass das nicht gutgehen würde. Auch eine europäische Wirtschaftsregierung kann die Probleme von Ländern wie Griechenland nicht lösen.

sueddeutsche.de: Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht könnte für Sie auch schlecht ausgehen - wenn die Richter die Klage abweisen.

Starbatty: Das wäre nicht schlecht für mich, sondern für den Bürger. Das ist der wichtigste Prozess, den das Bundesverfassungsgericht jemals führen musste. Wenn die Richter jetzt den Kopf in den Sand steckten, dann hätten sie vor einer historischen Aufgabe versagt.

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