Euro-Krisentreffen von Merkel und Sarkozy:Das Tandem arbeitet am großen Wurf

Sie geben die Marschroute vor: Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy stellen ihre Pläne zum Umbau Europas vor. Berichten zufolge wollen die beiden Hilfe aus Übersee holen, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Damit sie Europa zu deutscher Haushaltsdisziplin zwingen kann, ist die Kanzlerin möglicherweise auch bereit, bei bisher unverhandelbaren Punkten nachzugeben - und einen Verhandlungserfolg vom Oktober 2010 wieder zu opfern.

Die Krise bringt ihre eigenen Traditionen hervor. Zu jedem EU-Gipfel gehört mittlerweile auch ein Treffen von Kanzlerin Angela Merkel mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wenige Tage vorher. Vor dem Gipfel in Brüssel Ende der Woche stimmt Europas dominierendes Tandem, von Kritikern "Merkozy" genannt, an diesem Montag seine Strategie in Paris ab. Am Nachmittag wollen die beiden den Plan ihrer Regierungen zum Umbau der Euro-Zone vorstellen. Eine tiefgreifende Reform, die die gesamte Region stabilisieren und endlich die Finanzmärkte beruhigen soll.

Eine echte Fiskalunion soll es werden, mit strengen Haushaltsregeln, in der Brüssel die Budgets von Ländern teilweise kontrollieren soll. Hinter den Kulissen wird um Zugeständnisse gerungen. Kurz vor dem Pariser Treffen machen verschiedene Berichte die Runde, was Merkel und Sarkozy verkünden könnten:

[] Internationaler Währungsfonds: Im Gespräch ist angeblich eine transatlantische Lösung. Die europäischen Regierungen erwägen einem Bericht der Welt zufolge, den Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Kapital auszustatten, um die Krise zu beenden. Nach Informationen der Zeitung aus verhandlungsnahen Kreisen könnten die 17 Zentralbanken der Euro-Zone einen dreistelligen Milliardenbetrag in einen Spezialfonds einzahlen. Aus diesem sollen dann Programme für Krisenländer finanziert werden. Die Einbindung des IWF solle die Märkte beruhigen.

Vorbild für diese Art der Finanzierung sollen zwei Ölfonds sein, die der IWF Anfang der siebziger Jahre für jene Länder schuf, die besonders vom Ölpreisschock betroffen waren. Derzeit verfügt der IWF über etwa 290 Milliarden Euro, was keinesfalls reichen würde, um hochverschuldete Länder wie Italien oder Spanien zu finanzieren.

Europas Notenbanker holen sich auch Hilfe aus Übersee: Auch die amerikanische Notenbank, die Federal Reserve, sei offenbar dazu bereit, Geld für den neuen Fonds locker zu machen, berichtet die Zeitung. US-Finanzminister Timothy Geithner wird in dieser Woche nach Europa kommen, um sich mit führenden Politikern und Notenbankern zu treffen.

[] Beteiligung privater Gläubiger: Merkel will die strenge Überwachung der Haushalte durchsetzen. Dafür könnte sie sich sogar darauf einlassen, private Gläubiger weniger stark am künftigen permanenten Euro-Rettungsschirm ESM zu beteiligen. Deutschland sei im Tausch gegen deutlich schärfere Haushaltsregeln dazu bereit, die Formulierung zur Beteiligung von Banken und Versicherern an möglichen Anleihe-Ausfällen abzuschwächen, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Insider. Die meisten europäischen Regierungen wollen privaten Gläubigern zu garantieren, dass sie nicht zu Schuldenschnitten gedrängt werden. Sie fürchten, dass Investoren dann noch zögerlicher ihre Staatsanleihen kaufen und sie so noch schwerer an dringend benötigtes Geld kommen würden.

Sollte Merkel tatsächlich auf die private Gläubigerbeteiligung verzichten, um ihre Budgetkontrollen durchzusetzen, wäre das die Umkehrung ihrer Einigung mit Sarkozy von 2010: Damals, beim Treffen in Deauville, hatte sie Frankreichs Präsident überzeugt, Banken und Versicherungen an Hilfspaketen für Staaten in der Krise zu beteiligen. Diesen Erfolg würde sie nun wieder opfern.

[] Euro-Bonds: Auch eine weitere, bislang eigentlich unverhandelbare Position könnte die Bundesregierung aufgeben, um ihre Umbaupläne durchzusetzen: den Widerstand gegen gemeinsame europäische Staatsanleihen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte Euro-Bonds am Wochenende nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen, falls sich alle Euro-Partner zu Reformen mit automatischen Strafen für Haushaltssünder durchringen. Auch der CDU-Politiker und EU-Kommissar Günther Oettinger stellte sich gegen die Parteilinie. Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg wollte die Einführung von Euro-Bonds nicht mehr ausschließen. Kritiker von Euro-Bonds argumentieren, bei gemeinsamen Staatspapieren würde Deutschland mit seiner makellosen Kreditwürdigkeit für schwächere Staaten bürgen und so die Euro-Zone endgültig in eine Transferunion verwandeln.

Weil er die Front gegen Euro-Bonds zerfallen sieht, gab CSU-Chef Horst Seehofer der Kanzlerin noch ein Kompliment mit auf den Weg nach Paris, das man auch als Warnung interpretieren kann: "Angela Merkel fährt mit den richtigen Konzepten zum EU-Gipfel: keine Euro-Bonds, keine Transferunion, Erhalt der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB)", sagte der bayerische Ministerpräsident der Süddeutschen Zeitung. "Das ist der deutsche Stabilitätsweg, der Europa vor dem Abgrund einer Schuldenunion bewahren kann." Sollte die Kanzlerin vor den anderen Regierungen einknicken und Euro-Bonds oder eine stärkere Rolle der EZB zulassen, könnte er einen Sonderparteitag der CSU einberufen, kündigte Seehofer an.

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