Euro-Krise:Portugal will Lockerung der Sparauflagen

Cleaners sweep the street in front of a closed restaurant in Alges

Vor verschlossenen Fenstern: Eine Putzkolonne reinigt eine Straße vor einem aufgegebenen Restaurant in Algés bei Lissabon

(Foto: REUTERS)

Portugal hat gespart, was das Zeug hält. Doch nun ist das Land an der Grenze dessen angelangt, was es seinen Bürgern zumuten kann. Die Regierung in Lissabon wird ihre EU-Geldgeber deswegen um mehr Spielraum bitten. Dabei hatte die Troika dem Land stets Fortschritte bescheinigt.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Portugal hat große Schwierigkeiten, die dramatische Krise wie geplant zu bewältigen. Wie am Donnerstag übereinstimmend aus der Europäischen Kommission und der Euro-Gruppe verlautete, will die Regierung in Lissabon ihre internationalen Kreditgeber darum bitten, die Spar- und Reformziele flexibler zu gestalten, um damit mehr Spielraum zu erhalten. Man erwarte zeitnah eine entsprechende Anfrage aus Lissabon, hieß es in der Europäischen Kommission. Diese werde "wohlwollend" geprüft.

Die Begründung: Das Land sei schlicht am Ende dessen angelangt, was es seinen Bürgern zumuten könne. Ob Portugal trotzdem wie vorgesehen im Mai kommenden Jahres wieder ohne finanzielle Hilfe der internationalen Kreditgeber wirtschaften kann oder die Euro-Länder ein weiteres Milliardenpaket schnüren müssen, blieb am Donnerstag offen.

Portugal hatte im April 2011 um finanzielle Unterstützung gebeten und einen Monat später gegen die Zusage harter Spar- und Reformmaßnahmen insgesamt 78 Milliarden Euro über drei Jahre an Finanzhilfen zugesagt bekommen. Bisher hatten die internationalen Kreditgeber von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds dem Land stets Fortschritte bescheinigt.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte wiederholt betont, er gehe davon aus, dass Portugal nach dem Auslaufen der Hilfen im Mai 2014 wieder allein haushalten könne. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hatte dagegen im Juli nach politischen Turbulenzen in Lissabon angedeutet, dass das Land möglicherweise mehr Geld und Zeit benötigen werde, um wieder auf die Beine zu kommen.

Große Schattenwirtschaft

Konkret will die portugiesische Regierung im kommenden Jahr mehr neue Schulden machen als bisher erlaubt. Lissabon befürchtet andernfalls, den sanften wirtschaftlichen Aufschwung durch weitere Sparmaßnahmen zu gefährden. Dramatisch zugenommen hat der Anteil der Schattenarbeit. Statistisch gesehen, wurde 2012 jeder vierte Auftrag schwarz abgewickelt. Das Volumen der Schattenwirtschaft wird in Portugal für das vergangene Jahr auf mehr als 44 Milliarden Euro beziffert.

Statt wie vorgesehen vier Prozent, bezogen auf die Wirtschaftsleistung, soll die Neuverschuldung im kommenden Jahr nun 4,5 Prozent betragen dürfen. Das klingt zunächst nach nicht viel. Aber bezogen auf den Schuldenberg des Landes, der sich in fünf Jahren mehr als verdoppelt hat, ist selbst ein halber Prozentpunkt sehr viel. Portugals Schulden summieren sich auf einen Betrag, der 123 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. Finanzinvestoren spekulieren angesichts dieser Last schon länger darauf, dass Portugal seine Schulden nicht mehr allein tragen kann und deshalb ähnlich wie Griechenland einen Teil der Verbindlichkeiten der privaten Gläubiger erlassen bekommen muss. Brüsseler Euro-Politiker weisen Vermutungen über einen Schuldenschnitt allerdings strikt zurück. "Das wird es nicht geben", sagte ein Beamter der Süddeutschen Zeitung.

In der Troika werden die portugiesischen Überlegungen durchaus unterstützt. Lissabon habe bereits zweimal flexiblere Fristen für seine Spar- und Reformziele bekommen. Dies sei nützlich gewesen, sagte Reza Moghadan, IWF-Direktor für Europa, am Mittwoch in Washington. Er gehe davon aus, dass es nötig werden könne, "noch einmal zu verlängern". Etwa, wenn die Regierung den neuen Spielraum im Haushalt nutze, um die sozialen Auswirkungen von Reformen abzufedern oder Banken zu kapitalisieren. Er bestätigte, dass die portugiesische Regierung den Troika-Experten bereits angedeutet habe, über weichere Auflagen reden zu wollen. Die Mission der Troika im Land dauert noch an. In der Europäischen Kommission hieß es, ein konkretes Datum der Rückkehr der Inspektoren stehe noch nicht fest.

Hoffnung auf neue Regierung in Deutschland

Ähnlich unklar ist auch, wann die Inspektoren der Troika nach Griechenland zurückkehren werden. Am Donnerstag hieß es dazu, das werde "noch viele Wochen" dauern. Die Troika ist seit zwei Wochen in Athen, um zu prüfen, ob die Kredit-Tranche für das vierte Quartal ausgezahlt werden kann. Dafür muss die Regierung des konservativen Premiers Antonis Samaras genau festgelegte Auflagen erfüllen. Im Moment deutet vieles daraufhin, dass sich die Auszahlung verzögern wird. "Es läuft nicht wie geplant", hieß es in Brüssel. Der Aufbau der Steuerverwaltung komme nicht voran, die Privatisierung mache kaum Fortschritte. Zudem sei eine "gewisse Reformmüdigkeit" zu spüren.

Einige griechische Politiker hofften zudem auf eine neue Bundesregierung mit der SPD. Die Sozialdemokraten hätten einen sozialeren Kurs versprochen als die bisherige schwarz-gelbe Regierung, hieß es in Kreisen der Euro-Länder. Einige Politiker hofften jetzt darauf, einen weiteren Teil ihrer Schulden erlassen zu bekommen, was die Wirtschaft ankurbeln und damit weitere Reformen wenigstens in Teilen überflüssig machen könnte. In Brüssel wollte sich keiner der Verantwortlichen dazu äußern.

Bestätigt ist dagegen, dass Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem am kommenden Montag nach Slowenien reisen wird. Das kleine Land hat schon seit längerem mit chronisch klammen Banken zu kämpfen, auch über ein Rettungspaket für die Institute wird diskutiert, bisher wird dieses jedoch von der Regierung in Ljubljana abgelehnt. Dijsselbloems Sprecherin teilte auf Anfrage mit, der Besuch am kommenden Montag diene ausschließlich dem persönlichen Kennenlernen. Der seit Januar 2013 amtierende Euro-Gruppen-Chef wolle jedes Land persönlich besuchen. Das Hilfspaket für Banken werde am Montag in Slowenien nicht geschnürt.

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