Euro-Krise:IWF-Chefin warnt vor Überschuldung

Die Industriestaaten leben so sehr auf Pump wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr: Der Schuldenstand liegt bei 110 Prozent der Wirtschaftsleistung. IWF-Chefin Lagarde sieht darin die größte Gefahr für die Weltwirtschaft.

In Tokio, wo derzeit die Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds IWF und Weltbank stattfindet, wackelten am Freitag die Gebäude. Das lag allerdings nicht an den Erschütterungen im internationalen Finanzsystem: Im Osten Japans hatte sich stattdessen ein Erdbeben der Stärke 5 ereignet, das auch in der Hauptstadt noch zu spüren war.

Dennoch passt es ins Bild: Selten waren sich die wichtigsten Akteure der internationalen Finanzpolitik derart uneins wie dieser Tage. Spitzenpolitiker, Notenbanker und internationale Organisationen streiten über die richtige Strategie in der europäischen Schuldenkrise.

IWF-Chefin Christine Lagarde weist in ihrer Rede vor den Vertretern der 188 IWF-Mitgliedsstaaten auf die Gefahr hin, die von der enormen Schuldenlast ausgeht: Die öffentlichen Schulden der reichen Länder beliefen sich im Schnitt auf 110 Prozent der Wirtschaftsleistung, sagte die Französin. Das sei der höchste Stand seit dem Zweiten Weltkrieg.

Die immense Verschuldung sei die größte Gefahr für die Weltwirtschaft, warnte Lagarde. Es sei wichtig, "den richtigen Rhythmus" für den Abbau der Schulden zu finden. "Das ist ein schmaler Weg, wahrscheinlich ein langer Weg, für den es keine Abkürzung gibt."

Lagarde und Schäuble uneins bei Griechenland-Strategie

Die IWF-Chefin hatte zuvor gefordert, Griechenland zwei Jahre mehr Zeit zu geben, um die Sparziele zu erreichen. Das trifft in Deutschland auf klare Ablehnung. "Wir sollten nicht darüber spekulieren", sagt Finanzminister Wolfgang Schäuble. Erst einmal solle der Bericht der Troika abgewartet werden, ehe man eine Entscheidung treffe.

Es gebe aber "keine Alternative" zur Reduzierung der Staatsschulden in der Euro-Zone, betonte der deutsche Finanzminister. Mit einer gemeinsamen Währung sei der Druck auf die Wettbewerbsfähigkeit für alle Länder sehr hoch. Dies sei aber kein Grund, den Schuldenabbau zu stoppen - im Gegenteil: Arbeitslosigkeit sei "eine Folge unsolider Haushaltspolitik", so Schäuble.

Schäuble äußert sich außerdem kritisch zur Herabstufung Spaniens durch die Ratingagentur Standard & Poor's. Standard & Poor's hatte die Senkung die Bonitätsnote der viertgrößten Volkswirtschaft in der Euro-Zone von "BBB+" auf "BBB-" gesenkt. Die Entscheidung basiere auf einem Missverständnis, das durch "die Schaffung unrealistischer oder unzutreffender Erwartungen" auf den Finanzmärkten geschürt worden sei.

Weidmann warnt vor zu hohen Erwartungen an die Zentralbanken

Auch Bundesbankchef Jens Weidmann spricht auf der Versammlung. Er warnt eindringlich davor, bei der Lösung der Schulden- und Konjunkturkrise verstärkt die Notenbanken einzuspannen. "Was mir etwas Sorgen bereitet, ist, dass sich die Hoffnungen und Erwartungen der Politik mehr und mehr auf die Zentralbanken als Problemlöser richten", so Weidmann.

Der Chef der Bundesbank hatte die Pläne der Europäischen Zentralbank (EZB), Staatsanleihen verschuldeter Euro-Staaten kaufen zu wollen, mehrfach kritisiert. Weil er gerade zu Gast in Tokio ist, verwies er darauf, dass das schon in Japan nicht funktioniert habe. "Die Geldpolitik stellt kein Allheilmittel dar und ist keine Wunderwaffe." Unter Dehnung ihres Mandats könne eine Notenbank Finanzmittel bereitstellen, gerate dabei aber auch ins Schlepptau der Fiskalpolitik. "Letztlich können die Ursachen der Krise nur durch die Regierungen auch beseitigt werden", mahnt er.

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