Euro-Krise:Banken in Griechenland bleiben vorerst zu

Greek Crisis As Referendum Called

Schon am Samstag waren viele Geldautomaten leer, hier vor einer Filiale der National Bank of Greece in Thessaloniki. Auf dem handgeschriebenen Zettel steht: "Schluss".

(Foto: Bloomberg)
  • Die griechischen Banken werden am Montag geschlossen bleiben. Laut Finanzkreisen wird auch die Börse in Athen nicht öffnen.
  • Regierungschef Tsipras zufolge wird die griechische Notenbank Kapitalkontrollen einführen.
  • Die Europäische Zentralbank erlaubt weiterhin, die griechischen Banken mit Notkrediten zu versorgen. Diese Erlaubnis gilt bis Mittwoch, dann berät der EZB-Rat erneut.

Angesichts seiner dramatischen Haushaltslage verhängt Griechenland Kapitalverkehrskontrollen. Das verkündete Ministerpräsident Alexis Tsipras am Sonntagabend in Athen. Die griechischen Banken bleiben vorerst geschlossen. Gleichzeitig beteuerte der Regierungschef, die Ersparnisse, Löhne und Renten der Bürger seien "garantiert". Er rief die Bevölkerung auf, "ruhig Blut zu bewahren". Tsipras appellierte erneut an die Geldgeber, das am Dienstag auslaufende Programm für sein Land zu verlängern.

Mit Kapitalkontrollen soll üblicherweise verhindert werden, dass Geld in großen Mengen aus einem Land abfließt. Griechenlands Banken haben kaum noch Kapital - heben die Bürger zu viel Geld ab, könnten sie in die Pleite rutschen. Zuvor war Finanzminister Yanis Varoufakis am Sonntagnachmittag mit dem griechischen Zentralbankchef zu einer Krisensitzung des Rats für Finanzmarktstabilität zusammengetroffen. Die Euro-Gruppe hatte eine Verlängerung des Programms für Griechenland abgelehnt, das das Land mit Notkrediten versorgt.

Der griechischen Tageszeitung Kathemerini zufolge sollen die Banken frühestens am 6. Juli, also einen Tag nach der Volksabstimmung, wieder geöffnet werden. Varoufakis sagte, eine Entscheidung werde nach einer Kabinettssitzung verkündet. Den Finanzmärkten steht nach dem Abbruch der Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Geldgebern eine dramatische Handelswoche bevor.

EZB friert Notkredite für Banken ein

Die Europäische Zentralbank (EZB) beschloss am Sonntag, die Notkredite für griechische Banken auf dem aktuellen Stand von 88,6 Milliarden Euro einzufrieren. Damit bleiben die Finanzinstitute des Landes vorerst am Leben - solange die Kunden nicht zu viel von ihren Konten abheben. Die Erlaubnis der EZB gilt bis Mittwoch. Ob die griechische Zentralbank die heimischen Finanzinstitute dann weiterhin mit Notfallgeld am Leben halten darf, soll am Mittwoch wieder im EZB-Rat besprochen werden. Mehr zur sogenannten Emergency Liquidity Assistance hier.

Einige Bankfilialen in Athen wurden am Sonntagabend schon von der Polizei bewacht. Andere hatten die Stahlrollos vor ihren Automaten runtergelassen. Wo es noch erreichbare Geldautomaten gab, bildeten sich im Stadtzentrum lange Schlangen von teils mehr als 50 Menschen. Auch vor dem Eingang des Parlaments wurde die Polizei verstärkt. Seit der Ankündigung des Referendums durch Tsipras in der Nacht zum Samstag standen vielerorts die Menschen Schlange vor den Geldmaschinen. Die Zentralbank hatte versprochen, sie immer wieder aufzufüllen. Dies klappte offenbar nicht überall.

Auswärtiges Amt empfiehlt Touristen, ausreichend Bargeld mitzunehmen

Wegen eines möglichen Ansturms auf die Banken rät das Auswärtige Amt deutschen Reisenden, genügend Bargeld mitzunehmen. "In Griechenland kann es bei der Bargeldversorgung zu erheblichen Wartezeiten kommen, auch zu Engpässen beispielsweise bei der Ausstattung der Automaten mit Bargeld", teilt das Amt mit.

Fraktionschefs werden informiert

Die Bundesregierung will die Parteien und Fraktionsvorstände am Montag über die aktuellen Entwicklungen unterrichten. Im Gespräch ist eine Bundestagsdebatte am Mittwoch. Diese Planung hängt aber davon ab, ob sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf einen weiteren Sondergipfel in dieser Woche verständigen.

Ein Tweet aus dem Nichts

Griechisches Referendum am 5. Juli

Das griechische Parlament hatte in der Nacht zum Sonntag ein Referendum zu den Reformvorschlägen beschlossen. 178 Abgeordnete sprachen sich dafür, 120 dagegen aus. Oppositionsführer Antonis Samaras kritisierte Tsipras als verantwortungslos und sprach von einem "Staatsstreich". Er rief zu Demonstrationen gegen die Regierung auf. Man könne nicht zulassen, Griechenland zu "Sambia oder Venezuela" werden zu lassen.

Ein Tweet aus dem Nichts

Es war nur ein Detail dieses Wochenendes. Aber es zeigte, wie chaotisch die Lage ist. Als die griechischen und europäischen Verhandler am Freitagabend kurz vor Mitternacht im Charlemagne-Gebäude in Brüssel zusammensaßen, erfuhren sie nur zufällig davon, dass Tsipras das Volk abstimmen lassen will. Sie sahen eine entsprechende Nachricht auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter. Das bestätigt ein EU-Diplomat. Die Gespräche, die eigentlich einen Kompromiss für das Treffen der Finanzminister am Samstag vorbereiten sollten, wurden daraufhin abgebrochen. Mehr zum Treffen der Euro-Gruppe am Samstag in dieser Analyse.

Griechen sind Umfragen zufolge für Deal mit Geldgebern

Bevor Tsipras bekannt gab, das Volk entscheiden zu lassen, spürten zwei Umfragen der Stimmung unter den Wählern nach. 47 Prozent sprachen sich der Wochenzeitung To Vima zufolge für einen Deal mit den Gläubigern aus. 33 Prozent waren dagegen, der Rest unentschieden. Einer zweiten Umfrage zufolge sind 57 Prozent aller Griechen für einen Deal, 29 Prozent dagegen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, die Befragung wurde durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Alco. Die Euro-Finanzminister zogen ihr Angebot an Griechenland mittlerweile zurück.

Kreditprogramm endet

Die Finanzminister der Euro-Staaten entschieden am Samstag bei einem Krisentreffen, das Programm für Griechenland nicht über Ende Juni hinaus zu verlängern. Es versorgt die Regierung mit Notkrediten. Als Grund nannte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem die Ablehnung der Gläubiger-Vorschläge durch die griechische Regierung und das von Athen geplante Referendum über die Vorschläge. Dijsselbloem kritisierte es als "unfair", dass Athen das Referendum angesetzt und den Wählern empfohlen habe, die Reformvorschläge abzulehnen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: