Euro-Krise:Duell der Notenbanker

Jens Weidmann gilt als traditionsbewusster Bedenkenträger, Mario Draghi als Finanzjongleur - doch der Bundesbankchef und der Präsident der Europäischen Zentralbank nähern sich einander an. Der wahre Test kommt aber erst noch.

Alexander Hagelüken und Markus Zydra

Jens Weidmann will unbedingt als Bundesbankchef in Erinnerung bleiben, der die Tradition bewahrt: Jenes immense Vertrauen der Deutschen, dass die Bundesbank sich Politikern verweigert und ihr Geld vor Inflation schützt. Doch selten waren die Währungshüter solchem Druck ausgesetzt wie jetzt in der Euro-Krise, gegen die Politiker verzweifelt Abhilfe suchen.

Jens Weidmann President Of Deutsche Bundesbank

Betont gern die Risiken für deutsche Steuerzahler: Bundesbankchef Jens Weidmann

(Foto: Bloomberg)

Immer wieder mahnt Weidmann die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) an und betont die Risiken ihrer Hilfsmaßnahmen wie der Eine-Billion-Euro-Spritze für Europas Geldhäuser - etwa für die deutschen Steuerzahler.

EZB-Chef Mario Draghi aber ließ Weidmanns Kritik abprallen. Ungerührt jonglierte er mit gigantischen Summen und aufgeweichten Sicherheiten, die ihn zum König der Finanzblasen krönen könnten. So rutschte der Deutsche in der Zentralbank in die Minderheitenrolle. Weidmann stand vor der Wahl, ob er schweigen und mitmachen oder protestieren und trotzdem nichts ändern sollte.

Seit ein paar Tagen darf der 43-Jährige auf Tauwetter hoffen. Erleichtert beobachten Bundesbanker, dass Draghi Angst vor der eigenen Courage bekommt - "er merkt, dass er mit der Geldspritze verdammt viel gemacht hat", sagt einer. Den Ausstieg aus den Hilfsmaßnahmen thematisierte bisher nur Weidmann. Nun aber meldete sich Draghis Weggefährte Benoit Coeure - und nannte einen rechtzeitigen Ausstieg "essentiell". Fast wie ein Bauchredner des Bundesbankers warnte der Franzose vor der Gefahr, dass sich Banken und Staaten an das billige Geld gewöhnen und dass es exzessive Risikogeschäfte auslösen könnte.

Draghis merkwürdiger Hang zu deutschen Militaria

Draghi wiederum ließ sich mit einer preußischen Pickelhaube von 1871 ablichten. Das Foto erschien in Bild neben der Schlagzeile "Deutschland ist ein Vorbild". Das ist schon Draghis zweite Anleihe bei Weidmanns Heimat, nachdem Draghi zuvor seinen Billionenkredit nach Krupps Weltkriegs-Geschütz "Dicke Bertha" getauft hatte. Hinter "Draghis merkwürdiger Neigung zu deutschen Militaria" ortet ein Bundesbanker eine Bereitschaft des Italieners, seinen Kurs zu korrigieren - und wie Weidmann stärker die Risiken zu beachten.

Zusammenführen könnte die beiden Notenbanker die Analyse, dass Politiker ihre Hilfsbereitschaft ausnutzen. Seit die EZB-Geldflut die Anleihenzinsen angeschlagener Euro-Staaten reduzierte, regt sich Widerstand gegen beschwerliche Reformen. Italiens Premier Mario Monti stößt mit seinem Arbeitsmarktplan auf Widerstand, im französischen Wahlkampf dominieren Versprechen, Spanien will sein Defizit weniger stark absenken. "Die Politiker sind entspannter, als sie sein sollten", sagt Weidmann.

Zu seiner Freude stemmte sich Draghi gerade dagegen, dass der irische Staat eine Rate von drei Milliarden Euro für Altlasten verstaatlichter Banken verweigerte und den Einsatz der EZB forderte. Für die Notenbanker ist ihr Einspringen Staatsfinanzierung, die ein gefährliches Vorbild für andere angeschlagene Euro-Länder schaffen könnte. Ende vergangener Woche verloren Draghi und Weidmann ihren Kampf gegen den irischen Sündenfall allerdings - die EZB muss eine Dubliner Staatsanleihe als Pfand nehmen und dafür einen Milliardenkredit geben, was sie vermeiden wollte.

Niederlagen könnten die Annäherung fördern

Solche Niederlagen könnten aber die Annäherung fördern: Weil beide Notenbanker sehen, wie die Politik sie austrickst. Angesichts solch gemeinsamer Interessen tritt in den Hintergrund, dass Draghis Lager zwar ebenfalls eine Annäherung an Weidmann sieht, aber dafür andere Begründungen hat als eigene Einsicht in die Monströsität der Geldspritze. In der EZB glaubt mancher, die Bundesbank trete gerade friedlicher auf, da sie anhand neuer Daten endlich kapiert habe, wie nötig die Geldspritze war: Weil die Banken vielen Firmen immer noch zaghaft Kredite geben.

Arbeiten Weidmann und Draghi künftig mehr zusammen, bekommt der Sicherheitskurs des Bundesbank-Chefs gegen die EZB-Risiken mehr Gewicht? Das wird sich daran zeigen, ob die EZB tatsächlich langsam aus der Bank- und Staatsfinanzierung aussteigt. Sie kauft inzwischen kaum noch Anleihen maroder Länder.

Erster richtiger Testpunkt könnte werden, ob die Zentralbank ein riskantes Instrument stoppt: In den vergangenen Monaten gaben angeschlagene Geschäftsbanken eigene Anleihen aus, ließen sich die von ihren Regierungen garantieren und besorgten sich gegen dieses Pfand Geld beim EZB-System. Falls die EZB dieses Programm tatsächlich Mitte des Jahres stoppt, wofür es Signale gibt, hätte Jens Weidmann einen ersten Sieg errungen. Doch bei der Zentralbank legt sich niemand auf solche Ausstiegssignale fest. Womöglich fühlt sich der deutsche Bundesbanker bald wieder als einsamer Mahner.

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