Griechenland:Finanzminister stemmen sich gegen neues Grexit-Drama

Griechenland: Griechische Hafenarbeiter protestieren in Athen gegen die Privatisierung ihres Arbeitsplatzes.

Griechische Hafenarbeiter protestieren in Athen gegen die Privatisierung ihres Arbeitsplatzes.

(Foto: Louisa Gouliamaki/AFP)
  • Wie kann Europa wieder zu mehr Wachstum kommen? Darüber sprechen die Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel.
  • Thema wird auch sein, inwieweit das kriselnde Griechenland angesichts Tausender Flüchtlinge im Land entlastet werden könnte.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Im Schatten des EU-Gipfels gibt es noch ein anderes Treffen: Am Montag reisen auch die Euro-Finanzminister nach Brüssel. Es kommt nicht oft vor, dass die Staats- und Regierungschefs und ihre Minister zur gleichen Zeit in Europas Hauptstadt sind. Zuletzt war das im Sommer der Fall. Damals ging es um Griechenland und die Frage, ob erstmals in der Geschichte der Währungsunion ein Land den Euro verliert. Diesmal haben beide Treffen offiziell nichts miteinander zu tun; doch es gibt ein Problem, das alle betrifft: Griechenland.

Die Regierung in Athen hat nicht nur den anhaltenden Flüchtlingsstrom zu bewältigen, sie muss auch die Finanzkrise des Landes bekämpfen. Griechenland muss weiter Reformen umsetzen, so ist es mit den Euro-Partnern vereinbart. Doch ist Athen angesichts der Flüchtlingskrise dazu überhaupt in der Lage? Die Antwort fällt so manchen EU-Diplomaten nicht gerade leicht, aber immerhin ist sie deutlich: Nein, Griechenland ist überfordert.

Die Minister wollen verhindern, dass sich das Grexit-Drama vom Sommer wiederholt

Kein Wunder, dass die Finanzminister nun vor allem eines verhindern wollen: eine erneute Aufführung des Grexit-Dramas vom Sommer. Noch herrscht an den Finanzmärkten Ruhe, doch das kann sich rasch ändern. Der Euro steht dieses Jahr vor einer neuen Bewährungsprobe. Und das liegt nicht nur an Griechenland.

Im Fall von Athen haben sich seit dem Sommer einige Rollen verändert. Im Juli war Griechenland vor allem auf Deutschland angewiesen. Nun, im Winter, zählt die Regierung in Berlin bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise (neben der Türkei) besonders auf Griechenland. Athen sieht sich in der EU als engster Verbündeter von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und so überrascht es nicht, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble eine neue Milde gegenüber Griechenland zeigt. Von Grexit ist plötzlich keine Rede mehr. Im Gegenteil: Berlin will Athen bei den anstehenden Reformen entgegenkommen.

Darauf könnte sich die Euro-Gruppe am Montag relativ schnell einigen, wäre da nicht der Internationale Währungsfonds (IWF). Deutschland, Österreich und Finnland bestehen darauf, dass der IWF sich am dritten Hilfspaket für Griechenland beteiligt. Doch darüber will der Fonds aus Washington erst entscheiden, wenn die erste Überprüfung der Reformen abgeschlossen ist. Der IWF-Europa-Chef äußerte sich bereits in einem Blog-Eintrag skeptisch, dass das Ziel für den Primärüberschuss - also den Überschuss vor Abzug des Schuldendienstes - ohne deutlichere Einschnitte im Rentensystem erreicht wird. Die Alternative wäre, dass die Euro-Partner auf härtere Rentenkürzungen verzichten und Athen stärker bei der Erleichterung der Schuldenlast helfen. Da aber ein klassischer Schuldenschnitt noch immer ausgeschlossen wird, macht das die Sache nicht leichter.

Neue Regierungen im Süden könnten die Krise wieder entfachen

Überhaupt wirft der Umgang der Finanzminister mit Griechenland eine Grundsatzfrage auf: Wie kann Europa endlich wieder zu mehr Wachstum kommen? Denn nach Jahren der Sparpolitik steht der Süden Europas wirtschaftlich noch immer schlecht da. In Spanien, Portugal und zuletzt sogar Irland wurden Regierungen abgewählt, die in ihren Ländern die von der Euro-Gruppe verordneten Reformen umgesetzt haben.

In Lissabon lässt sich schon beobachten, was auch anderswo kommen könnte: Die neue Linksregierung will nicht weiter sparen. Gleich nach der Wahl kündigte sie an, den Mindestlohn von 505 auf 600 Euro im Monat zu erhöhen, Renten- und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst rückgängig zu machen und die 35-Stunden-Woche für die Beamten wieder einzuführen. Die Finanzmärkte reagierten negativ. Nun hängt die Zahlungsfähigkeit Portugals an der Bewertung einer Ratingagentur. Senkt diese den Daumen, droht ein neues Hilfspaket beim Euro-Rettungsfonds ESM. Die EU-Kommission hat das Land deshalb unter verschärfter Kontrolle. Im Frühjahr wird die Haushaltsplanung erneut überprüft.

Und Deutschland? Sollte nach dem Willen der EU-Kommission endlich mehr ausgeben

In Spanien ist noch nicht klar, wer das Land künftig regieren wird, aber für die Verfechter des Stabilitäts- und Wachstumspakts wird es sicher nicht einfacher. Italien will die von der EU-Kommission ohnehin schon sehr weit gedehnte Flexibilität noch weiter ausreizen. Das wäre nichts anderes als die Erlaubnis, mehr Schulden zu machen. Auch Frankreich hätte nichts dagegen. Das Land wirkt reformunfähig, die Regierung lässt sich innenpolitisch von den Rechtspopulisten treiben - 2017 wird gewählt. Und Deutschland? Geht es nach der Europäischen Kommission, sollte Berlin endlich Milliarden in Investitionen stecken, also deutlich mehr ausgeben.

Wie es aussieht, werden die EU-Finanzminister nicht darum herumkommen, bei ihrem informellen Treffen Ende April in Amsterdam ausführlich über zwei Begriffe zu reden: Stabilität und Wachstum. Eigentlich sollte es um noch viel mehr gehen, nämlich die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion. Ums große Ganze also. Doch angesichts des Auseinanderdriftens der EU in der Flüchtlingskrise sind die Bestrebungen einer weiteren Vertiefung der Währungsunion ziemlich eingeschlafen.

In Brüssel gibt es deshalb die Hoffnung, dass das Brexit-Referendum im Juni ein Momentum für mehr Integration sein könnte. "Egal, wie die Abstimmung ausgeht, am Ende kann die Antwort aus Brüssel nur lauten: mehr Europa", sagt ein EU-Diplomat. Würde sich die Mehrheit der Briten für einen EU-Austritt entscheiden, müsste London neue Verträge mit der Europäischen Union aushandeln. Im Vereinigten Königreich behaupten die Brexit-Sympathisanten ja oft, dann könnte Großbritannien noch mehr für sich herausholen.

In Brüssel ist man sich einig: Das darf auf keinen Fall passieren. Die EU sollte Geschlossenheit demonstrieren - ein Signal könnte die stärkere Integration sein. Zum Beispiel in einer vertieften Wirtschafts- und Währungsunion gegenüber dem Finanzplatz London. Würden die Briten für einen Verbleib ihres Landes in der EU stimmen, könnten andere Länder dem Beispiel folgen und versuchen, die Europäische Union zu erpressen. Auch darauf, so beschreiben es hohe EU-Beamte, dürfe die Antwort nur sein: mehr Integration.

Egal ob Flüchtlinge, Euro oder Brexit: Am Ende stellt sich immer die Frage nach einer "Koalition der Willigen". Manche nennen es auch Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, andere Kern-Europa. Aber darum wird es am Montag erst mal nicht gehen. Noch nicht.

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