EU-Vorschlag:Anders leben als Oma und Opa

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Mehr Zeit fürs Kind und trotzdem arbeiten: Das wünschen sich viele Eltern.

(Foto: Westend61/imago)

Deutsche Mütter und Väter können bald länger Elternzeit nehmen und flexibler arbeiten - wenn sich Brüssel durchsetzt.

Von Alexander Hagelüken

"Unsere Töchter und Söhne müssen nicht genauso leben wie unsere Großeltern", sagt Frans Timmermanns, Vizepräsident der EU-Kommission. Und während bei den am Mittwoch präsentierten Sozialstandards viele Aspekte sehr allgemein formuliert sind, wird es im Bereich Lebensentwürfe sehr konkret - auch für die Deutschen. Geht es nach Timmermanns und seinen Kollegen, sollen Eltern künftig den Beruf leichter mit Kindern verbinden können. Weil sie eben nicht mehr so leben wollen wie ihre Großeltern, bei denen die Frau oft ganz zuhause blieb.

Die Kommission legte einen Gesetzentwurf vor, der berücksichtigen soll, dass Eltern sich heute eben meist nicht mehr nach dem traditionellen Rollenbild richten wollen. Dazu macht sie eine Reihe von Vorschlägen, die über das hinausgehen, was in der Bundesrepublik derzeit gilt. Zwar ist Deutschland in puncto Vereinbarkeit von Familie und Beruf im europäischen Vergleich in einigen Bereichen vorne. Etwa durch die Einführung des Elterngeldes, das Müttern und Vätern erstmals ermöglichte, eine bezahlte Auszeit vom Beruf zu nehmen, um sich um den Nachwuchs zu kümmern. Der Brüsseler Vorschlag zeigt jedoch, dass sich diese Angebote durchaus ausbauen lassen.

So ist es in Deutschland bisher nur bis zum achten Lebensjahr des Kindes möglich, Elternzeit zu nehmen, um im Beruf auszusetzen. Die Kommission schlägt jetzt vor, dass Elternzeit möglich sein soll, bis das betreffende Kind zwölf Jahre alt ist. In Deutschland wird nur für 14 Monate in der Elternzeit auch Geld vom Staat gezahlt, maximal 1800 Euro im Monat. Dieses Elterngeld gibt es, stimmt der Arbeitgeber nicht zu, sogar nur in den ersten drei Lebensjahren des Kindes.

Gezielt besser stellen will Brüssel zudem Väter. Sie sollen um die Geburt des Kindes herum mindestens zehn Tage Sonder-Urlaub nehmen können. Einen solchen Vaterschaftsurlaub gibt es in der Bundesrepublik bislang nicht. Einfacher machen will es die Kommission zudem Berufstätigen, die sich um einen kranken Angehörigen kümmern. In solchen Fällen soll es pro Jahr fünf Tage Auszeit vom Beruf geben.

Außerdem geht Brüssel auf spezielle Herausforderungen ein, die sich Eltern durch den Beruf stellen. Bis das Kind zwölf Jahre alt ist, sollen Mütter und Väter flexibles Arbeiten in Anspruch nehmen können. Etwa die Möglichkeit, von Zuhause aus zu arbeiten. Oder flexible Zeiten und das Recht, die Arbeitsstunden vorübergehend zu reduzieren. So weitgehende Ansprüche gibt es in Deutschland bisher nicht.

Ob solche Angebote in Deutschland und anderswo in Europa Realität werden, hängt nun von EU-Regierungen und Europaparlament ab. Sie müssen dem Gesetzesvorschlag zustimmen. In der Vergangenheit bremsten die Mitgliedsstaaten solche sozialen Vorstöße aus Brüssel häufiger.

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) empfindet die Initiative der Kommission als Unterstützung. Sie hat ein Recht für Berufstätige vorgeschlagen, wieder auf eine volle Stelle zurückzukehren, wenn sie etwa wegen der Betreuung von Kindern auf Teilzeit umgestiegen sind. "Zu den sozialen Rechten gehört, dass wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser dabei unterstützen, in der Lebensarbeitszeit Phasen der Teilzeit zu ermöglichen - ohne für immer in der Teilzeitfalle stecken bleiben zu müssen", erklärte Nahles am Mittwoch. Sie liegt im Clinch mit der Union, die das Rückkehrrecht auf Firmen mit mehr als 200 Mitarbeitern beschränken will. Dann aber wären 60 Prozent der deutschen Arbeitnehmer von diesem Recht ausgeschlossen, so Nahles.

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