EU-Versicherungsaufsicht:In der Sache knallhart

Senioren auf dem Weg zum Strand

Entspannt im Alter? Die europäische Versicherungsaufsicht kritisiert, viele Angebote für die private Vorsorge seien mangelhaft.

(Foto: Ingo Wagner/DPA)

Entspannt im Alter? Das ist keineswegs garantiert, sagt der Chef der europäischen Versicherungsaufsicht. Seine Reformvorschläge bringen die Versicherer nun in Rage.

Von H. Fromme, J. Tauber, Frankfurt/Berlin

Gabriel Bernardino ist ein freundlicher, zuvorkommender Gastgeber. Der Portugiese ist Präsident der europäischen Aufsichtsbehörde für Versicherer und Privatrenten, Eiopa. Bei der Eiopa-Fachkonferenz begrüßt er mit Charme Versicherer, Politiker und Kollegen.

Aber in der Sache ist er knallhart. Eiopa und vor allem ihr Chef sehen sich als Anwälte der Verbraucher - und riskieren dafür auch heftigen Krach mit Gegnern wie der Bundesregierung. Aktueller Anlass ist der Langfristzinssatz - im Branchenjargon UFR oder Ultimate Forward Rate - für die Lebensversicherer. Von ihm leitet sich ab, wie viel Geld die Lebensversicherer für langfristige Zusagen an die Kunden zurückstellen müssen. Je höher diese Zinsannahme für die nächsten 60 Jahre ist, desto geringer müssen die Rückstellungen sein.

Sinkt die UFR dagegen, müssen sie mehr zurückstellen. Und genau das will Eiopa jetzt durchsetzen, um die Versicherer krisenfester zu machen. Zurzeit rechnen die Versicherer mit einem Langfristzinsatz von 4,2 Prozent - "Mondzinsen" spotten Kritiker wie Sven Giegold von den Grünen im EU-Parlament.

Bernardino will im Januar 2017 vorschlagen, den Satz in drei Schritten von jeweils 0,2 Prozentpunkten auf 3,7 Prozent zu senken. Darüber muss dann die EU-Kommission beschließen.

Die deutschen Versicherer und mit ihnen die Bundesregierung sind heftig dagegen. Die UFR ist Teil der neuen EU-Aufsichtsregeln Solvency II, die erst im Januar eingeführt wurden. Es gebe überhaupt noch keine belastbaren Erfahrungen damit, sagt Michael Meister, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. "Wir können deshalb den Vorschlag von Eiopa, einen solch zentralen Baustein zu verändern, nicht nachvollziehen." Regierung und Versicherer fürchten, dass die Änderung den angeschlagenen deutschen Lebensversicherern noch mehr Probleme machen könnte.

Der Langfristzins ist nicht das einzige Schlachtfeld. Auch bei den Provisionen für Lebensversicherungen gibt es Krach. Die EU hat eine neue Richtlinie für die Versicherungsvermittlung erlassen. Darin überlässt sie es den Mitgliedsstaaten, Provisionen beim Verkauf von Lebensversicherungen zu verbieten oder zu gestatten. In Deutschland sind sie erlaubt. Bernardino dazu: Eiopa werde dafür sorgen, dass dort, wo Provisionen gezahlt werden, sie nicht mit der Aufgabe der Vermittler kollidieren, Kunden bestmöglich zu beraten.

Er ist ohnehin mit vielen Angeboten für die private Altersversorgung nicht einverstanden. Sie seien oft zu teuer und kompliziert, oft nicht wirklich geeignet für die Altersvorsorge. Das soll ein EU-weites privates Rentenangebot ändern, eine Art Super-Riester mit Obergrenzen für Kosten und Gebühren, definierten Kapitalanlagen und hoher Transparenz. "Das kann für die Europäer ein greifbares Ergebnis der EU sein und damit zeigen, dass sich ein wahrer einheitlicher Binnenmarkt für Kapital lohnt." Freunde in der Branche macht er sich damit nicht. Aber das scheint Bernardino nicht zu stören.

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