EU-Verfahren wegen Rabatt auf EEG-Umlage:Warum Fahrgäste bald für die Energiewende zahlen

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U-Bahn in Köln (Foto: dpa)

Schluss mit unfairen Rabatten für deutsche Konzerne: Die EU geht gegen die Ausnahmen bei der Ökostromförderung vor. Viele Unternehmen müssen nämlich praktisch keinen Zuschlag für erneuerbare Energien zahlen. Darunter sind Betriebe, die aus dem Ausland nichts zu befürchten haben.

Klar ist Kanzlerin Angela Merkel dagegen. Deutsche Firmen, deutsche Arbeitsplätze seien in Gefahr. Die EU geht gegen die deutschen Ökostrom-Rabatte vor, die viele Konzerne von einem Zuschlag befreien, der sogenannten EEG-Umlage. Noch bevor EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia dies offiziell macht, verkündet Merkel im Bundestag: "Solange es europäische Länder gibt, in denen der Industriestrom billiger ist als in Deutschland, kann ich nicht einsehen, warum wir zur Wettbewerbsverzerrung beitragen."

Auf die markigen Worte der Kanzlerin angesprochen, reagiert Almunia gelassen - und gratuliert der Kanzlerin von Brüssel aus erst einmal zur dritten Amtszeit. Dann wird er ernst: "Angela Merkel weiß, wie alle Regierungen der Mitgliedsstaaten, dass wir Verfahren eröffnen, wenn wir einen Verdacht haben oder Beschwerden erhalten." Er habe viele Briefe bekommen, in denen gestanden habe: "Bitte eröffnen sie diese Untersuchung." Die fallen seiner Meinung nach mehr ins Gewicht als der Widerstand der deutschen Regierung.

Nun geht es also los: Die EU-Kommission hat wegen der Stromrabatte für deutsche Unternehmen ein Untersuchungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Es gehe um die Befreiungen von der vollen Zahlung der EEG-Umlage, erklärt die Behörde. Sie vermutet, dass die Befreiungen das europäische Wettbewerbsrecht verletzen könnten.

Öko-Ausnahme: gute Idee, schlecht umgesetzt

Im Erneuerbare-Energien-Gesetz werden für jede Kilowattstunde Strom aus Solar-, Wind- und Biomasseanlagen auf 20 Jahre garantierte Vergütungen festgelegt. Die Differenz zwischen dem am Markt für den Strom erzielten Preis und der festen Vergütung bildet die EEG-Umlage. Wurden 2009 erst 5,27 Milliarden Euro über die Umlage auf die Strompreise aufgeschlagen, sind es nun 20,3 Milliarden Euro. Weil über die Umlage umfassende Industrierabatte gezahlt werden müssen, treibt das die Strompreise hoch. Denn Unternehmen, die viel Strom verbrauchen, bekommen Rabatt.

Das sorgt für Streit. Denn die Ausgestaltung der Ausnahmen sei schlecht, sagt Andreas Löschel, Ökonom am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH in Mannheim. Zwar seien Ausnahmen grundsätzlich sinnvoll. Manche Unternehmen müssten im internationalen Wettbewerb geschützt werden. Doch zu viele Firmen kommen aktuell in den Genuss des Rabatts, auch wenn sie gar keine ausländische Konkurrenz fürchten müssen. Das Gesetz schaut zu sehr auf den Stromverbrauch und ignoriert, ob die Firmen die Möglichkeit haben, die Kosten einfach auf die Kunden abzuwälzen, also die Preise zu erhöhen.

Zum Beispiel lokale Verkehrsbetriebe. Wer mit dem Bus oder der U-Bahn ins Büro fährt, der fährt im Heimatort - und kann nicht einfach auf eine chinesische Verbindung umsteigen. Trotzdem bekommen Verkehrsbetriebe Rabatt. Ökonom Löschel rät, die Wirtschaftszweige genau zu analysieren: Welche Branchenteile werden wirklich von steigenden Strompreisen getroffen, welche nicht? Gibt es etwa wie auf dem Aluminiummarkt einen Weltmarktpreis, stehen deutsche Produzenten in direktem Wettbewerb mit Herstellen aus Ländern, in denen Strom deutlich günstiger ist.

Solchen Konzernen zu helfen, ist die Motivation für die Ausnahme. Dabei profitieren die Unternehmen doppelt. Zum einen zahlen sie im günstigsten Fall nur 0,05 Cent Ökozuschlag je Kilowattstunde - und damit 99 Prozent weniger als andere Verbraucher. Zweitens sorgt der Ausbau der erneuerbaren Energien dafür, dass der Strompreis an der Börse sinkt und sinkt. Hier kaufen die Konzerne Energie ein, sie zahlen aktuell nur vier Cent. Dass für Verbraucher der Strompreis trotzdem steigt, liegt allein an der steigenden EEG-Umlage.

Das EU-Verfahren wird wohl dazu führen, dass weniger Konzerne Ausnahmen bekommen. Geht es nach Löschel, sollte außerdem der Rabatt gekürzt werden. "Man muss die Vorteile abschöpfen, die von der Allgemeinheit getragen werden", sagt der Ökonom.

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