EU-Krisentreffen zu Griechenland:"Quälen, plagen, mühen"

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Wird er sich rechtzeitig auf weitere Kompromisse einlassen? Alexis Tsipras auf einer Europafahne in Athen. (Foto: Louisa Gouliamaki/AFP)
  • Am kommenden Montag treffen sich die 19 Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone, um für Griechenland eine Lösung zu finden. Das Rettungsprogramm läuft am 30. Juni aus.
  • Die Euro-Strategen müssen glaubwürdig versichern, dass es bis dahin zu einer Einigung kommt.
  • Am Donnerstagabend ging die Euro-Gruppe ohne Ergebnis auseinander: Griechenland und Geldgeber rücken jeweils nicht von ihrer Haltung ab.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Alexander Mühlauer, Brüssel

Donald Tusk hat als Ministerpräsident die Einführung des Euro in Polen einst ins Unbestimmte verschoben; und auch als EU-Ratspräsident ist er bisher nicht durch Interesse an der Währungsunion aufgefallen. Doch nun hat er sich am Donnerstagabend per Kopfdruck ins Bewusstsein der Euro-Strategen katapultiert. Um 19.43 Uhr ließ Tusk per E-Mail wissen, dass er Präsidenten, Premierminister und Kanzler der Euro-Zone für Montag, 19 Uhr, zu einem Krisen-Gipfel nach Brüssel bitte. Es sei Zeit, "dringend nötige Gespräche" über die Situation in Griechenland zu führen. Und zwar auf "höchster politische Ebene". Das heißt: Anwesenheitspflicht für 19 Chefs.

Bemerkenswert ist nicht nur die Einladung selbst, sondern auch der Zeitpunkt, zu dem sie kam. Nämlich just in der Minute, in der in Luxemburg Jeroen Dijsselbloem, der Vorsitzende der Gruppe der Euro-Finanzminister, ungewohnt stotternd begann, über das Treffen der Minister zu Griechenland zu referieren. Dieses war überraschend nach weniger als zwei Stunden beendet worden. Dijsselbloem, so schien es, hatte Mühe, das verschweigen zu müssen, was er wusste.

Varoufakis wiederholte nur die bekannten Positionen

Die Inszenierung vom Donnerstagabend war eine weitere Folge auf dem Weg zum Finale der griechischen Tragödie, das spätestens am 30. Juni sein vorläufiges Ende finden wird. Dann muss die griechische Regierung einen Kredit an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Kommt sie dieser Verpflichtung nicht nach, wäre das ein formaler Verstoß gegen die gemeinsame Vereinbarung zwischen den Kreditgebern und Griechenland - die damit hinfällig würde.

Zehn Tage haben die Euro-Strategen noch Zeit, um glaubwürdig zu versichern, dass sie alles tun, dieses schmutzige Finale zu verhindern. Dafür gibt es Voraussetzungen: Die Experten der Kreditgeber von Europäischer Zentralbank, Europäischer Kommission und IWF einigen sich mit der griechischen Regierung auf einen Kompromiss, welche Haushaltsziele und Reformen geeignet und machbar sind, um dem Land wieder auf die Beine zu helfen. Im Gegenzug sichern sie die griechischen Banken und gewährleisten, dass Athen seine Kreditverpflichtungen zahlen kann. Nicht zu vergessen ist die Forderung der Regierung in Athen nach Erleichterung des Schuldendienstes.

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Was passiert, wenn sich Griechenland nicht bis zum 30. Juni mit seinen Kreditgebern einigt? IWF, EZB, Regierungen und Anleger müssten dann viele Entscheidungen treffen.

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Weil sich die ministeriellen Unterhändler im Dickicht von Forderungen und Ansprüchen verirrt haben, will Tusk die Chefs am Montag nach Brüssel holen, damit sie einander in die Augen schauen und endlich einen Weg für die Unterhändler aufzeigen, der zum Kompromiss führt. Steffen Seibert, der Sprecher der Bundesregierung, beschrieb das Sondertreffen als "Gipfel der Beratung", was auf zweierlei Weise interpretiert werden kann. Einfach als ein weiteres Treffen, bei dem die Chefs beraten - und das bis zum 30. Juni beliebig wiederholt werden kann. Oder als eine Zusammenkunft, bei der die Staats- und Regierungschefs die entscheidenden Weichen stellen für einen folgenden Gipfel der Entscheidungen.

Schäuble saß ein bisschen ratlos in Luxemburg

Seibert ließ sich nicht auf größere Erklärungen ein, sondern verwies auf die generelle Regel, dass bei dem Treffen am Montag nur dann eine Entscheidung gefällt werden könne, wenn sich zuvor die Kreditgeber und Griechenland auf Zahlen und Daten verständigt hätten. "Wir brauchen alle drei Institutionen für eine Einigung."

So sieht es auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der schon Montagmittag nach Brüssel reisen wird, weil die Finanzminister vor ihren Chefs zu einer Krisensitzung zusammenkommen werden. Was genau sie da beraten sollen, war am Freitag nicht zu erfahren. Schäuble saß ein bisschen ratlos in Luxemburg, wo die Ressortchefs zwei Tage getagt hatten, und wiederholte beinahe wörtlich, was Seibert kurz zuvor in Berlin gesagt hatte. "Wir können nichts entscheiden, wenn wir nicht einen Bericht der Institutionen vorliegen haben." Seinem Gesicht war nicht abzulesen, ob der Minister da gerade eine weitere Inszenierung über angebliches Nichtwissen abgeliefert hatte. Denn dass es nichts zu reden gibt, erscheint angesichts der Folgen, die beim Kollaps eines Euro-Landes drohen, kräftig untertrieben.

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Am Vorabend jedenfalls hatten die Kollegen nicht lange mit dem griechischen Ressortchef Yanis Varoufakis geredet. Auch, weil Varoufakis lediglich wiederholte, was alle wissen. Er will einen Schuldenschnitt - oder zumindest eine Streckung der fälligen Zahlungen. Was auch bedeutet, dass es eine Konstante in diesem Drama gibt: die Haltung der Regierung in Athen. Darin hat sich in den vergangenen Monaten nichts verändert - oder wie Schäuble sagte: "Unerfreuliche Situationen werden durch Wiederholung nicht erfreulicher." Es gehe weiter um Fragen, "die uns quälen, plagen, mühen". Er gebe sich Mühe, "kein Öl in irgendwas zu gießen".

IWF-Chefin Christine Lagarde schien eher ungehalten zu sein über die vielen Spielchen der vergangenen Wochen. In der Sitzung am Donnerstag sagte sie, der IWF sei Kritik gewohnt, sie sei aber nicht begeistert, von griechischer Seite als kriminelle Organisation bezeichnet zu werden. "Meiner Meinung nach ist es das Dringendste, wieder zu einem Dialog mit Erwachsenen im Raum zu kommen." Am Montag ist die nächste Gelegenheit dazu.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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