EU-Haushalt:Brüssel hat genug Geld

Der EU-Haushalt ist ein Instrument für Wachstum und Jobs - so begründet Brüssel die Forderung nach mehr Geld. Doch in der Schuldenkrise ist es unpassend, das Budget zu erhöhen. Lieber sollte die Kommission effizienter haushalten.

Martin Winter, Brüssel

Europa in der Krise

Es sind harte Zeiten. In allen Mitgliedsländern der Europäischen Union werden schon seit einiger Zeit die Gürtel enger geschnallt, um die Folgen der internationalen Banken- und der europäischen Staatsschuldenkrise in den Griff zu bekommen. Bis in die Gemeinden hinab leiden die Menschen unter den Folgen: Bibliotheken und Schwimmbäder werden geschlossen, Schulausflüge gestrichen und notwendige Reparaturen an der öffentlichen Infrastruktur verschleppt.

In solch eine Zeit passt es nicht, das Budget der EU zu erhöhen. Sicher, es macht mit rund einem Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts nicht gerade die Welt aus. Mit den von der Kommission geforderten durchschnittlich 155 Milliarden Euro pro Jahr stünde der gesamten EU nur die Hälfte dessen zur Verfügung, was Deutschland jährlich allein über seinen Bundeshaushalt ausgibt. Dennoch braucht es kein Genie, um zu begreifen, dass es politisch kaum vertretbar ist, den EU-Haushalt um etwa fünf Prozent anzuheben, während etwa der deutsche in den kommenden Jahren sinkt.

Nun begründet Brüssel sein Verlangen nach mehr Geld damit, dass der europäische Haushalt ein Instrument für Wachstum und Jobs sei. Das ist zwar ein schickes Argument, aber kein besonders gehaltvolles. Zum einen nämlich versickert immer noch sehr viel europäisches Geld in der Landwirtschaft. Das mag dort einige Arbeitsplätze sichern, Wachstum und neue Jobs aber schafft es nicht.

Zum anderen können die Ergebnisse der bislang betriebenen Struktur- und Kohäsionspolitik der EU - vorsichtig gesagt - nicht gerade überzeugen. Der Versuch, die wirtschaftlichen und wettbewerbsmäßigen Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern der EU unter Einsatz eines dreistelligen Milliardenbetrags zu verringern, ist weitgehend gescheitert. Anstatt den Anschluss an die erfolgreichen Partner zu finden, fallen einige EU-Länder weiter zurück.

Die EU driftet wirtschaftlich auseinander

Wirtschaftlich driftet die EU auseinander. Zu den wesentlichen Erkenntnissen dieser Krise gehört, dass das viele Geld der europäischen Steuerzahler zu oft ohne wirtschaftlichen Effekt eingesetzt, manchmal für Unsinn ausgegeben und gelegentlich schlicht verprasst wurde.

Richtig und kontrolliert eingesetzt, hätte man schon mit dem bisherigen Budget mehr erreichen können. Anstatt also nach noch mehr Geld zu rufen, sollte die Kommission ihre Energie darauf konzentrieren, das Geld effektiver zu verwenden. Allein die Tatsache, dass die EU eine sich seit Jahren aufbauende Bugwelle von mittlerweile rund 200 Milliarden Euro nicht abgerufener oder nicht zugewiesener Mittel vor sich her schiebt, spricht für eine gründliche Revision der Art und Weise, wie Brüssel mit seinen Mitteln umgeht.

Das Angebot der Nettozahler - also jener Länder, die mehr nach Brüssel überweisen, als sie zurückbekommen -, das europäische Budget auf dem Niveau der vergangenen Jahre zu halten, ist unter diesen Umständen weder ungehörig noch gar uneuropäisch. Im Gegenteil zwingt es die EU endlich, vernünftiger mit ihren Mitteln umzugehen. Damit könnte Brüssel so ganz nebenbei auch das weit verbreitete Vorurteil widerlegen, ein Ort notorischer Verschwendung zu sein.

Was die EU sich gegenwärtig überhaupt nicht leisten kann, ist neben der Krise des Euro auch noch eine um ihren Haushalt. Das würde ihr internationales Vertrauen nur weiter beschädigen. Sie kann es sich aber genauso wenig leisten, finanziell zuzunehmen, während alle anderen abmagern. Die politische wie praktische Vernunft spricht für ein Null-Wachstum beim europäischen Budget. Womit es der EU immer noch besser erginge als vielen Ländern, die schwere Einschnitte in ihre Haushalte hinnehmen müssen.

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