EU-Gipfel:Darum geht es bei der Bankenunion

A businessman looks on as he stands under the Arche de la Defense in the financial district west of Paris

Wie reguliert Europa seine Banken? Blick ins Pariser Finanzviertel

(Foto: REUTERS)

An diesem Mittwoch geht es in Brüssel um das größte europäische Integrationsprojekt seit Einführung des Euro: die Bankenunion. Gelingt endlich ein Kompromiss?

Von Claus Hulverscheidt, Berlin und Andrea Rexer, Frankfurt

Vielleicht ist der Mensch so. Vielleicht braucht er diese tickende Uhr im Hintergrund, um sich tief im Inneren überhaupt auf einen Kompromiss einlassen zu können. Wie sonst lässt sich erklären, dass europäische Verhandlungsrunden fast immer nach demselben Muster ablaufen: Über Wochen und Monate wird gezetert und gezogen, gerungen und gerangelt - und dann finden die Unterhändler von Kommission, Ministerrat und gelegentlich auch dem Parlament in letzter Minute doch noch einen Konsens. Meistens so gegen vier Uhr morgens.

Wahrscheinlich wird auch der Streit um das größte europäische Integrationsprojekt seit Einführung des Euro, die Bankenunion, am Ende schiedlich friedlich beigelegt - auch wenn vor der entscheidenden Verhandlungsrunde an diesem Mittwoch einmal mehr fast nichts dafür sprach. Zyniker kalauerten bereits, es sei doch gut, dass es diesmal nicht den einen großen Knackpunkt gebe, der über Gesichtswahrung und Gesichtsverlust entscheide. Das trifft ohne jeden Zweifel zu: Es gibt mindestens fünf, sechs solcher Knackpunkte.

Dabei ist sich die überwältigende Mehrheit der EU-Staaten in der Analyse völlig einig: Wenn aus Bankschulden nicht in jeder Krise automatisch Staatsschulden werden und umgekehrt schlecht wirtschaftende Regierungen nicht länger "ihre" Institute in Gefahr bringen sollen, dann muss die unselige Verbindung zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Verbindlichkeiten endlich gekappt werden. Nur so lässt sich verhindern, dass es am Ende immer der Steuerzahler ist, bei dem die milliardenschwere Rechnung landet.

Fest verabredet ist schon, dass zunächst die Aufsicht vereinheitlicht wird und die Europäische Zentralbank (EZB) im September die Überwachung der 130 größten Kreditinstitute des Kontinents übernimmt. Hinzu kommen soll nun ein Regelwerk zur Umstrukturierung oder auch Schließung maroder Institute (Single Resolution Mechanism, SRM) sowie ein aus Bankeneinzahlungen gespeister Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF), auf den zugegriffen werden kann, wenn die Sanierungsbeiträge von Aktionären, Gläubigern und gut betuchten Sparern nicht ausreichen.

Hier aber wird es kompliziert. Strittig ist zunächst, wer überhaupt entscheidet, ob eine Bank nun abgewickelt wird oder nicht. Die Kommission will hier das letzte Wort haben, ebenso der Finanzministerrat. Gegen eine Ratsbefassung wiederum wehren sich führende Vertreter des Europaparlaments: Wenn die nationalen Minister das Sagen hätten, sei einem tagelangen politischen Gerangel Tür und Tor geöffnet, sagt der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold. Notwendig seien aber klare, beherzte Entscheidungen binnen 48 Stunden.

Nächster Punkt ist die Frage, wer wie viel in den neuen Abwicklungsfonds einzahlen muss, wie schnell die Zielsumme von 55 Milliarden Euro erreicht wird und was passiert, wenn bereits in der Aufbauphase eine Bank kollabiert. Das Parlament will über alle diese Fragen mitbestimmen, der Ministerrat will allein entscheiden - schon deshalb, weil er genug damit zu tun hat, intern einen Konsens zu finden. So will das Parlament die SRF-Beiträge danach staffeln, wie hoch die Risiken sind, die in den Büchern jeder einzelnen Bank stecken - frei nach der Maxime: Wer hohe Risiken eingeht, wird sehr viel eher Kunde des Abwicklungsfonds, als eine Bank, die nur Brot-und-Butter-Geschäft betreibt.

EU-intern kursieren bereits Gerüchte über ein Sondertreffen Ende März

Dagegen wollen Länder wie Frankreich und Spanien ihre Großbanken vor zu hohen Beiträgen schützen, was wiederum die Brot-und-Butter-Banken, also etwa die hiesigen Sparkassen und Volksbanken, auf den Plan ruft: "Auf eine Quersubventionierung risikoreicher Bankensysteme in Europa darf sich die Politik nicht einlassen", sagt Gerhard Hofmann, Chef des Genossenschaftsverbands BVR.

Ebenso hitzig diskutiert wird die Frage, innerhalb welchen Zeitraums die 55 Milliarden Euro angespart werden sollen. Bisher sind dafür zehn Jahre vorgesehen, die EZB dringt jedoch auf eine Verkürzung der Frist, denn solange der SRF nur spärlich gefüllt ist, erschwert das die Möglichkeit, Banken effektiv abzuwickeln. Das Parlament will den Banken sogar nur ganze drei Jahre Zeit geben. Auch einige südeuropäische Länder plädieren für einen eher kurzen Zeitraum - allerdings mit einem anderen Hintergedanken: Sie wollen, dass die Aufbauphase, in der die Einzahlungen etwa der deutschen Banken auch nur für die Sanierung deutscher Institute verwendet werden dürfen, rasch endet. Sobald der Topf nämlich gefüllt ist, wird das Geld allen Staaten zur Verfügung stehen.

Die Eile der lieben Nachbarn kommt wiederum den Nordeuropäern spanisch vor: Sie fürchten, dass man ihnen klammheimlich die ungelösten Bankenprobleme einiger Staaten aufbürden will. In der Bundesregierung heißt es darüber hinaus, es sei schlicht nicht möglich, den Banken überproportional hohe SRF-Abgaben aufzuzwingen, wenn man gleichzeitig wolle, dass die Institute ihr Eigenkapital erhöhten und die Kreditvergabe an kleine und mittlere Betriebe aufrecht erhielten. Auch Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon warnt vor einer Überforderung der Branche: "Eine kürzere Aufbauphase würde zu einer Erhöhung der Jahresbeiträge auf ein nicht akzeptables Maß führen", sagt er.

Und noch ein Problem ist ungelöst: Was passiert, wenn der SRF plötzlich leer ist? Die südeuropäischen Staaten wollen in diesem Fall beherzt auf den Staaten-Schutzschirm ESM zugreifen. Das wiederum lehnen in seltener Eintracht sowohl der Grünen-Abgeordnete Giegold als auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kategorisch ab. Giegold kann sich stattdessen vorstellen, den EU-Haushalt zur letzten Auffanglinie zu machen.

Ob sich die Unterhändler von Rat, Kommission und Parlament an diesem Mittwoch einigen werden, ist offen. EU-intern machen bereits Gerüchte über ein Sondertreffen am 26. März die Runde. Spätestens dann muss eine Entscheidung fallen, wenn die ganze Sache wegen der folgenden Europawahl nicht auf den Herbst verschoben werden soll. Scheint so, als sei wieder einmal Zeit für eine Nachtschicht in Brüssel.

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