Nach dem EU-Gipfel:Wie die Griechen noch zu retten sind

Der EU-Gipfel hat neue Hilfen für Griechenland vorbereitet, aber das verschuldete Land ist damit noch längst nicht gerettet - und die Währungsunion weiter in Gefahr. Wie geht es jetzt weiter und wann? Wie schmerzhaft ist der Sparkurs? Und was kostet die Rettung die Deutschen? Zehn Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Griechenland-Rettung.

Bastian Brinkmann und Michael König

Wie geht es jetzt weiter?

Der EU-Gipfel hat ein zweites Rettungspaket für Griechenland auf den Weg gebracht, bis zu 120 Milliarden Euro sollen es insgesamt sein. Eine Milliarde soll kurzfristig überwiesen werden, um die Wirtschaft anzukurbeln. Gerettet ist Griechenland damit noch nicht - die Retter stellen Bedingungen.

Das griechische Parlament muss den von der Regierung Papandreou angestrebten Sparmaßnahmen zustimmen. Bis zum Jahr 2014 sollen Ausgaben in Milliardenhöhe wegfallen. Das ist noch einmal ein drastischer Schnitt, der vielen Griechen nicht gefallen wird - schon jetzt demonstrieren Tausende gegen den Sparkurs der Regierung.

Wenn sich im griechischen Parlament eine Mehrheit für das Sparprogramm findet, werden die EU-Finanzminister die Details des zweiten Rettungspakets ausarbeiten. Die Zustimmung ist außerdem Voraussetzung dafür, dass weiterhin Geld aus dem ersten Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds nach Griechenland fließt.

Wenn Papandreou jedoch mit seinem Vorhaben scheitert, droht Griechenland der Staatsbankrott.

Was sind die wichtigsten Termine?

Der EU-Gipfel geht am heutigen Freitag zu Ende, aber das Thema Griechenland ist damit noch lange nicht durch.

Am kommenden Montag, 27. Juni, bringt die Regierung ihr neues Sparpaket ins Parlament ein. Es sieht Einsparungen in Höhe von 28 Milliarden Euro sowie den Verkauf von Staatsbesitz im Wert von 50 Milliarden Euro vor.

Die Parlamentsdebatte über die umstrittenen Maßnahmen wird mit hoher Wahrscheinlichkeit einige Zeit dauern - die Opposition will heftigen Widerstand leisten und die Regierungsmehrheit ist brüchig. Zu der schicksalhaften Abstimmung im griechischen Parlament soll es am 29. Juni kommen. Findet die Regierung eine Mehrheit, ist der Weg für neue Hilfen frei.

Die Finanzminister der Euroländer haben sich für den 3. Juli verabredet, um über die Überweisungen an Griechenland zu entscheiden. Die nächste Rate aus dem ersten Rettungspaket würde zwölf Milliarden Euro betragen. Außerdem sollen die Details des zweiten Hilfsprogramms in Höhe von etwa 100 Milliarden Euro ausgearbeitet werden.

Ein wichtiges Datum für die Griechen ist der 18. Juli: Dem Finanzministerium zufolge reicht das Geld der Griechen nur bis zu diesem Tag, um die Schulden zu begleichen. Kommt bis dahin keine Überweisung aus dem Hilfspaket in Athen an, müsste Griechenland den Staatsbankrott verkünden.

Warum sträubt sich die Opposition?

Den Preis für den beliebtesten Politiker Europas wird Antonis Samaras so schnell nicht mehr gewinnen. Konservative Kollegen bestürmten den griechischen Oppositionsführer auf dem EU-Gipfel in Brüssel, seinen Widerstand gegen das Sparpaket der Regierung aufzugeben. Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer betonten in einer Erklärung, nationale Einigkeit sei eine Voraussetzung für Reformen. Doch Samaras bleibt bei seinem Nein.

Seine konservative Partei Nea Dimokratia (ND) will gegen das Sparpaket stimmen. Weil die Regierungsmehrheit brüchig ist, könnte Premier Giorgos Papandreou jedoch auf Stimmen aus dem konservativen Lager angewiesen sein. Damit droht die Rettung Griechenlands an Samaras zu scheitern.

Was seinen Kritikern die Zornesröte ins Gesicht treibt: Samaras Partei war es, die Griechenland bis 2009 regierte - und in den Augen vieler maßgeblich zur Krise beitrug. Nun sagt der 60-Jährige, seine Partei werde nur zustimmen, wenn sich die internationalen Partner zu Nachverhandlungen über den Sparkurs bereit erklären. "Wir wollen morgen keine Ruinen regieren", rief Samaras Parteifreunden zu.

In Meinungsumfragen liegt die ND übrigens wieder knapp vor den regierenden Sozialisten von der Pasok. Samaras scheint mit seiner Weigerung - auch von Sabotage ist schon die Rede - Neuwahlen erzwingen zu wollen. Dann hätte er Chancen, Premierminister zu werden - allerdings wäre dann Griechenland womöglich längst pleite.

Entsprechend heftig fällt die Kritik aus, die Samaras in diesen Tagen einstecken muss. "Ich habe kein Verständnis, dass die griechische Opposition, die unserer europäischen Parteifamilie angehört, hier nicht mitmacht", sagte CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder. Der Journalist Michalis Pantelouris drückte es in einem Gastbeitrag für jetzt.de drastischer aus: "Sie haben sich jede rotte Apfelsine, mit der sie beworfen werden, redlich verdient."

Wie sieht das neue Sparprogramm aus?

Der neue Finanzminister Evangelos Venizelos hat die steuerpolitischen Details aus dem Programm am Donnerstagabend präsentiert. "Es hängt vom Kampfwillen der Griechen ab, ihre Glaubwürdigkeit wieder zu gewinnen, damit die Märkte uns glauben", sagte Venizelos.

Je nach Einkommensklasse müssen die Griechen demnach eine Solidaritätssteuer zwischen ein und vier Prozent ihres Einkommens zahlen. Für alle Minister, Parlamentarier, höhere Beamte und andere gewählte Personen, wie Bürgermeister, soll die Solisteuer fünf Prozent des Jahreseinkommens betragen. "Das ist aber nicht genug", sagte Venizelos. Freiberufler wie Rechtsanwälte, Klempner, Elektriker werden außer den normalen Steuern zusätzlich 300 Euro an den Staat zahlen müssen. Betroffen sind davon rund 550.000 Personen. Außerdem wird der Steuerfreibetrag von bisher 12.000 Euro auf 8000 Euro gesenkt. Ausgenommen sind Rentner über 65 Jahre und junge Arbeitnehmer bis zum 30 Lebensjahr. Das Programm sieht außerdem den Verkauf von Staatsbesitz im Volumen von 50 Milliarden Euro vor.

Venizelos kündigte ein neues Steuergesetz an, das die Steuerhinterziehung unterbinden soll. Außerdem soll eine Extra-Immobiliensteuer erhoben werden für Besitz, dessen Wert die 200.000 Euro übertrifft. Eine "große Intervention" werde es im staatlichen Bereich geben, teilte der Minister mit, ohne Angaben über die Höhe der Lohneinschnitte für die Staatsbediensteten zu machen.

Wie reagiert die griechische Öffentlichkeit?

Geschockt. Zwar sparen die Griechen nicht erst seit gestern, aber die ersten Details aus dem neuen Sparprogramm haben die Presse dennoch zu martialischen Überschriften animiert: Von einem "Gnadenschuss für unsere Einkommen" schreibt etwa die linksliberale Zeitung Eleftherotypia. "Unerträgliche Kampfsteuern" erwartet das konservative Boulevardblatt Eleftheros Typos.

Auch der neue Finanzminister Evangelos Venizelos wählte drastische Worte, als er die steuerpolitischen Maßnahmen am Donnerstagabend präsentierte: "Es hängt vom Kampfwillen der Griechen ab, ihre Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen, damit die Märkte uns glauben", sagte er.

Die griechischen Gewerkschaften sind erwartungsgemäß not amused. Sie wollen in der kommenden Woche aus Protest gegen den Sparkurs erneut in einen Generalstreik treten. Es wäre der vierte seit Jahresbeginn.

Wie viel haben die Griechen schon gespart?

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat vorgerechnet, dass Deutschland - analog gerechnet - 125 Milliarden kürzen müsste, um Vergleichbares zu stemmen. Das entspricht fast dem Gesamtbudget des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im laufenden Jahr.

Trotzdem sagt die EU: Das reicht nicht. Der Staatshaushalt soll weiter zusammengestrichen werden, um fast vier Milliarden Euro bis 2014. Griechenland habe das erforderte Maß von 28 Milliarden an Kürzungen noch nicht erreicht.

Warum das Land überhaupt Geld bekommt

Warum soll Griechenland schon wieder Geld bekommen?

Im Mai 2010 wäre den Griechen beinahe das Geld ausgegangen. Mehrere Milliarden Euro an Krediten liefen aus. Normalerweise bedient sie ein Land, indem es neue Kredite aufnimmt. Doch von Griechenland forderten die Finanzinstitute so hohe Zinsen, dass das Land überfordert war. Um trotzdem an Geld zu kommen, hat Griechenland im vergangenen Jahr ein Hilfspaket von 110 Milliarden Euro bekommen. Das Ziel: Griechenland soll schnellstmöglich an den regulären Kapitalmarkt zurückkehren. Doch die Zinsen sind immer noch hoch, sogar höher als im Mai 2010. Darum soll Griechenland ein neues Rettungspaket bekommen.

Was kostet die Hilfe den deutschen Steuerzahler?

Griechenland hat zwar schon einiges an Geld aus Berlin überwiesen bekommen - allerdings bislang nur Kredite, auf die die Griechen auch Zinsen zahlen. Die Europäische Zentralbank beispielsweise hat im Laufe der vergangenen zwölf Monate etwa 50 Milliarden Euro in die Hand genommen und dafür griechische Staatsanleihen gekauft. Allerdings haben die Notenbanker nicht den vollen Preis für diese Bonds bezahlt - die Anleihepreise waren nach Ausbruch der griechischen Schuldenmisere massiv gefallen. Werden diese voll zurückgezahlt, kann die EZB sogar einen Gewinn machen.

Die Wirtschaftsforscher vom DIW kalkulieren allerdings damit, dass die deutschen Steuerzahler auch im besten Fall einige Milliarden schultern müssen. Das Institut hat mehrere Szenarien durchgerechnet: Richtig teuer wird es, wenn Hellas seine Kredite nicht mehr zurückzahlen könnte. Bräche dann auch noch eine Panik an den Finanzmärkten aus, die Länder wie Portugal und Irland mit in den Abgrund reißen könnte, stiegen die Kosten immens.

Wenn die Hilfe für Griechenland floppen würde: Was wären die Folgen für das Finanzsystem?

Ein Crash Griechenlands könnte wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers wirken: als weltweiter Schock für das Finanzsystem. Griechenland-Papiere wären auf einen Schlag nichts mehr wert, was Löcher in die Bilanzen der Banken reißen würde.

Wie groß ist das Risiko der Banken?

Die Investmentsektion der Bank Barclays hat zusammengestellt, welche Bank noch wie viele Griechenland-Anleihen hält. Neben den Kreditgebern von EZB, Euroländern und IWF stehen griechische Banken dabei ganz vorne. Deutschland hält demnach vor allen Dingen über die Bad Bank der HRE 6,3 Milliarden Euro, die französische Bank BNP hat fünf Milliarden im Portfolio. Eine weitere Rolle spielen die Kreditausfallversicherungen, die Credit Default Swaps (CDS). Die Banken können ihr Engagement in Griechenland hier absichern: Kommt es zu einem Zahlungsausfall, würden die Banken Geld zurückbekommen. Das Risiko eines Zusammenbruchs verlagert sich dann aber auf die CDS-Emittenten. Obwohl US-Banken fast keine griechischen Anleihen halten, könnte sich die Krise so auch über den Atlantik ausbreiten, berichtet die New York Times.

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