EU-Finanzminister in Dublin:Appetit auf das Geld der Steuerflüchtlinge

Die EU-Finanzminister machen ernst mit ihrem Kampf gegen Steueroasen. Deutschland und die anderen "Großen" schmieden auf dem Ministertreffen in Dublin eine Allianz. Sie wollen endlich alle Einkünfte aus den betroffenen Ländern besteuern. Die nächsten Staaten im Fokus heißen: Schweiz, Monaco, Andorra, San Marino.

Von Cerstin Gammelin, Dublin

Die andauernde Krise zwingt die Regierungen zum Handeln. In ihrem Bemühen, die klammen Haushalte zu sanieren, ringen sie sich langsam dazu durch, sich das Geld von Steuerflüchtlingen zu holen.

"Der überraschende Appetit der europäischen Finanzminister, Steuerflucht zu bekämpfen, ist extrem erfreulich", fasste EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta am Samstag in Dublin die zweitägigen Beratungen der Minister zusammen. Es gebe "ein starkes Momentum", so schnell wie möglich die Steuerbasis zu verbreitern, Informationen über ausländische Bankkunden europaweit grundsätzlich automatisch auszutauschen und entsprechende Abkommen mit Drittstaaten zu verhandeln. Zudem sollen internationale Vereinbarungen zur Bekämpfung von Geldwäsche um Paragrafen zur Steuerhinterziehung erweitert werden. "Bisher verlieren wir durch Steuerflucht jährlich 1000 Milliarden Euro, das muss sich ändern", sagte der Kommissar.

Unmittelbar vor dem Treffen der Finanzminister in Dublin hatten die fünf größten EU-Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien in einem gemeinsamen Brief erklärt, so schnell wie möglich untereinander den automatischen Austausch von Informationen über jegliche Einkünfte ausländischer Bankkunden der betreffenden Länder einzuführen.

Bisher ist über die europäische Zinsrichtlinie lediglich der automatische Austausch von Zinserträgen vorgesehen. Dieser Austausch soll jetzt erweitert werden, auf Einkommen aus Investmentfonds und anderen Finanzvehikel sowie auf persönliche Einkommen wie Gehälter, Pensionen, Entschädigungen, Mieteinnahmen und Lebensversicherungen. Auch für jegliche Kapitaleinkünfte wie Dividenden, Veräußerungsgewinne oder Lizenzgebühren soll das gelten. Die Europäische Kommission hatte diese Ausdehnung der Steuerbasis in drei Stufen von 2013 über 2015 bis 2017 bereits im vergangenen Jahr vorgeschlagen, allerdings blockierten vor allem Luxemburg und Österreich bisher die Annahme des Vorschlags.

Diese Blockade dürfte spätestens in zwei Jahren überwunden sein. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker kündigte vergangene Woche an, von 2015 an automatisch Informationen über Zinseinkünfte von ausländischen Bankkunden weiterleiten zu lassen.

Auch in Österreich habe ein Umdenken eingesetzt, sagte Steuerkommissar Semeta: "Finanzministerin Fekter war nicht gegen unsere Vorschläge, das ist schon ein positives Signal." Das Pilotprojekt der fünf großen Länder, zunächst untereinander Informationen über die Einkünfte ausländischer Bankkunden auszutauschen, soll helfen, den Prozess zu beschleunigen.

Auf dem Treffen in Dublin schlossen sich vier weitere Länder - Polen, Belgien, Rumänien und die Niederlande - dem Vorstoß an. Wann genau sie damit beginnen wollen, blieb in Dublin aber offen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte, man müsse zunächst "einige technische Vorarbeiten" erledigen. Beispielsweise müssten die Finanzbehörden miteinander vernetzt werden, und in Deutschland sei das Ländersache. Schäuble gab sich zuversichtlich, "relativ zügig" die Erweiterung der Zinsrichtlinie durchzusetzen.

Zudem soll die Europäische Kommission "ein starkes Mandat" bekommen, ähnliche Steuerabkommen mit Drittländern wie der Schweiz, Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino auszuhandeln. Angestrebt wird ebenfalls ein erweiterter automatischer Datenaustausch. Um dieses Mandat zu erteilen, müssten sich allerdings alle 27 europäischen Länder einig sein. Das ist bisher nicht gelungen.

Steuerkommissar Semeta äußerte sich auch zu diesem Thema zuversichtlich. "Ich sehe klaren Spielraum für ein Mandat", sagte er - und verwies auf den für den 22. Mai geplanten EU-Gipfel in Brüssel. Er erwarte "eine starke Verpflichtung", um den automatischen Datenaustausch als "globalen Standard" durchzusetzen.

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