EU-Beschluss zum Informationsaustausch:Ruhe in Frieden, Bankgeheimnis

Tresor

Was ist da drin und vor allem: Wem gehört es? Europa will es ganz genau wissen.

(Foto: REUTERS)

Die Italiener haben es erfunden, der Alte Fritz perfektionierte es, die Schweiz und andere verdienten damit viel Geld: Jahrhundertelang gedieh das Bankgeheimnis prächtig. Jetzt wird es abgeschafft. Ein Nachruf.

Von Marc Beise

"Wir verbieten bey unserer Königlichen Ungnade allen und jenen, nachzuforschen, wie viel ein anderer auf seinem Folium zu gute habe." (Friedrich d. Gr., 1765)

Klappe zu, Affe tot, Bankgeheimnis vorbei. So kann man die Nachricht aus Brüssel lesen, dass es am Donnerstagabend eine Einigung über ein lückenloses Informationssystem über Zinserträge in der Union gegeben hat.

Zuletzt hatte nur noch Luxemburg hinhaltenden Widerstand geleistet, Österreich war schon vergangene Woche eingeknickt, und alle anderen waren sich ohnehin einig. Auch kritische Nicht-EU-Staaten wie die Schweiz und Liechtenstein werden in den kommenden Monaten einbezogen, es gibt keinen Weg zurück, man kann sagen: Die große Einigung ist da - nach 18 Jahren Verhandlungen, was für eine Nachricht!

Der Alte Fritz und das Geld

18 Jahre? Was ist das schon gegen die vielen Hundert Jahre, die das Bankgeheimnis blühte und gedieh, und gar nicht im Verborgenen oder aus Versehen? Der Schutz der Kunden und damit der Bank ist ein altes Anliegen von Herrschern aus vordemokratischer Zeit. Auf deutschem Boden war es Preußenkönig Friedrich der Große, der Alte Fritz, der für die 1765 gegründete Königliche Giro und Lehn-Banco ein "Reglement" verfasste, mit dem er "bey unserer Königlichen Ungnade allen und jenen" verbot "nachzuforschen, wie viel ein anderer auf sein Folium zu gute habe".

Auch sollte "niemand von denen Bancoschreibern sich unterstehen, solches zu offenbaren, weder durch Worte, Zeichen oder Schrift bey denen Strafen, die meyneidige zu erwarten haben. Zu dem Ende sollen sie schwören, daß alle die Geschäfte, die sie als Bedienstete der Banco unter Händen haben werden, als das größte Geheimnis mit in die Grube nehmen werden".

Der Grund für dieses erzwungene Schweigegelübde war derselbe, der bis heute für das Bankgeheimnis ins Feld geführt wird. Geld ist, wie man so sagt, "ein scheues Reh", es meidet die offene Lichtung und vor allem: Es springt davon, wenn Unheil droht. Am Geld aber hängt die Welt, Geld braucht es für Investition und Wachstum, und wenn also ein Herrscher sein Gebiet voranbringen wollte, dann musste sich das Geld bei ihm sicher fühlen können.

Geld wird bewegt von Menschen

Natürlich ist es nie das Geld selbst, das bleibt oder flüchtet, es wird bewegt von Menschen. Menschen, die damals schon mobil waren und es heute in der globalisierten Welt erst recht sind und die so mehr Schutz genießen vor staatlichem Zugriff, als das Menschen mit anderen Wirtschaftsgütern vergönnt war und ist: Immobilienbesitzer, Fabrikanten, Arbeitnehmer.

Die Geld-Menschen und ihre Intima zu schützen, war das Anliegen des Alten Fritz, war das Anliegen der italienischen Stadtstaaten, wo die ersten Bankhäuser entstanden, und ist das Anliegen von Staaten bis heute. Es ist die Lebensversicherung der Vermögenden: Sie haben ein Gut, das begehrt ist und zu dessen Schutz der Zweck die staatlichen Mittel heiligt. So sind sie durch die Zeit gekommen, lange unauffällig, manchmal beneidet, zunehmend angefeindet. Es konnte ihnen gleichgültig sein.

Aber die Welt hat sich verändert.

Es begann mit der Verschiebung der Machtverhältnisse. Im Fürstenstaat hatte dieser die Kompetenz, finanzstarke Zeitgenossen zu schützen, sie über das Gesetz zu stellen. Im demokratischen Rechtsstaat stehen alle unter Recht und Gesetz. Für Geldgeschäfte heißt das: Es ist zu unterscheiden zwischen legal und illegal. Um illegale Geschäfte zu entdecken, braucht es Information. So fiel das Bankgeheimnis auf nationaler Ebene still und leise und im Wege der Verwaltungsdirektiven.

Das Reh wittert die Gefahr

Natürlich reagierten die Vermögenden, witterte - um im Bild zu bleiben - das Reh die Gefahr. Verstärkt flossen Gelder in Nachbarländer, die bei Bedarf leicht zu erreichen waren. Die Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein, selbst Österreich warben zum Wohle ihres eigenen Geschäftserfolgs mit komfortabler Geheimhaltung. Standortpolitik der besonderen Art, lange ging das gut. Bis auch diese Dämme brachen.

Es begann in Liechtensteins Hauptstadt Vaduz, im Büro des Treuhänders Herbert Badliner. Der verlor 1993 die Hoheit über seine Kundendaten, als ein untreuer Angestellter Hunderte Fälle auf Datenträger brannte. Seitdem werden CDs mit Steuerdaten geklaut und verkauft, und der Staat handelt - hochumstritten - munter mit. Die Technik, die Finanzkrise, die Großwetterlage: Der Druck wuchs, und ein Steuerfluchtland nach dem anderen knickte ein.

Die Kavallerie kann absitzen

Den EU-Staaten geht nach Angaben aus Brüssel jedes Jahr durch Steuerhinterziehung eine Billion Euro verloren. Plötzlich wurde die Steuerehrlichkeit zum Projekt im Wirtschaftsraum Europa. Mancher Bundesfinanzminister hat sich hier versucht, und Peer Steinbrück erreichte eine gewisse Berühmtheit, als er "die Kavallerie" in die widerspenstige Schweiz schicken wollte.

Im Windschatten dieses Ringens machten sich die EU-Staaten Österreich und Luxemburg ganz klein. Schlitzohrig verteidigten sie ihre Sonderrolle, wollten niemanden hinter ihre virtuellen Mauern gucken lassen. Seit 2005 gilt in der EU das Zinssteuergesetz. Die Mitgliedstaaten melden Zinserträge von EU-Ausländern an die Steuerbehörden des Heimatlandes. Österreich und Luxemburg erhoben stattdessen eine anonyme Quellensteuer, bisher.

Nach 18 Jahren und unzähligen Verhandlungsrunden machte die EU am Donnerstag den Sack zu: Künftig tauschen die Steuerbehörden aller 28 Mitgliedstaaten untereinander Informationen über Einkommen aller Art von EU-Ausländern aus.

Schwere Zeiten für Selbstanzeiger

Das deutsche Finanzamt wird also künftig automatisch Daten über Einkünfte erhalten, die ein Deutscher mit einem Konto in einem anderen EU-Land erzielt. Verhandlungen mit den Nicht-EU-Ländern Schweiz, Liechtenstein, Andorra, Monaco und San Marino über ähnliche Vereinbarungen sollen bis Jahresende abgeschlossen sein.

Auch auf internationaler Ebene setzt sich im Kampf gegen Steuerhinterziehung der automatische Informationsaustausch immer weiter durch. 44 Staaten, darunter kritische Karibikstaaten, wollen ab 2017 gegenseitig über Bankkonten ausländischer Kunden informieren.

Am Ende bleibt nur der Strafbonus für den Steuerhinterzieher, den etwa das deutsche Recht kennt. Die strafbefreiende Selbstanzeige, auf die zuletzt spektakulär der Steuerhinterzieher Uli Hoeneß gehofft hatte, ist die kleine Schwester des Bankgeheimnisses. Ungeliebt, aber notwendig - so lange, bis es umfassende Transparenz gibt und keine attraktiven Flugmöglichkeiten mehr, sagen wir: in die Karibik.

Dieser Zeitpunkt ist nun absehbar.

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