EU-Austritt Großbritanniens:Britische Arroganz wird beim Brexit teuer

EU-Austritt Großbritanniens: Großbritanniens Außenminister Boris Johnson in Kenia

Großbritanniens Außenminister Boris Johnson in Kenia

(Foto: AFP)

Die Regierung in London verkauft den Brexit als "perfectly o.k.". Doch Premierministerin May und Außenminister Johnson reden die Risiken klein.

Kommentar von Björn Finke

Der britische Außenminister ist um starke Worte nie verlegen. Verlässt Großbritannien die EU, ohne dass sich beide Seiten auf ein Handelsabkommen geeinigt haben, sei das "perfectly o.k.", sagt Boris Johnson, also absolut in Ordnung. Auch seine Chefin, Premierministerin Theresa May, betont gerne, kein Vertrag sei besser als ein schlechter. Das heißt: Kommt die EU den Briten bei den Verhandlungen über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen nicht entgegen, lässt die Konservative die Gespräche platzen.

Sehr bald schon wird sich zeigen, wie ernst solche markigen Aussprüche gemeint sind. Am Mittwoch unterrichtet May Brüssel offiziell über den Austrittswunsch des Königreichs. Dann beginnen zweijährige Verhandlungen über die Bedingungen der Trennung und über ein Handelsabkommen für die Zeit nach dem Brexit. 2019 sind die Briten draußen.

Die Briten haben viel zu verlieren bei den Verhandlungen mit der EU

Mays und Johnsons selbstbewusste Worte ändern nichts daran, dass britische Firmen und Banken auf möglichst ungehinderte Geschäfte mit dem Festland angewiesen sind. Würde der Brexit den Handel deutlich erschweren, würden Zölle eingeführt, wäre das misslich für viele Unternehmen in EU-Staaten und besonders für die Exportnation Deutschland. Doch für Großbritanniens Wirtschaft wären solche Handelshemmnisse schlicht eine Katastrophe. Johnsons fröhliche Behauptung, so ein rabiater Brexit sei absolut in Ordnung, ist absoluter Blödsinn, ein Witz. Aber es ist ein Witz, über den Manager im Königreich nicht lachen können.

Für die Unternehmer Ihrer Majestät sind die EU-Staaten der mit Abstand wichtigste Exportmarkt. In diese Länder gehen 44 Prozent ihrer Ausfuhren. Umgekehrt steht Großbritannien nur für acht Prozent der Exporte von Firmen aus der übrigen EU. Sowohl die britische Regierung als auch die Regierungen der anderen Mitgliedstaaten haben ein Interesse daran, dass Geschäfte über den Ärmelkanal weiter problemlos möglich sind. Allerdings hat Großbritannien bei diesem Verhandlungspoker viel mehr zu verlieren. Johnson und May wissen natürlich, wie die Trümpfe verteilt sind. Ihre kühnen Aussagen sind der Versuch, mit einem schlechten Blatt zu bluffen.

Ein Freihandelsabkommen würde verhindern, dass Zölle eingeführt werden. Einigen sich London und Brüssel nicht auf so einen Vertrag, werden Exporte nach dem Brexit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO unterliegen. Die sehen zum Beispiel Zölle von zehn Prozent auf Autos vor. Das wäre unangenehm für deutsche Hersteller, weil diese viele Fahrzeuge ins Königreich ausführen. Für die boomende britische Autoindustrie wäre das aber nicht nur unangenehm, sondern ein Desaster. Dreiviertel der Produktion wird exportiert, mehr als die Hälfte der Zulieferteile importiert. Zölle und langwierige Kontrollen an den Grenzen schaden der Wettbewerbsfähigkeit der Fabriken im Königreich. Müssen internationale Konzerne wie Nissan oder BMW entscheiden, welches Werk ein neues Modell bauen darf, werden die britischen Standorte im Zweifel den Kürzeren ziehen, wenn kein Freihandelsabkommen existiert.

Der Zeitplan ist unrealistisch

Und es ist gut möglich, dass die Gespräche mit der EU scheitern. Scheidungsverhandlungen können hässlich werden. So verlangt Brüssel eine Ausgleichszahlung von bis zu 60 Milliarden Euro von Großbritannien. Der EU-feindliche Flügel von Mays Konservativer Partei will, dass die Regierung dieses Ansinnen brüsk zurückweist. Doch ohne eine Einigung in dieser Frage gibt es keinen Handelsvertrag.

Zudem ist der Zeitplan unrealistisch. In einigen Mitgliedstaaten müssten die Parlamente einem Freihandelsabkommen zustimmen. Soll der Vertrag 2019 in Kraft treten, müssen die Gespräche daher bis zum Herbst 2018 abgeschlossen sein, also in anderthalb Jahren. Kanada und die EU brauchten allerdings sieben Jahre für ihren Handelsvertrag. Wirtschaftsvertreter in Großbritannien drängen deswegen dazu, dass sich London und Brüssel zunächst auf eine Übergangsregelung verständigen. Sie fordern eine rasche Zusicherung, dass sich für Banken und Unternehmen auch 2019 nicht viel ändern wird, solange die Gespräche über das endgültige Handelsabkommen andauern. Außerdem sollten alle Änderungen langsam und in mehreren Schritten erfolgen.

Eine solche Garantie wäre sinnvoll. Sie würde die Auswirkungen des Brexit für Firmen auf der Insel und auf dem Festland mildern. Aber der britische Brexit-Minister David Davis verkündet, er halte nichts von der Idee. Er würde so etwas höchstens erwägen, um nett zur EU zu sein, sagt der Politiker gönnerhaft.

Für die Großspurigkeit und Arroganz ihrer Regierung könnte die britische Wirtschaft am Ende teuer bezahlen.

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