Essen:10 000 Tonnen gefälschte Lebensmittel - und nichts davon in Deutschland?

Bundeskartellamt zu Lebensmittelhandel

Verbraucherschützer befürchten, dass sich auch hierzulande Fälschungen in den Supermarktregalen befinden könnten.

(Foto: dpa)
  • Weltweit sind bei einer Aktion gegen Lebensmittelfälschung mehr als 10 000 Tonnen und eine Million Liter falscher Lebensmittel entdeckt worden.
  • Nichts davon wurde in Deutschland gefunden, aber das ist kein Wunder: Hierzulande wurden nur die Lieferketten von japanischem Fisch überprüft.
  • Verbraucherschützer fürchten, dass auch hierzulande Fälschungen in den Supermarktregalen stehen könnten.

Von Vivien Timmler

Sie sehen aus wie Oliven, sie schmecken wie Oliven, es sind auch tatsächlich welche - nur verzehren sollte man sie besser nicht: In Italien haben Ermittler 85 Tonnen gesundheitsschädliche Oliven sichergestellt. Sie waren mit einer Kupfer-Sulfat-Lösung bearbeitet, beziehungsweise "gefärbt". Diese verleiht den Früchten eine gleichmäßig grüne Farbe und lässt alte oder verdorbene Oliven frisch erscheinen.

In Bolivien entdeckten Fahnder Tausende Dosen falsch deklarierte Sardinen, in Ungarn mehr als zwei Tonnen Entenfleisch, das als Gänseleber verkauft werden sollte, und im Sudan fast neun Tonnen mit Kunstdünger gestreckten Zucker.

Deutsche Behörden untersuchten nur asiatischen Fisch

Die Liste ließe sich noch lange fortführen: Insgesamt haben Polizeibehörden aus 57 Nationen zwischen November 2015 und Februar 2016 mehr als 10 000 Tonnen und eine Million Liter gefälschte Lebensmittel entdeckt. Die Ermittlungen fanden im Rahmen der Aktion gegen Lebensmittelfälschung "Operation Opson V" statt, die von den internationalen Sicherheitsbehörden Europol und Interpol koordiniert wird. Erstmals haben sich auch deutsche Polizeibehörden daran beteiligt.

Allerdings seien in Deutschland keine gefälschten oder falsch deklarierten Lebensmittel gefunden worden, sagte ein Sprecher des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Das liegt aber auch am Zuschnitt der Untersuchung: Die deutschen Ermittlungen konzentrierten sich lediglich auf aus Asien importierten Fisch wie den "Red Snapper" oder den Japanischen Aal. Andere Lebensmittel wurden im Rahmen der Aktion nicht überprüft. Die Auswahl hatten die internationalen Sicherheitsbehörden den jeweiligen Ländern überlassen, auch die Teilnahme an der Operation war freiwillig.

Kontrollen in Deutschland sind gut, aber umgehbar

Dass in Deutschland keine gefälschten Lebensmittel gefunden wurden, bedeute daher nicht, dass es sie nicht gebe. "Das europäische Überwachungssystem ist zwar gut, aber gerade die Hersteller müssen die Eingangskontrollen weiter verschärfen", sagt Daniela Grehl von der Verbraucherzentrale Bayern. Außerdem fänden die Kontrollen nur stichprobenartig statt, wirklich ausgeschlossen werden könnten Fälschungen hierzulande deshalb nicht.

Die Meldung mehrerer Medien, dass der gestreckte Zucker aus dem Sudan auch in Deutschland als klassicher Haushaltszucker in den Regalen stehe, hält sie jedoch für unwahrscheinlich, da in Deutschland teilen drei große Betriebe die Zuckerproduktion untereinander aufteilen: Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen. Bei verarbeitetem Zucker ist die Gefahr jedoch ungleich höher. "Gerade in der Backindustrie ist es schwer nachzuvollziehen, woher die verarbeiteten Zutaten stammen", so Grehl. Süßwarenproduzenten und Getränkehersteller beziehen beispielsweise über 15 Prozent ihres benötigten Zuckers aus Schwellen- und Entwicklungsländern - der Sudan ist eins davon.

Lebensmittelströme sind kaum noch nachzuvollziehen

Die weltweite Verzweigung der Lebensmittelströme erschwert es Ermittlern zudem, die kriminellen Organisationen hinter den Fälschungen aufzudecken. "Es handelt sich fast nie um Einzeltäter, sondern um organisierte Banden", bestätigt eine Sprecherin von Europol. Die Fälschung oder falsche Kennzeichnung von Lebensmitteln sei für sie besonders lukrativ, da die Herkunftskette schwer nachzuvollziehen sei und die Sanktionen extrem gering ausfielen.

Ermittlungen zur Lebensmittelsicherheit werden sich deshalb voraussichtlich immer weiter von der regionalen und nationalen auf die internationale Ebene verlagern. Das bestehende EU-Schnellwarnsystem sei auf europäischer Ebene momentan der wichtigste Hebel, sagt Isabelle Mühleisen von der Verbraucherzentrale NRW. Sie warnt jedoch davor, sich in Deutschland zu sicher zu fühlen. "Fälschungen können alle Länder und alle Arten von Lebensmitteln betreffen", so Mühleisen. Das habe bereits der Pferdefleischskandal deutlich gezeigt. Nur weil die gefärbten Oliven, das Affenfleisch und die falsch deklarierten Innereien in anderen Ländern gefunden wurden, sei nicht ausgeschlossen, dass auch Deutschland betroffen sei. "Was einmal im Markt ist, zirkuliert", so Mühleisen, "deshalb müssen die betroffenen Produkte in Zukunft noch genauer beobachtet werden."

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