Ersatzteile und Schmuck:Schicht für Schicht

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Objekte wie diesen mit Swarovski-Steinen besetzten Käfer fertigt die Berliner Firma Stilnest mit 3-D-Druckern. (Foto: oh)

Zwei Gründer aus Baden-Württemberg produzieren mit ihren 3-D-Druckern verschiedene Teile für Autos und Maschinen. Zu den Kunden der beiden Start-up-Unternehmer gehört aber auch eine Berliner Schmuckfirma.

Von Elisabeth Dostert, Berlin/Ötisheim

Julian Leitloff, 25, trägt keinen Schmuck. Er trägt noch nicht einmal eine Armbanduhr. "So exzentrisch bin ich nicht", sagt Leitloff. Er ist 25 Jahre alt, ein "Digital Native", ein Eingeborener des digitalen Zeitalters. Seine Uhr ist das Smartphone. Leitloff ist Mitgründer und Vorstandschef der Berliner Firma Stilnest. Der Name allein sagt nicht allzu viel aus über das Geschäft des Start-ups. Schon eher der Zusatz: Verlagshaus für Designschmuck. "Ich fand es spannend, so einen alten Begriff neu aufzuladen", sagt Leitloff. Seit 2013 "verlegt" Stilnest nun also die Ideen und Entwürfe von Designern und vertreibt den Schmuck online im eigenen Shop und über Händler. Auch Marina Hörmanseder, bei der auch der amerikanische Megastar Lady Gaga bestellt, und die Youtuberin Nilam Farooq entwerfen Schmuckstücke für Stilnest.

Vor ein paar Monaten hat Stilnest die Räume im Piano Forte Hof in Berlin bezogen. Es ist eines dieser alten Fabrikgebäude aus Backstein, die junge Unternehmer so lieben, als ob sie eine Verbindung zum alten Gründergeist suchen würden. Die Ringe, Ketten und Armreife, die Leitloff in Berlin zeigt, sind real, anfassbar. Aber nicht alles, was im Onlineshop zu sehen ist, ist auch schon produziert. "Manche Stücke sind nur gerendert", sagt Leitloff, es gibt von ihnen also nur eine Art perfekter Animation. "Produziert werden diese Stücke nur, wenn sie jemand kauft", erzählt der Vorstandschef. Die Objekte sind aus Gold, Silber - oder auch aus Polyamid wie die Kette Hütchenspiel #2 der Berliner Designerin Emilia Becker. Die Kette ist gedruckt.

Zwischen digitaler und analoger Welt gibt es viele Berührungspunkte

"Wir haben lange nach einem Partner gesucht, der die passende Qualität liefert. Der ein oder andere hat uns sicher auch bei den Prototypen abgezockt", sagt Leitloff. Irgendwann sind sie dann in Ötisheim und bei Frank Hasenauer und Hans-Jörg Hesser gelandet. Der Ort liegt etwa zehn Minuten von Pforzheim entfernt. In der alten Goldstadt lässt Stilnest die Objekte herstellen, die aus Edelmetall gefertigt werden. "Das ist Old School", sagt Leitloff. Es gibt viele Berührungspunkte zwischen digitaler und analoger Welt.

Wenn Stilnest neue Schule ist und Goldschmieden alte Schule, dann ist Hasenauer & Hesser ein Hybrid. Die Firma ist knapp ein Jahrzehnt älter als Stilnest. Die beiden Gründer haben Maschinenbau studiert. "Die Konstruktion von Maschinen und Anlagen hat uns irgendwann nicht mehr genügt", sagt Hesser, 45. "Wir wollten etwas produzieren." Auf einer Fachmesse entdeckte er vor zehn Jahren die 3-D-Drucker der Firma EOS. Die Ingenieure liehen sich Geld von der Bank und kauften einen solchen Drucker. Die Firma gehört ihnen. Stilnest gehört den sechs Gründern und einer Vielzahl von Investoren, darunter der Versandhändler Klingel und die Beteiligungsgesellschaft der Investitionsbank Berlin. Altes Geld finanziert Neues. Hasenauer & Hesser produzieren viel mehr als Schmuck. Ein 3-D-Drucker fertigt Teile für Autos, Flugzeuge und Maschinen, Brillenfassungen oder auch mal Mundstücke für Blasinstrumente.

Genauso wie ein Papierdrucker, benötigt ein 3-D-Drucker eine Datei. Sie enthält alle Angaben über das dreidimensionale Produkt. Im Falle von Stilnest liefern erst die Designer ihre Dateien, manchmal auch Entwürfe, an das Berliner Start-up, dessen IT-Spezialisten dann das Modell in eine druckfähige Fassung bringen. Erst dann geht die Datei an Hesser. In Ötisheim wird das Modell digital in sehr dünne Schichten zerlegt, denn gedruckt wird Schicht für Schicht, eine jede ist etwa ein Zehntel Millimeter dick. "Das Verfahren eignet sich für Prototypen und geringe Stückzahlen", sagt Hesser: "Überall da, wo die Herstellung eines Werkzeuges für den Spritzguss zu teuer käme".

Ihren ersten Drucker nahmen die beiden Maschinenbau-Ingenieure im Herbst 2008 in Betrieb, mittlerweile sind es sechs. "Damals waren 3-D-Drucker wie eine Maschine zum Gelddrucken. Die Auftraggeber fragten gar nicht, was es kostet", erzählt Hesser. Mittlerweile sei die Konkurrenz größer. Dennoch geht es der jungen Firma gut. Im vergangenen Jahr setzten Hasenauer & Hesser mit 25 Mitarbeitern 3,5 Millionen Euro um und erwirtschaftete eine zweistellige Rendite nach Steuern.

"Drucken lässt sich fast alles", sagt Hesser: Besonders in den USA sei die Maker-Philosophie schon weiter. "Da gibt es Zentren, in denen sich Menschen treffen, um Produkte zu drucken. Und Hausgeräte-Hersteller mailen die Konstruktionspläne für Ersatzteile, die sich die Kunden dann selbst drucken."

Bei gedrucktem Schmuck will es auch die Berliner Firma Stilnest nicht belassen. "Wir können uns noch sehr viel mehr vorstellen", sagt Leitloff: "Alles, was sich gut individualisieren lässt. Lampenschirme, zum Beispiel, für einen Standard-Ständer aus der Massenproduktion. Oder Möbel." Im vergangenen Jahr setzte Stilnest mit zwölf Mitarbeitern bereits 80 000 Euro um, doch das könnte erst der Anfang sein. "So viel haben wir allein im letzten Monat umgesetzt."

Das Maß für die Geschäfte ist eine Kuckucksuhr. Sie hängt im Büro in Berlin. Drei Designer haben an dem Modell gearbeitet, und Hasenauer & Hesser haben es gedruckt. Die Kuckucksuhr misst nicht die Zeit. In ihrem Gehäuse ist ein kleines Zählwerk versteckt, das aussieht wie ein Stromzähler. Immer dann, wenn ein Tweet mit dem Hashtag Stilnest läuft, jemand die Firma auf Facebook liked oder eine neue Bestellung für Schmuck eingeht, verlässt der rote gedruckte Kuckuck sein kunstvoll gedrucktes cremefarbenes Haus.

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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