Ernährung:Aus Freude am Garen

Warum der BMW-Konzern beim Thema Kantine und Essen mit dem Sternekoch Eckart Witzigmann zusammenarbeitet.

Von Franz Kotteder

"Dem Inschenör ist nichts zu schwör", weiß man seit Daniel Düsentrieb. Was den Ingenieuren im BMW-Forschungs- und Innovationszentrum trotzdem schwerfallen dürfte, ist die Wahl des Mittagessens. Seit Anfang Juni läuft in ihrem Casino nämlich ein Pilotprojekt mit Gerichten auf einem Qualitätsniveau, wie man es bisher bei einem Großunternehmen für unmöglich hielt, schon wegen der Mengen. Die Zutaten für die Mahlzeiten, so lauten die Bedingungen für das Pilotprojekt, müssen aus der Region kommen, der Jahreszeit entsprechen, entweder den Prinzipien der artgerechten Tierhaltung oder der bestandserhaltenden Fischerei folgen und obendrein ökologisch (im Sinne der EU-Verordnung) erzeugt worden sein. Diese Gerichte sind zwischen 25 und 30 Prozent teurer als die herkömmlichen, und es gibt sie auch nur an einer der zehn Kücheninseln des Casinos. "Aber sie werden bereits deutlich besser angenommen, als wir erwartet haben", sagt Martin Straubinger, Chef aller 41 deutschsprachigen BMW-Betriebsrestaurants. "Von den täglich 10 000 Essen im Forschungszentrum verkaufen wir jetzt immerhin 800 bis 900 aus dem Pilotprojekt."

Normalerweise sieht das anders aus. Currywurst, Schnitzel mit Pommes und Spaghetti Bolognese - das sind die drei Klassiker, die Deutschlands Arbeitnehmer seit Jahrzehnten glücklich machen. Sie sind die beliebtesten in den Kantinen, wenngleich nicht die gesündesten. Aber sie stehen dort - und fast überall da, wo es sonst noch Gemeinschaftsverpflegung gibt - oft auf der Speisekarte, denn sie sind einfach zu kochen und lassen sich zu einem vertretbaren Preis auf den Tisch bringen. Womit schon mal geklärt wäre, welches magische Dreieck das Angebot in den Betriebsrestaurants landauf, landab bestimmt: niedrige Kosten, rationales Arbeiten und eine befriedigende Nachfrage. Denn auch wenn zu des Deutschen liebsten Hobbys neben dem Nachbarschaftsstreit und dem Reservieren von Strandliegen mittels Handtüchern ebenso das Jammern übers Kantinenessen zählen mag: Wenn mittags der Hunger kommt, treibt es doch wieder jeden hin.

Freilich haben viele Unternehmen inzwischen gemerkt, dass die Ernährung ihrer Mitarbeiter mehr als ein Kostenfaktor ist - beziehungsweise, dass einem Unternehmen die Wurstigkeit in Verpflegungsfragen teuer zu stehen kommen kann. "In den Führungsetagen ist die Erkenntnis angekommen, dass Leistungsfähigkeit und Ernährung zusammengehören", sagt die Professorin Nicole Graf, "auch was die Vermeidung von Erkrankungen angeht, die eine Firma auf lange Sicht sehr teuer kommen können." Die Rektorin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn hat an ihrer Uni den bundesweit einzigartigen Studiengang Foodmanagement gestartet, bei dem die Wissenschaftler mit insgesamt 200 Partnern aus der Wirtschaft zusammenarbeiten. Gemeinschaftsverpflegung sei "nicht nur ein rein ethisches Thema, es ist auch ein betriebswirtschaftliches", sagt Graf.

BMW Zentrale in München, 2013

Es darf auch ein bisschen teurer sein: Blick in die Kantine der BMW-Hauptverwaltung in München.

(Foto: Florian Peljak)

Das sieht man auch bei BMW so. Der Münchner Autobauer leistet sich nicht ohne Grund noch eine eigene Betriebsgastronomie, in den meisten Unternehmen ist sie längst fremdvergeben. Finanzvorstand Friedrich Eichiner ist durch die Zusammenarbeit des Unternehmens mit dem berühmten Drei-Sterne-Koch Eckart Witzigmann auf das Problem erst so richtig aufmerksam geworden. Seitdem befördert er im Hause den Trend zur gesünderen Ernährung: "Die Qualität des Essens ist ein wichtiger Faktor für die Leistungsfähigkeit, keine Frage."

BMW sponsert seit 2012 den nach Witzigmann benannten Kulinarik-Preis "Eckart", bei dem vor allem internationale Kochkünstler ausgezeichnet werden. Ergänzend dazu veranstaltet eine eigene "Witzigmann Academy" ein Symposium, in dem es oft um Fragen der Gemeinschaftsverpflegung geht. "Die muss gut schmecken", sagt Witzigmann, "ausgewogen, gesund und bezahlbar sein. Und in der idealen Welt dann auch noch biologisch und artgerecht erzeugt." In der realen Welt stößt man da an Grenzen, auch wenn sich Martin Straubinger für sein Pilotprojekt inzwischen ein Netz von nicht weniger als 130 großen und kleinen Lieferanten aus dem Alpenraum geknüpft hat. "Nur biologisch erzeugtes Fleisch für das gesamte Unternehmen wäre aber nicht drin", sagt er, "abgesehen vom Preis kriegen wir das in den erforderlichen Mengen von 47 000 Essen pro Tag gar nicht her."

Die Kooperation mit Eckart Witzigmann und dem Münchner Gastro-Berater Otto Geisel, der die Witzigmann Academy leitet, geht noch weiter. Zum Beispiel wurde zusammen mit den Auszubildenden eine eigene App entwickelt mit Rezepten und genauen Kochanleitungen Eckart Witzigmanns, die sehr gut angenommen wird. In allen Kantinen der deutschen und österreichischen Betriebe führte Straubinger schon vor Jahren eine "Ernährungsampel" ein: Drei unterschiedliche Farben geben Auskunft über Fett- und Salzgehalt der Speisen. "Über alle Standorte hinweg haben wir dadurch etwa 35 Prozent unserer Arbeitnehmer zu einem anderen Essverhalten angeregt", sagt Straubinger, "Currywurst und Schweinsbraten werden deutlich weniger nachgefragt."

Überhaupt ist in der Belegschaft das Bewusstsein für gesunde Ernährung gewachsen, was eine wichtige Voraussetzung für das Pilotprojekt war. 75 Prozent der Beschäftigten im Forschungs- und Innovationszentrum zeigten sich nach einer firmeninternen Umfrage bereit, mehr als 25 Prozent Preisaufschlag für bessere und gesündere Kantinenkost zu akzeptieren. Das liegt sicher auch daran, dass Ingenieure besser verdienen als Fließbandarbeiter. Aber einen gewissen allgemeinen Trend zeigt es doch auf.

Und bessere Kost hilft BMW durchaus auch dabei, gute Mitarbeiter länger ans Haus zu binden. "Eine Kantine gehört heute längst zum Employer Branding", meint die Rektorin Graf, "wie sehr sich ein Unternehmen um seine Mitarbeiter kümmert, spielt eine immer größere Rolle bei der Wahl des Arbeitsplatzes."

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