Ermittlungen gegen KPMG-Chef:Insider-Tipps gegen Rolex, Bruce Springsteen und 50.000 Dollar

Ex-KPMG-Chef Scott London (links) erhält einen Umschlag mit 5000 Dollar von Bryan Shaw.

Unter den Augen des FBI: Ex-KPMG-Chef Scott London (links) erhält einen Umschlag mit 5000 Dollar von Bryan Shaw.

(Foto: FBI)

Der Juwelenhändler und ein Partner des Wirtschaftsprüfers KPMG: Sie kennen sich aus dem Country Club, spielen Golf und tauschen geheime Informationen gegen Geldtüten. Ein florierendes Geschäft - bis US-Börsenaufsicht und FBI den beiden auf die Spur kommen.

Von Nikolaus Piper, New York

Es begann im Oktober 2005 ganz harmlos in Encino, einem reichen Vorort von Los Angeles. Bryan Shaw, Inhaber eines kleinen Juwelenladens, wurde Mitglied im Country Club, in dem sich die Hautevolee der Gegend traf. Zu den Mitgliedern gehörte auch Scott London, verantwortlicher Partner bei dem großen Wirtschaftsprüfer KPMG. Der 50-jährige London war nicht irgendwer - er arbeitete seit 29 Jahren für KPMG und war verantwortlich für insgesamt 500 Mitarbeiter und 50 Kundenunternehmen. Der ärmere Shaw und der reichere London freundeten sich an, die Familien trafen sich und spielten Golf zusammen.

Dann kam die Finanzkrise, und Shaws Juwelengeschäft musste ums Überleben kämpfen. Scott London beschloss, seinem Freund mit ein paar Insider-Tipps über fünf interessante Kundenfirmen zu helfen. Dadurch, dass er auf diese Weise wichtige Firmeninformationen immer vor dem Rest des Marktes hatte, machte Shaw insgesamt 1,2 Millionen Dollar an illegalen Aktiengewinnen, so stellte die amerikanische Börsenaufsicht SEC fest.

Die SEC war dem Insiderskandal im Spätherbst vergangenen Jahres auf die Spur gekommen und wird jetzt Zivilklage sowohl gegen London als auch gegen Shaw erheben. Möglicherweise folgt auch noch ein Strafverfahren, das London für bis zu fünf Jahre ins Gefängnis bringen könnte.

Der Insiderfall ist größer als zunächst gedacht

"Als Chef einer führenden Prüfungsgesellschaft verletzte London durch sein Verhalten auf empörende Weise seine ethischen und professionellen Pflichten", erklärte Michele Wein Layne, die Regionalchefin der SEC in Los Angeles. John Veihmeyer, Chef von Verwaltungsrat und Vorstand bei KPMG, versicherte, das Unternehmen werde seinen ehemaligen Mitarbeiter ebenfalls verklagen. Scott Londons Arbeitsvertrag hat KPMG bereits suspendiert.

Den Veröffentlichungen der SEC zufolge, ist der Insiderfall wesentlich größer als zunächst gedacht. Es geht nicht nur um ein paar Gefälligkeiten unter Freunden, sondern um ein mehrjähriges, systematisches Betrugsschema mit den Aktien von fünf, und nicht nur von zwei Unternehmen, wie London selbst einmal in einem Interview des Wall Street Journals behauptet hatte.

London ließ Shaw Presseerklärungen über die Finanzergebnisse der Kundenfirmen zukommen - drei Tage, ehe diese veröffentlicht wurden. Mindestens zwölf Mal nutzte Shaw diese Tipps für Aktiengeschäfte. Shaw zeigte sich gegenüber London mit Zahlungen von insgesamt 50.000 Dollar erkenntlich; das Geld wurde in Tüten auf einem Parkplatz übergeben. Zu den Geschenken sollen auch eine Rolex-Uhr im Wert von 12.000 Dollar und Eintrittskarten für ein Konzert von Bruce Springsteen gehört haben.

FBI-Agenten waren dabei, als Shaw Geld übergab

Als die Behörden das Schema entdeckten, brachten sie Shaw schließlich dazu, mit ihnen zu kooperieren. Dessen weitere Gespräche mit Scott London wurden nun von der Bundespolizei FBI aufgezeichnet, FBI-Agenten waren auch dabei, als Shaw wieder einmal eine Geldtüte an seinen Bekannten London übergab. Am 20. März stellte das FBI London in seiner Wohnung in Agoura Hills bei Los Angeles. Der Fall zeigt auch, wie aggressiv die amerikanischen Behörden mittlerweile gegen alle Formen von Insiderhandel vorgehen. Abhöraktionen sind heute Standard.

Zu den Kunden, deren Daten London an Shaw weiter gab, gehörte auch Herbalife, ein Hersteller von Diätmitteln aus Los Angeles. Bei Herbalife waren immer extreme Kursausschläge zu erwarten: Die börsennotierte Firma ist Gegenstand eines erbitterten Kampfes zwischen zwei einflussreichen Hedgefonds-Managern: William Ackman von Pershing Square Management bezeichnete Herbalife als "inhärent betrügerisches" Unternehmen und wettete auf den Verfall des Aktienkurses. Der Firmenjäger Carl Icahn hält einen größeren Anteil an Herbalife und setzt auf dessen langfristigen Erfolg. KPMG hat inzwischen die Prüfmandate von Herbalife zurückgegeben. "Wir haben (aber) keinen Grund zur Annahme, dass es in den Finanzberichten dieser Firmen wesentliche Fehler gibt", erklärte KPMG jedoch vorsorglich.

Möglicherweise wird der Fall zu schärferen Gesetzen führen

Möglicherweise wird der Fall auch noch zu schärferen Gesetzen führen. Bisher wird in amerikanischen Geschäftsberichten verschwiegen, welcher Partner einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft genau die Bücher geprüft hat. Als Konsequenz aus der Finanzkrise drängen die zuständigen Regulierungsbehörden seit zwei Jahren auf ein neues Gesetz, das diese Anonymität beendet. Bisher hatte sich die Branche dagegen gewehrt, weil die Firmen zusätzliche rechtliche Risiken fürchten. Der jüngste Fall dürfte nun den Befürwortern klarerer Regeln die richtigen Argumente liefern.

In Deutschland müssen, wie in den meisten anderen Ländern Europas, Prüfberichte mindestens durch den direkt Verantwortlichen Prüfer persönlich unterzeichnet werden.

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