Erfolgreicher Gründer:Finn macht's einfach

Finn Plotz

Finn Plotz passt nicht recht in das Bild, das sich viele von der Jugend machen. Er geht aufs Ganze und weiß, was nötig ist, um erfolgreich zu sein.

(Foto: Charlotte Schreiber/brandeins)
  • In Deutschland, heißt es immer, es fehle an Ideen und dem Mut, daraus ein Geschäft zu machen.
  • Dass es sehr wohl klappen kann, hat Finn Plotz gezeigt.
  • Der 18-Jährige ist kein typischer Gründer, der eine App programmiert. Er hat eine Fernseh-Box entwickelt, die das TV-Programm, aber auch Musik und Filme aus dem Internet abspielt - und mit einer einzigen Fernbedienung gesteuert wird.

Von Varinia Bernau

An einem Herbsttag marschierte Finn Plotz ins Büro seines Schulleiters. Fast zwei Jahre ist das nun her. Er hatte Glück, dass der Direktor ein Mann ist, der es schätzt, wenn seine Schüler wissen, was sie wollen. Der sie ermutigt, Dinge in die Hand zu nehmen, und der klug genug ist, sein Zugeständnis an Bedingungen zu knüpfen, damit sich so einer mit gerade mal 18 Jahren nicht einbildet, dass das, was man in der Schule lernt, gar nichts wert ist.

Am Ende braucht es zum Erfolg auch immer etwas davon: eine gewisse Portion Glück.

Sein Schulleiter hat damals zu ihm gesagt: "Solange die Noten gleich bleiben, bist du, wenn du's mal nicht zur Schule schaffst, entschuldigt." Damit hatte Finn Plotz etwas mehr Freiraum. Um mit Entwicklern und Designern zu sprechen, den Kontakt zu Investoren zu knüpfen und die Fabrik in China zu besuchen, in der sein Traum greifbar wird. Finn Plotz, gerade Körperhaltung, blondes Haar und Sätze, die manchmal etwas zu altklug wirken, will das unübersichtliche Sammelsurium aus dem Wohnzimmer verbannen. Stattdessen soll da eine schwarze Box stehen, die an den Fernseher angeschlossen wird und neben dem regulären Programm auch Musik und Filme aus dem Internet abspielt. Und auf dem Tisch soll dann eine einzige Fernbedienung liegen. Ebenfalls schwarz, mit abgerundeten Kanten wie ein Kieselstein und elf Tasten. Zum Vergleich: Die durchschnittliche deutsche Fernbedienung hat 60 Tasten - und im Schnitt liegen in einem deutschen Wohnzimmer vier davon.

Finn Plotz passt nicht in das Bild, das sich viele von der heutigen Jugend machen. Er ist kein typischer Vertreter dieser Generation, die sich nach Sicherheiten sehnt und keine Lust mehr darauf hat, für die Arbeit allzu viel Freizeit aufzugeben. Er ist auch kein typischer Gründer, der in einem Berliner Hinterhof an einer weiteren App programmiert. Und: Finn Plotz ist für das, was er da macht, verdammt jung. Deutlich jünger als die meisten, die ein Unternehmen gründen. Sei es in Deutschland oder auch im Silicon Valley. "Die wirklich jungen Gründer, das sind die spannendsten; die, die die Regeln brechen. Viele trauen sich das nur nicht, weil ihnen jemand sagt: Studier doch erst mal", sagt Mark Miller. Er führt in Hamburg ein Beratungsunternehmen für Zu- und Verkäufe von Technologiefirmen. Für Finn Plotz ist er einer der wichtigsten Mentoren.

Spannend sind jene, die die Regeln brechen

Im Juni dieses Jahres, kurz nach der schriftlichen Abiprüfung in Englisch und kurz vor der mündlichen in Biologie, hatte Finn Plotz: 600 000 Euro bei Investoren eingesammelt und mit den Designern, Ingenieuren und Softwareentwicklern von vier verschiedenen Firmen einen Prototypen entwickelt. Er hatte auch: pro Halbjahr an die 100 Fehlstunden, und eine bessere Nachkommastelle beim Schnitt seiner Schulnoten.

Deutschland, heißt es immer, sei kein guter Ort für Gründer. Es fehle an guten Ideen und mehr noch an Mut, daraus ein Geschäft zu machen. Es fehle an Risikokapital und an einer Kultur, in denen Experimente wirklich erlaubt sind. In der Fehler nicht als Niederlage, sondern als wertvolle Erfahrung gelten. Die Geschichte von Finn Plotz aber zeigt: Es gibt da draußen sehr wohl Menschen, die einfach mal machen. Und auch Menschen, die diesen Tatendrang unterstützen - auch wenn das Ende dieses Experiments noch offen ist.

Finn Plotz kommt aus Glückstadt, einem kleinen Ort nordwestlich von Hamburg. Sein Vater hat sich dort einst von einem alten Fischer zeigen lassen, Matjes nach traditioneller Art zuzubereiten. Seit gut zehn Jahren behauptet er sich damit gegen die Billigimporte aus den Niederlanden. In einem seiner Bistros hat der Sohn viel Zeit verbracht. Er hat gekellnert. Wenn es mal wieder brechend voll war im Laden, hat er die wartenden Kunden bei Laune gehalten. Wenn sich einer der Mitarbeiter krank melden musste, hat er die nun eben etwas kleinere Truppe motiviert. Im Bistro seines Vaters hat Finn Plotz eine seiner wichtigsten Lektionen gelernt: dass man Erfolg haben kann, wenn man ein gutes Produkt hat und wenn man die Menschen dafür begeistert.

Kurz vor seinem 18. Geburtstag, als sich die Eltern einen neuen Fernseher kaufen, ihn aber bald nicht mehr nutzen, weil ihnen der ganze Technikkram zu kompliziert wird, hat Finn Plotz die Idee zu solch einem Produkt. Er kritzelt sie auf ein paar Zettel, fragt auf dem Schulhof einen, der gern tüftelt, ob das technisch machbar sei. Sechs Monate bastelt der, dann ist die Sache für ihn erledigt. Finn Plotz aber war, wie er sagt, angefixt.

Man denkt erst mal: "Ist das ein Träumer"

Sein Vater kennt einen Professor für Wirtschaftsinformatik und Entrepreneurship in Berlin. Finn Plotz schickt eine Anfrage an dessen Profil beim Karrierenetzwerk Xing. Ein halbes Jahr dauert es, bis er endlich einen Termin bei ihm bekommt. Heute sitzt der Mann im Beirat seines Start-ups. So ähnlich wird es später immer wieder laufen, wenn Finn Plotz den Kontakt zu Investoren und Ingenieuren, zu Zulieferern und Vertriebspartnern knüpft.

Eine Box und eine Fernbedienung, die sich in den hart umkämpften Regalen von Mediamarkt behaupten müssen, das ist etwas anderes, als eine App für Googles Playstore. Weil man viele Partner gewinnen muss. Weil die Sache teurer ist. Und weil es in diesem Segment fast nur Geschichten von ähnlichen Versuchen gibt, die gescheitert sind. Auch Finn Plotz haben die Leute zwischenzeitlich immer wieder überreden wollen, doch lieber eine App zu machen. Dass er trotz allem an seinem Traum festgehalten hat, das habe ihm imponiert, sagt Mark Miller, der Mentor. "Wenn jemand anruft und sagt, ich bin 18 Jahre alt und möchte die Fernbedienung revolutionieren, dann denkt man erst einmal: Das ist ein Träumer oder ein Spinner", erinnert er sich. Er hat Finn Plotz damals nur aus Neugier eingeladen. Nach dem ersten Gespräch war er begeistert.

Finn Plotz kennt das: Dass bei seinem Gegenüber die Augenbraue hochgeht, wenn er in den Besprechungsraum kommt, dass er am Ende aber auch mal einen Freundschaftspreis erhält. "Das gibt schon ein paar Sympathiepunkte."

Es hat eben auch Vorteile, wenn die Leute einen noch nicht richtig ernst nehmen. Finn Plotz weiß das - und er macht es sich immer wieder zunutze. Als er im Frühjahr im chinesischen Shenzhen die Fabrik besucht, in der die Platinen für seine Fernbedienung gefertigt werden: "Ich bin dann auch mal links abgebogen, wenn die Chinesen gesagt haben, hier rechts lang. Schließlich wollte ich ja wissen, wie da produziert wird." Oder schon damals in Bonn, als seine Idee bei einem Pitch des High-Tech-Gründerfonds durchfällt. Dort hatte gerade ein neuer Manager angefangen, und der musste sich beweisen. Später, so erzählt Finn Plotz, habe ihm der gesagt: "Das Risiko, dass die Sache schief geht, war einfach zu groß." Der Mann wollte nicht als Naivling dastehen, der einem 18-Jährigen eine halbe Million in die Hand drückt.

"Plötzlich musste ich eine über den Globus verteilte Truppe antreiben."

Natürlich war Finn Plotz im ersten Moment enttäuscht, dass er nicht an jemanden mit etwas mehr Mut zum Risiko geraten war. Heute ist er dafür dankbar. So war er gezwungen, seine Sache noch mal auf Schwachstellen zu überprüfen - und er sollte eine finden: Platinen in Fernbedienungen müssen gewisse Sicherheitsstandards erfüllen. An die hatte Finn Plotz nicht gedacht. So musste er nun neue Pläne schreiben, neue Partner suchen. Die veranschlagten Kosten verdreifachten sich. Aber: "Wenn wir in die Fertigung gegangen und dann erst festgestellt hätten, dass wir keine Zulassung bekommen, wäre das noch ärgerlicher gewesen."

Das Geld einzutreiben, erinnert sich Finn Plotz, war einfacher als das, was dann kam: "Plötzlich musste ich eine über den Globus verteilte Truppe antreiben, auch mal vermitteln." Mit dem Geld kam die Verantwortung: Die flache Platine in der Fernbedienung kann keinen Kontakt aufbauen zu den Tasten in dem leicht gewölbten Gehäuse. Es gibt ein Gerangel zwischen den Entwicklern in Shenzhen und den Designern in Hamburg. Eine Woche lang geht nichts voran. Finn Plotz holt beide Seiten schließlich an einen Tisch. So wird dann gemeinsam etwas entwickelt, das im Inneren der Fernbedienung von der Taste wie ein schwarzer Spinnenfuß auf der grünen Platine aufsetzt.

Vor ein paar Wochen hat Finn Plotz sein Set aus Fernbedienung und Box, das zu Weihnachten in die Läden kommen soll, erstmals präsentiert. Er hat dazu eigens ein kleines Kino in Hamburg angemietet. Auch Mark Miller war dabei. Mit seinen beiden kleinen Söhnen. "Die sollen sehen, was man erreichen kann, wenn man es wirklich will", sagt er. "Das ist mir genauso wichtig, wie ihnen das Rechnen beizubringen." Und das habe damals wohl auch der Schulleiter von Finn Plotz erkannt.

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