Erdöl:Was der Öl-Krach für Deutschland bedeutet

A worker checks the valve of an oil pipe at Al-Sheiba oil refinery in the southern Iraq city of Basra

Ein Arbeiter in einer Raffinerie in der südirakischen Stadt Basra

(Foto: REUTERS)

Die Ölstaaten ringen weiter um ihre Fördermengen. Ob die Preise nun wieder abstürzen - und was Deutschlands Autofahrer erwartet: Antworten auf die drängendsten Fragen.

Fragen und Antworten von Jan Willmroth

Die Erwartungen waren bestenfalls moderat, die Enttäuschung ist jetzt trotzdem groß. Kaum ein Marktexperte hat sich von dem Treffen der Ölstaaten in Katars Hauptstadt mehr erhofft als ein Signal: Würden sich die wichtigsten Förderländer auf einen gemeinsamen Plan einigen können? "In Doha ging es vor allem um die Botschaft, weniger um die Substanz", kommentierte Amrita Sen von der Londoner Analysefirma Energy Aspects das Treffen.

Bis zum Abend berieten 16 Ölminister am Sonntag in einem Hotel-Konferenzraum in Doha über eine Begrenzung ihrer Fördermenge. Am Ende verließen die Delegationen den Raum ohne Ergebnis. Saudi-Arabien, heißt es, habe den Deal verhindert. Die Saudis hatten schon zuvor angedeutet, ohne eine Teilnahme Irans kein Abkommen zu unterstützen. Der Erzfeind der Saudis nahm aber nicht an dem Treffen teil. Die Märkte reagierten sofort: Am Montag brachen die Ölpreise deutlich ein, zeitweise um sieben Prozent auf rund 40 Dollar für ein Fass Rohöl der Sorte Brent.

Wie weit werden die Ölpreise jetzt wieder sinken?

Seit Mitte Februar waren die Preise für Rohöl um etwa 40 Prozent gestiegen. Zwar sind viele Faktoren für die Preisentwicklung wichtig, in diesem Fall dürfte die Aussicht auf das Treffen in Doha aber eine wichtige Rolle gespielt haben. Saudi-Arabien, Russland, Venezuela und Katar hatten sich im Februar erstmals auf Pläne verständigt, ihre Förderung zu begrenzen. Dass nach dem Treffen am Sonntag die Preise kurzfristig fielen, überrascht nicht. Doch langfristig ist ein anderer Trend wichtiger: Selbst im Fall einer Einigung wären die Fördermengen auf hohem Niveau eingefroren worden - im Falle Russlands sogar auf Rekordhöhe. Außer Iran kann kaum ein Staat seine Fördermenge noch deutlich ausweiten. Zugleich steigt die weltweite Nachfrage weiter. Sehr viel günstiger wird Öl in der aktuellen Marktphase nicht mehr werden.

Wie lange wird Erdöl - und damit Treibstoff - noch günstig bleiben?

Deutlich steigende Ölpreise sind nur zu erwarten, wenn das Überangebot auf dem Ölmarkt verschwindet. Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) dürfte das frühestens in der zweiten Jahreshälfte passieren. "Wir haben seit einigen Monaten ein stetiges Wachstum der Ölnachfrage vorausgesagt und ein sinkendes Angebot außerhalb der Opec-Länder. Dieses Szenario nimmt nun Gestalt an", schreiben die IEA-Analysten. Noch bleibt der Markt deutlich überversorgt, die Lager sind weltweit voll, Ölkonzerne und Händler parken Erdöl sogar in Tankern auf hoher See. Öl wird vorerst relativ günstig bleiben, auch wenn der Preis kurzfristig stark schwanken kann.

Warum können sich die Opec-Staaten nicht einigen?

Die Opec ist der Zusammenschluss von 13 ölexportierenden Staaten, die gemeinsam annähernd ein Drittel des weltweiten Angebots fördern. Aber die Mitgliedsländer der Organisation sind zerstritten; die Rivalität zwischen Saudi-Arabien und Iran überlagert sämtliche Verhandlungen. Der jüngste Preisverfall habe die Unfähigkeit der Organisation offengelegt, gemeinsam zu handeln, sagte der international anerkannte Ölexperte Daniel Yergin, kürzlich der Wirtschaftszeitung Financial Times. Seit November 2014 hat die Opec keine Fortschritte gemacht, um den Preis zu stabilisieren. "Die Ära der Opec als eine bedeutende Macht in der Weltpolitik ist vorbei", sagte Yergin. Zudem zeigt die Geschichte, dass die Opec nie über längere Zeit den Ölpreis stabilisieren konnte.

Welche Rolle spielt Saudi-Arabien?

Die wichtigste. Die saudische Delegation ließ den Doha-Deal am Ende unerwartet platzen, weil Iran nicht mit am Tisch saß. Ohne Saudi-Arabien, den weltweit größten Ölexporteur wäre ein solches Abkommen undenkbar. Ihre Strategie geht so: Wenn der Preis lange genug niedrig bleibt, werden zahlreiche Produzenten aus dem Markt ausscheiden, die zu höheren Kosten produzieren. Saudi-Arabien beherbergt noch immer einige der günstigsten Ölquellen der Welt. Das Königshaus hat mehrfach betont, keine Marktanteile riskieren zu wollen. Kürzen die Saudis ihre Förderung und steigt der Preis, verlieren sie womöglich Anteile in wichtigen Absatzmärkten. Nun planen sie das Gegenteil und bohren auf Rekordniveau neue Löcher, während anderswo die Fördermenge sinkt. Zur saudischen Strategie gehört aber auch, Iran nicht mit Kürzungen Geschenke zu machen. Denn nach dem Ende der westlichen Sanktionen will Iran seine Ölförderung mittelfristig verdoppeln.

Was bedeutet das Scheitern von Doha für die Konjunktur?

Der konjunkturelle Effekt niedriger Ölpreise für Länder wie Deutschland ist nicht leicht zu berechnen. Während Verbraucher, Importwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe von niedrigen Treibstoff- und Rohstoffkosten profitieren, leiden jene Teile der Wirtschaft, die mit ölexportierenden Ländern Geschäfte machen. Der Nettoeffekt für Deutschlands Wirtschaft dürfte positiv sein. Ganz anders ist das bei den Ölstaaten, die darunter sehr leiden: Die 18 wichtigsten Öl-Exportländer haben seit November 2014 etwa 315 Milliarden Dollar ihrer Devisenreserven verloren - ziemlich genau ein Fünftel der gesamten Reserven, zeigen Bloomberg-Berechnungen. Auf Saudi-Arabien allein entfällt davon die Hälfte.

Womit müssen Autofahrer jetzt rechnen?

Nach Berechnungen des Mineralölwirtschaftsverbands hat die Preisentwicklung deutsche Verbraucher im Jahr 2015 deutlich entlastet. "Im vergangenen Jahr haben die Verbraucher durch die niedrigen Preise etwa 13,5 Milliarden Euro gespart", sagt ein Sprecher des Verbands. Diese Entlastung bleibe bestehen. Die Mineralölwirtschaft ist traditionell zurückhaltend, was Preisprognosen angeht, weil das Kartellamt jede Äußerung der Tankstellenbetreiber genau verfolgt, die auf Preisabsprachen hindeuten könnte. Hinter vorgehaltener Hand aber bestätigen deutsche Vertreter von Ölkonzernen: Bis auf Weiteres - und von kurzfristigen Schwankungen abgesehen - werden Benzin und Diesel vergleichsweise günstig bleiben.

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