Erbschaftsteuer:Zu viele Privilegien

Die Wirtschaft läuft Sturm gegen die Reform der Erbschaftsteuer. Dabei handelt die Koalition klug.

Ein Kommentar von Guido Bohsem

Vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) stammt wohl die schönste aller Reaktionen auf die Einigung der Koalition bei der Erbschaftsteuer. Die Interessenvertreter wehren sich dagegen, dass die Abgabe womöglich nicht nur aus den Mitteln der vererbten Firma zu zahlen ist, sondern auch aus dem Privatvermögen des Erben. Man sei überzeugt, dass Privatvermögen besser bei den Familienunternehmen aufgehoben sei, schreibt der VCI.

Diese Ansicht dürften wohl auch die anderen Wirtschaftsverbände teilen, die seit Monaten gegen eine Neuregelung der Erbschaftsteuer protestieren. Sie zeigt, wie abgehoben und wirklichkeitsfremd die Debatte über die Reform ist. Nach dieser Vorstellung zählt der ererbte Betrieb offenbar nicht zum persönlichen Vermögen des Erben. Er ist offenbar etwas anderes. Es fragt sich nur, was er ist, wo doch der Betrieb auf den Neueigentümer übergegangen ist; der kann den Grund, die Gebäude, die Fahrzeuge und Maschinen als sein Vermögen betrachten.

Überträgt man diese Weltsicht, könnte jeder Arbeitnehmer protestieren, wenn das Finanzamt eine Nachzahlung haben möchte. Schließlich liegt das Geld ja schon auf dem Sparbuch! Das ist Privatvermögen! Das hat nichts mit dem Arbeitslohn zu tun und ist außerdem bei den Arbeitnehmern viel besser aufgehoben als beim Fiskus!

Abgehobene Argumentation

Man könnte glatt auf die Idee kommen, die Kritiker der Erbschaftsteuer und ihrer Reform lebten in einer Art Parallelwelt, so abgehoben kommt manch eine Argumentation daher. Ja, es gibt Unternehmer, die behaupten, sie seien eher bereit, einem höheren Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer zuzustimmen, als eine Verschärfung der gültigen Erbschaftsteuer-Regeln zu akzeptieren.

Hinter dem Protest der Unternehmer steckt auch immer das Gefühl, der Staat wolle auf ihr bereits mehrfach versteuertes Geld noch einmal zugreifen. Doch auch diese, sogar verständliche Sichtweite entspricht nicht der Realität. Schließlich wird nicht der Unternehmer besteuert, sondern der Erbe, und der erwirbt ein Vermögen nur durch den Umstand der glücklichen Geburt. Warum sollte er darauf keine Steuern zahlen, wo doch jeder Arbeitnehmer sein Einkommen selbstverständlich versteuern muss?

Die derzeit gültige Regelung (sie wurde übrigens von den gleichen Verbänden ebenso heftig bekämpft), wird als das maximal Mögliche an Belastung angesehen. Dabei geht völlig unter, dass die nun geplante Neuregelung allenfalls einmal 200 Millionen Euro Mehreinnahmen für den Staat bringen soll. Das ist insgesamt eine Mehrbelastung von lediglich 3,5 Prozent. Davon geht der deutsche Mittelstand nun wirklich nicht unter.

Der Protest ist allenfalls damit zu erklären, dass die meisten Firmenerben in den vergangenen Jahren gar nichts zahlen mussten und die künftigen Erben diese Privilegierung gerne behalten möchten. Zu ihrem Glück kann man sagen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen. Der nun von der Koalition gefundene Kompromiss wird daran nichts ändern. Das Besteuerungsmodell, das nun auf dem Tisch liegt, ist immer noch äußerst großzügig.

Das geht in Ordnung. Selbstverständlich darf der Staat bestimmten Erben Vergünstigungen einräumen, wenn es im gesamtgesellschaftlichen Interesse ist. Zuletzt jedoch hatte das Maß der Vergünstigungen den Nutzen eindeutig überschritten. Es wurden Unternehmen im Milliardenwert an die nächste Generation übertragen, ohne dass der Fiskus davon auch nur einen Cent gesehen hätte. Das Verfassungsgericht hat dies zu Recht als grobe Ungleichbehandlung verurteilt, haben doch Erben, die Aktien bekommen oder Barvermögen, keine derartigen Erleichterungen zu erwarten.

Die Koalition erweist den Unternehmen einen großen Gefallen, wenn sie wie geschehen ihre Reformvorschläge so eng an den Vorgaben der Karlsruher Richter entlangschneidert. Deutlich großzügigere Regelungen, wie sie die Unternehmensverbände, aber auch die CSU und die SPD in Baden-Württemberg fordern, hätten eine erneute Klage vor dem Verfassungsgericht zur Folge. Dass die Richter es dann wieder bei einer Ermahnung belassen würden, dürfte unwahrscheinlich sein. Wahrscheinlicher wären genaue Reformvorgaben. Und keiner sollte darauf setzen, dass diese so nachsichtig ausfallen wie die Pläne der Koalition.

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