Erbschaftsteuer:Steuer mit enteignender Wirkung

  • Die Erbschaftsteuer ist der größte Zankapfel in der Fiskalpolitik der großen Koalition.
  • Das Problem: Bei dem neuen Gesetzesentwurf kann es bei Unternehmen mit einem Betriebsvermögen von mehr als 26 Millionen Euro zu einem sprunghaften und stark belastenden Anstieg der Belastung für die Erben kommen.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die Verhandlungen über die Erbschaftsteuer stecken fest. Nach Informationen der SZ suchen die Finanzexperten der Bundestagsfraktionen von SPD und Union deshalb gerade nach einem völlig neuen Ansatz für die Reform. Von einem Durchbruch sei mal allerdings weit entfernt, heißt es in der Koalition. Die Erbschaftsteuer ist der größte Zankapfel in der Fiskalpolitik der großen Koalition. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts war eine Reform notwendig geworden. Nach Meinung der obersten Richter verstößt das geltende Recht gegen das Grundgesetz, weil es eine unverhältnismäßig große Zahl von Unternehmen von der Erbschaftsteuer befreit.

Der Staat nimmt in manchen Fällen nicht nur einen Teil des Vermögens weg - sondern alles

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte deshalb einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der zum Ziel hatte, ausschließlich die von den Richtern beanstandeten Punkte auszubessern. Jedoch konnten sich weder die SPD noch die Union mit diesem Vorschlag so recht anfreunden.

Tatsächlich leidet Schäubles Vorstoß an der Konstruktion, mit der die weiterhin erwünschten Steuererleichterungen weiterhin gewährt werden können. Nach Berechnungen des Professors für Steuerwirkungslehre an der Berliner FU, Frank Hechtner, kann es insbesondere bei großen Unternehmen mit einem Betriebsvermögen von mehr als 26 Millionen Euro zu einem sprunghaften und stark belastenden Anstieg der Belastung für die Erben kommen.

Die Erben der großen Betriebsvermögen sollen nach Schäubles Plänen wählen können. Entweder entscheiden sie sich, vom Finanzamt prüfen zu lassen, ob ihre Vermögensverhältnisse eine Verschonung zulassen. Oder aber sie votieren für das sogenannte Abschmelzungsmodell. Von 26 Millionen Euro an verringert sich damit der Anteil des verschonten Vermögens pro zusätzlichen 1,5 Millionen Euro um einen Prozentpunkt.

Das geht bis zu einem Vermögen von 120 Millionen Euro. Darüber hinaus sollen auf jeden Fall immer 20 Prozent des Vermögens von der Erbschaftsteuer verschont werden. Das hat nach Hechtners Aussagen zur Folge, dass die ohnehin steigend ausgestaltete Besteuerung verschärft wird, weil gleichzeitig auch das zu versteuernde Vermögen anwächst. Dies führte in manchen Fällen zu einer konfiskatorischen Grenzbelastung, so der Steuerexperte. Das heißt, der Staat nimmt dem Steuerpflichtigen in diesen Fällen nicht nur einen Teil seines Vermögens weg - sondern alles.

Nach Hechtners Berechnungen müsste in Schäubles Modell ein Erbe von einem Betriebsvermögen von 60,25 Millionen Euro (Verschonungssatz 77 Prozent) eine Erbschaftsteuer von 3,1175 Millionen zahlen. Wird das betriebliche Vermögen jedoch nur um 250 000 Euro höher eingeschätzt, also bei 60,5 Millionen Euro (Verschonungssatz 78 Prozent), steigt die steuerliche Belastung auf 3,4475 Millionen Euro. Der Steuerpflichtige müsste also 330 000 Euro mehr zahlen, nur weil der vererbte Betrieb 250 000 Euro mehr Wert ist. Nach Hechtners Worten wirkt das Abschmelzmodell zwar generell in allen Fällen begünstigend. Jedoch komme es zu oben angeführten Verwerfungen. "Darum muss das Abschmelzmodell insgesamt überdacht werden."

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