Entwicklung der Zinsen:Wann gibt es wieder Zinsen?

EZB im Nebel

Dichter Nebel über der Zentrale der Europäischen Zentralbank (Symbolbild)

(Foto: picture alliance / Frank Rumpenh)
  • An diesem Donnerstag hat die Europäische Zentralbank wieder über eine mögliche Zinserhöhung beraten. Das Ergebnis: Vorerst bleibt es bei der Nullzinspolitik.
  • Experten hatten erwartet, dass EZB-Chef Draghi noch mindestens die Stichwahl um das Präsidentenamt in Frankreich abwarten will.
  • Danach könnte die Zentralbank langsam eine Wende in der Geldpolitik einleiten. Dafür sind verschiedene Szenarien denkbar.

Von Markus Zydra, Frankfurt, und Claus Hulverscheidt

Mario Draghi ahnt, was ihn an diesem Donnerstag nach der EZB- Sitzung mit den Kollegen erwartet. Es ist die Frage nach dem Zeitpunkt, an dem die Europäische Zentralbank ihre lockere Geldpolitik beenden wird. Der EZB-Präsident wird sich bemühen, ein gelassenes Gesicht zu machen, denn seine Antwort steht schon fest: Das Ende der Nullzinspolitik und der Anleihekäufe ist noch nicht in Sicht.

Draghi schafft sich mit seiner harten Haltung in Deutschland immer mehr Gegner. Doch Protest und Gejammer der deutschen Politiker, Banker und Wirtschaftsexperten ist der Italiener schon gewöhnt. Er vernimmt es, aber er hört nicht darauf. Draghi will ganz sichergehen. Er möchte klare Belege dafür, dass die Inflationsrate in der Euro-Zone wieder auf den angestrebten Wert von nahe zwei Prozent klettert - und dort verweilt, nachdem die EZB ihre Geldschleusen geschlossen hat.

Im Februar war die Teuerungsrate auf exakt zwei Prozent gestiegen. Danach begann die große Ausstiegsdebatte. Doch im März ist die Inflationsrate wieder auf 1,5 Prozent gefallen, weil die Ölpreise im Jahresvergleich nicht mehr so viel höher liegen als jetzt. Punkt für Draghi, der es so formuliert: Die EZB brauche noch mehr Hinweise, um ihre Bewertung der Aussichten für den Preisauftrieb wesentlich zu ändern. "Daher ist eine Neubewertung der gegenwärtigen geldpolitischen Haltung derzeit nicht gerechtfertigt."

Die EZB möchte durch den Ankauf von Staats- und Firmenanleihen bis Ende des Jahres insgesamt 2,2 Billionen Euro in das europäische Finanzsystem pumpen. Gleichzeitig liegt der Leitzins bei null Prozent. Banken müssen für ihre Übernachteinlagen auf dem EZB-Konto sogar einen Strafzins von 0,4 Prozent entrichten. Die Maßnahmen sollen die Darlehenszinsen unten halten und die Banken ermutigen, mehr Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. Man darf sagen, dass sich inzwischen Erfolg einstellt. Draghi sagt selbst, dass die Gefahr eines wirtschaftlichen Einbruchs mit einer Deflation gebannt sei.

Warum hört die EZB dann nicht auf? Draghi und die meisten seiner Notenbankkollegen im EZB-Rat möchten zunächst die Stichwahl für die französische Präsidentschaft am 7. Mai abwarten. Ein Sieg der Rechtspopulistin Marine Le Pen vom Front National könnte zu schweren Turbulenzen an den Finanzmärkten führen, weil die Partei einen Austritt Frankreichs aus der Euro-Zone anstrebt und ihre Euro-Schulden in französischen Franc begleichen möchte. Die EZB möchte für diesen Fall gerüstet sein. Danach, so sehen es einige Experten, könnte die EZB langsam den Ausstieg einleiten. "Wir erwarten, dass der Einlagesatz im Herbst von minus 0,4 Prozent auf minus 0,25 Prozent erhöht wird", schreiben die Analysten der DZ Bank. Eine Abmilderung des Strafzinses käme einer Zinswende gleich. Die Märkte könnten sich auf steigende Zinsen einstellen, wenn sie das nicht jetzt schon längst tun.

Man kann nur darüber spekulieren, was eine Kehrtwende der EZB auslösen würde: Die Kreditzinsen für Euro-Staaten würden wohl steigen. Es ist sehr fraglich, ob sich das alle Regierungen leisten könnten. Die Anleihekurse an den Börsen würden wohl deutlich fallen - Verluste für Banken und Investoren wären die Folge.

Wenn die EZB tatsächlich die Zinsen erhöht, bevor das Kaufprogramm ausläuft, dann würde man einen anderen Weg einschlagen als die amerikanische Notenbank Federal Reserve. Die hat zunächst das Ankaufprogramm beendet, bevor sie die Leitzinsen erhöht hat. Seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007 hat sich die Bilanzsumme der US-Notenbank Fed von damals rund 900 Milliarden auf etwa 4,5 Billionen Dollar (4,1 Billionen Euro) verfünffacht. Zum Vergleich: Die EZB-Bilanz beläuft sich ebenfalls auf 4,1 Billionen Euro.

Wie aus Äußerungen und Sitzungsprotokollen der Fed-Verantwortlichen hervorgeht, soll der schrittweise Abbau der Bilanzsumme womöglich bereits Ende dieses Jahres beginnen. Denkbar wäre etwa, dass die Notenbank zunächst ihren wichtigsten Leitzins im Juni und im September um jeweils einen Viertelpunkt anhebt. Die Tagesgeldzielspanne läge somit bei 1,25 bis 1,5 Prozent. Im Schlussquartal des Jahres käme es dann zu einer Zinserhöhungspause, zugleich würde die Fed jedoch offiziell verkünden, Erlöse aus Zinszahlungen und auslaufenden Bonds erstmals nicht mehr in den Kauf neuer Papiere zu investieren. Als Folge begänne das Wertpapierdepot langsam zu schrumpfen. Der Einstieg in den Ausstieg wäre geschafft.

Bleibt es beim eigentlichen Fahrplan, dann müsste die Fed noch in diesem Frühjahr damit beginnen, die Märkte auf die Kursänderung vorzubereiten. Ziel ist es, ein neues "taper tantrum" wie im Frühsommer 2013 zu verhindern. Damals hatte Yellens Vorgänger Ben Bernanke angekündigt, das Volumen der monatlichen Wertpapierkäufe langsam zurückzufahren - was an den Märkten zu heftigen Reaktionen führte: Die Zinsen der Anleihen schossen panikartig in die Höhe, die Aktienkurse in den Keller. "Taper tantrum" lässt sich nicht wörtlich übersetzen. Es ist eher eine Verballhornung, die auf die Wut- und Trotzanfälle kleiner Kinder anspielt.

Welche Wirkungen der Abbau der Bilanzsumme haben wird, ist völlig ungewiss, denn eine solch gewaltige geldpolitische Operation hat es in der Geschichte noch nicht gegeben. Nach Studien der Fed und von renommierten Wissenschaftlern geht man davon aus, dass Bond-Käufe im Wert von 100 Milliarden Dollar die Rendite zehnjähriger Anleihen um drei bis sechs Basispunkte, also 0,03 bis 0,06 Prozent drücken. Da auf mittlere Sicht im Schnitt etwa 300 Milliarden Dollar pro Jahr an Wertpapieren fällig werden, läge der Zinserhöhungsdruck allein durch die Rückführung der Bilanzsumme also bei etwa zehn bis 20 Basispunkten im Jahr.

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