Entscheidung in Berlin:Der Sündenfall Abwrackprämie

Staat fatal: Es ist nicht die Aufgabe der Regierung, den Neuwagenverkauf mit Geschenken aus Steuermitteln anzukurbeln.

Karl-Heinz Büschemann

Endlich sind sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mal wieder einig. Die beiden Oberwahlkämpfer der großen Koalition, die in vielen politischen Fragen mittlerweile streiten, haben sich darauf geeinigt, die sogenannte Abwrackprämie zu verlängern. Die Zahlung von 2500 Euro für Neuwagen-Käufer, die dafür ein mindestens neun Jahre altes Auto verschrotten, soll nicht im Mai enden, wenn die dafür vorgesehenen 1,5 Milliarden Euro voraussichtlich verbraucht sind. Sie soll stattdessen aufgestockt werden und für das gesamte Jahr 2009 gelten. Diese staatliche Hilfe werde aber auf keinen Fall bis ins nächste Jahr hinein verlängert, heißt es beschwichtigend in Berlin.

Der Sündenfall Abwrackprämie

Der Run hat Konsequenzen: Die Regierung verlängert die Abwrackprämie.

(Foto: Foto: dpa)

Das ist ein Sieg für die Autoindustrie. Mancher Konzernchef, wie der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn, hatte schon die Verlängerung des angenehmen Förderprogramms angemahnt. Vor allem die Kunden können sich freuen.

Für die Bundesregierung bedeutet die Verlängerung der Abwrackprämie jedoch nichts Gutes. Merkel und Steinmeier räumen damit schon jetzt ein, dass sie sich selbst eine Falle gestellt haben, als sie im Januar die "Umweltprämie" einführten. Sie zeigen damit, dass sie nicht mehr zurück können. Der Bundesregierung sei aber bereits jetzt vorhergesagt, dass die Streichung der Prämie umso schwieriger wird, je länger es sie gibt. Italien, das schon in den neunziger Jahren als Hilfe für Fiat eine solche Zahlung einführte, musste sie seitdem immer wieder verlängern.

Der erste Berliner Sündenfall war noch verständlich. Die Abwrackprämie war von der ratlosen Bundesregierung auf Druck der mächtigen Autolobby Ende 2008 beschlossen worden. Damals war der Pkw-Markt praktisch tot. In den Autohäusern herrschte gespenstische Leere. Der Zuschuss wurde für 600.000 Neuwagen eingerichtet, und er brachte sogar einen gewissen Erfolg. Vor allem für kleinere Fahrzeuge ist die Nachfrage inzwischen wieder so groß, dass sogar Sonderschichten gefahren werden müssen und in manchem Autowerk die Kurzarbeit beendet werden konnte.

Dennoch hätte die Bundesregierung der Verlockung widerstehen sollen, diese Fördermaßnahme zu verlängern. Das einfachste Argument ist prinzipieller Natur: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, den Verkauf von Neuwagen durch Geschenke aus Steuermitteln anzukurbeln. Die Autohersteller müssen schon mit attraktiven Fahrzeugen und günstigen Preisen selbst dafür sorgen, dass ihre Fahrzeuge genügend Anklang bei den Kunden finden.

Der Staat könnte genauso gut eine Recycling-Prämie für Waschmaschinen erfinden, um Arbeitsplätze bei Miele zu sichern oder einen Wegwerfbonus für Handys, um die Mobilfunk-Industrie zu stützen. Kaum jemand käme auf solche absurd anmutenden Ideen. Nur bei der Autoindustrie ist das offenbar anders.

Diese Branche kann leicht den Eindruck erzeugen, dass von ihr die gesamte Volkswirtschaft abhängt. Dabei gibt es sogar berechtigte Kritik aus der Autoindustrie selbst an dem vermeintlichen Segen aus Berlin. Die Verschrottungsprämie verzerre den Wettbewerb, weil sie Herstellern wie Opel oder VW mehr helfe als den Lieferanten von Autos der Oberklasse.

Der Abwrackzuschuss hat zudem zwei Webfehler: Er kreiert keine neue Nachfrage nach Autos, er sorgt allenfalls dafür, dass mancher Käufer die ohnehin fällige Anschaffung eines neuen Autos vorzieht, um noch in den Genuss der staatlichen Prämie zu kommen. Die Wahrscheinlichkeit ist daher groß, dass die Nachfrage nach Autos gleich wieder einbricht, sobald die Maßnahme Ende 2009 ausläuft. Kein Arbeitsplatz wird durch diese Zahlung sicherer. Das Tückische an der Abwrackprämie ist, dass sie selbst den politischen Druck erzeugt, sie zu verlängern. Doch selbst den naivsten Politikern muss klar sein, dass sie die Autoindustrie nicht ewig sponsern können.

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