Entscheidung des BGH:Grässlin - Sieg im Schimpf-Streit mit Daimler

Darf ein Aktionär öffentlich sagen, die Geschäfte eines Managers seien "nicht immer so sauber" gewesen? Ja, urteilte der BGH - zur Freude von Daimler-Kritiker Jürgen Grässlin.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Meinungsfreiheit kritischer Aktionäre gestärkt - und dem Stuttgarter Daimler-Konzern einen Rüffel erteilt. Einem Urteil zufolge durfte der Daimler-Aktionär Jürgen Grässlin in einem Fernseh-Interview Zweifel äußern, dass der vorzeitige Rücktritt von Ex-Vorstandschef Jürgen Schrempp freiwillig war. Auch seine Aussage, unter der Ägide Schrempps seien "die Geschäfte nicht immer so sauber" gewesen, war vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Jürgen Grässlin, Foto: ddp

Jürgen Grässlin hat sich vor dem Bundesgerichtshof gegen den Daimler-Konzern durchgesetzt.

(Foto: Foto: ddp)

Mit dem Urteil scheiterten Daimler und Schrempp mit ihrer Unterlassungsklage in letzter Instanz. Vor dem Oberlandesgericht Hamburg hatten Daimler und der ehemalige Vorstandschef den Prozess gegen Grässlin gewonnen. Grässlin habe in seinem Interview sowohl die Persönlichkeitsrechte Schrempps als auch die Unternehmensrechte des Konzerns verletzt, urteilte das Gericht damals. Der BGH beanstandete dies jetzt als rechtsfehlerhaft.

Grässlin, seit 1991 Sprecher der Initiative kritische Aktionäre, hat mehrere Bücher über den Daimler-Konzern verfasst und ist in zahlreiche Prozesse mit dem Weltkonzern verwickelt. Er hat sich im Prozess immer auf seine Meinungsfreiheit berufen. "Ein Wirtschaftsunternehmen muss sich auch harte Kritik gefallen lassen", sagte sein Anwalt Wendt Nassall vor dem BGH.

"Frei von der Leber weg"

In einem Südwestrundfunk-Interview unmittelbar nach Schrempps Rücktritt im Juli 2005 hatte Grässlin gesagt, Schrempp sei zum Rücktritt gedrängt worden, "und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr Schrempp geregelt hat." Dagegen hatten Daimler sowie Schrempp persönlich geklagt.

Nach den Worten Nassalls darf die Freiheit, sich in einer spontanen öffentliche Debatte "frei von der Leber weg" über aktuelle Ereignisse zu äußern, nicht durch überzogene Anforderungen an die Sorgfalt der Tatsachenrecherche behindert werden. Zudem habe Grässlin seine Behauptungen ausdrücklich als Vermutung gekennzeichnet, die er auf der Basis seiner Kenntnis der Person angestellt habe. Grässlin ist Autor einer Schrempp-Biografie.

Daimler-Anwältin Cornelie von Gierke hielt dem entgegen, bei derart ehrenrührigen Behauptungen müsse man "eine gewisse Vorsicht" walten lassen. Eine unwahre Tatsachenbehauptung sei nicht zulässig, nur weil sie als Mutmaßung relativiert worden sei.

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