Energiewende:Ofen aus

Preston Fracking Demonstration

Ein kostümierter Fracking-Gegner protestiert in der nordenglischen Grafschaft Lancashire.

(Foto: Nigel Roddis/dpa)

Kohle befeuerte den Aufstieg Großbritanniens. Doch nun verkündet die Regierung das Aus für die klimaschädlichen Kraftwerke - als erste Industrienation. Die Lücke sollen Gas- und Atommeiler füllen.

Von Björn Finke, London

Sogar Al Gore kommentierte die Entscheidung. Die britische Regierung habe ein "exzellentes und inspirierendes Beispiel" geliefert, sagte der frühere Vizepräsident der Vereinigten Staaten. Sie beweise Führungsqualitäten, ergänzte der engagierte Umweltschützer. Was den Amerikaner so verzückt: der Ausstieg aus der Kohle. Großbritannien hat als erste Industrienation ein Zieldatum gesetzt, wann das letzte Kohlekraftwerk im Land vom Netz gehen muss.

Die zuständige Ministerin Amber Rudd hielt am Mittwoch eine lange erwartete Rede zur zukünftigen Energiepolitik des Vereinigten Königreichs. Dabei verkündete die Konservative, dass nach 2025 keiner der klimaschädlichen Kohlemeiler mehr Strom erzeugen soll. Die Begeisterung vieler Naturschützer hält sich trotzdem in Grenzen. Denn Rudd will die Lücke nicht mit mehr Ökostrom füllen, sondern mithilfe neuer Atom- und Gaskraftwerke. Energiewende auf britisch.

In anderthalb Wochen diskutieren die Regierungen bei einer internationalen Konferenz in Paris über ein Abkommen zum Klimaschutz. Der Beschluss aus London ist somit ein wichtiges Signal. Kohlemeiler sind besonders schädlich für das Klima, weil sie sehr viel Kohlendioxid in die Atmosphäre pusten. In Großbritannien erzeugen bislang zwölf dieser dreckigen Kraftwerke etwa ein Drittel des Stroms. In der EU setzen nur Deutschland und Polen noch stärker auf diesen Energieträger. Die Bundesregierung einigte sich jedoch Ende Oktober mit den Versorgern darauf, zumindest einige Meiler abzuschalten.

Kohle befeuerte auch die industrielle Revolution im Vereinigten Königreich und dessen Aufstieg zur Weltmacht. Bald ist das alles schmutzige Vergangenheit. Bereits vor den Parlamentswahlen im Mai, bei denen die Konservativen überraschend die absolute Mehrheit der Mandate errangen, hatten Regierung und Opposition in einem gemeinsamen Papier versprochen, Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen - aber ohne ein konkretes Datum zu nennen.

Energieministerin Rudd sagte nun, es könne nicht befriedigend sein für eine moderne Volkswirtschaft wie die britische, "von schmutzigen und 50 Jahre alten Kohlekraftwerken" abzuhängen. "Lasst mich hier klar sein: Das ist nicht die Zukunft", sagte sie. Lediglich Kohlemeiler, die Kohlendioxid aus ihren Abgasen abscheiden und unterirdisch einlagern, dürften in Betrieb bleiben - allerdings ist diese Technik noch gar nicht marktreif.

Die Regierung hofft auf einen Fracking-Boom, doch die Gemeinden vor Ort sind skeptisch

Die Zukunft hingegen, die soll Gas und Atomstrom gehören. Gaskraftwerke stoßen nur halb so viel Kohlendioxid aus wie Kohlemeiler. Aber ihr Betrieb lohnt sich nicht bei niedrigen Börsenpreisen für Strom. Daher schrecken im Moment Energieversorger sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland davor zurück, Gaskraftwerke zu errichten.

Die Regierung in London hofft jedoch, dass in Zukunft Gas aus vielen neuen Quellen strömt. Nicht nur aus der Nordsee wie bisher, sondern ebenso inmitten der lieblichen grünen Hügellandschaft des Königreichs. Unternehmen sollen unberührte Reserven mithilfe der Fracking-Technik anzapfen. Dabei pumpen sie unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser und Chemikalien ins unterirdische Gestein, das dann aufplatzt und Gas und Öl freigibt.

Umweltschützer befürchten Verunreinigungen des Grundwassers. Und weil die Gemeinden vor Ort die Fracking-Begeisterung der Regierung nicht teilen, ist unklar, wann die erste Förderanlage genehmigt wird und in Betrieb geht. Die Regierung bemüht sich allerdings, den Firmen mit Gesetzesänderungen Hürden aus dem Weg zu räumen.

Deutlich weniger freundlich als zu Fracking-Unternehmen ist Energieministerin Rudd zu den Betreibern von Sonnen- und Windkraftwerken. Seit ihrem Amtsantritt im Mai kappte sie eine Reihe von Subventionen für grünen Strom. Bei ihrer Rede betonte die Konservative, dass Großbritannien den Ausstoß an Kohlendioxid so günstig wie möglich senken müsse. Eine Spitze gegen Anbieter teureren Ökostroms.

Doch gewährt die Regierung zugleich Milliardensubventionen für den ersten Neubau eines Atomkraftwerks in Großbritannien seit Jahrzehnten. Der französische Stromkonzern EDF und sein chinesischer Partner werden den Meiler namens Hinkley Point C errichten; 2025 soll er ans Netz gehen. Weitere Kernkraftwerke sind geplant. Atommeiler stoßen kaum klimaschädliches Kohlendioxid aus. Und anders als in Deutschland unterstützt die Mehrheit der Briten Kernkraft, trotz des Unglücks von Fukushima.

Genau wie Gas sei Kernkraft "zentral" für die sichere und klimafreundliche Energieversorgung des Landes, sagte Ministerin Rudd dazu. Umweltschützer begrüßten das Aus für die Kohle, kritisierten aber, dass die Regierung Gas und Atomkraft den Vorzug vor Ökostrom gebe. So warnte Niklas Schinerl von Greenpeace Deutschland, dass Kernkraft eine "teure Risikotechnologie" sei.

Manche Risiken nimmt die britische Regierung offenbar in Kauf.

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