Umwelt:Wie sich die Energiewende doch noch beschleunigen lässt

Energiewende durch Windräder

Laut der Studie müssen noch deutlich mehr Windräder entstehen – auch im Süden Deutschlands.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Der Anteil erneuerbarer Energien soll in Deutschland bis 2030 auf 65 Prozent steigen.
  • Eine Studie zeigt: Entgegen aller Kritik ließe sich die Energiewende tatsächlich noch deutlich beschleunigen.
  • Neben dem Neubau von Hochleistungstrassen müssen dafür jedoch die bestehenden Leitungen modernisiert werden.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Auch für den RWE-Chef ist klar: Wer aus der Kohle raus will, muss den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. "Lasst uns die 65 Prozent Ökostromanteil bis 2030 erreichen", sagte Rolf Martin Schmitz zu Beginn der Woche im SZ-Interview, "mit den dazugehörigen Netzen." Dann werde der Kohlestrom automatisch weniger. 65 Prozent erneuerbare Energie bis 2030 - das hat sich auch die große Koalition zum Ziel gesetzt. Aber geht das überhaupt? Und wenn ja, wie?

Der Frage geht auch eine Studie des einflussreichen Berliner Thinktanks Agora Energiewende nach, sie liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Demnach lässt sich die Energiewende - erreicht ist bisher ein Anteil von 36 Prozent - durchaus noch beschleunigen. Allerdings verlange das nach einer "proaktiven Politik der Bundesregierung" - und das vor allem mit Blick auf die Netze. Sie sind der Schlüssel, um den vielen Ökostrom auch nutzen zu können.

In den Netzen schlummere jetzt ohnehin schon Potenzial, auch jenseits des Neubaus der geplanten Hochleistungstrassen. So könnten so genannte Netz-Booster installiert werden: Batterien so groß wie Lagerhallen, die neben großen Stromleitungen errichtet werden. Sie können überschüssigen Strom aufnehmen und wieder abgeben, wenn er knapp wird. Viele teure Eingriffe in das Stromnetz ließen sich so abpuffern. Auch ließe sich überschüssiger Strom in die Erzeugung von Wärme lenken. Und flexible Gasturbinen könnten in Zeiten des Strommangels anspringen.

Für die Leitungen selbst empfehlen die Experten, den Strom vermehrt durch so genannte Hochtemperatur-Seile zu transportieren. Die Aluminiumlegierung dieser Freileitungen erlaubt den Transport größerer Strommengen, ohne dass sich das Metall zu sehr erhitzt. Das gleiche gilt, wenn sich die Auslastung der Netze stärker nach den äußeren Bedingungen richtet: Bei kaltem Wetter beispielsweise lässt sich mehr Strom transportieren als bei warmem, bei Wind mehr als bei Flaute. Dieses so genannte Freileitungs-Monitoring gibt es schon. Agora schlägt vor, es noch auszubauen. Allein durch einen besser gemanagten Stromfluss lasse sich noch mehr Elektrizität durchs Land transportieren.

Wird Deutschland zum Vorreiter oder Mitläufer?

Auch das Wirtschaftsministerium arbeitet derzeit an Plänen, wie sich das bestehende Netz besser nutzen lässt - denn die großen Gleichstromleitungen von Nord nach Süd gehen frühestens Mitte des nächsten Jahrzehnts in Betrieb. Das Stromnetz könnte zum Nadelöhr werden. "Es geht in Zukunft darum, Erneuerbare und Netze gemeinsam zu denken", sagt Agora-Energiewende-Chef Patrick Graichen. "Dann sind die 65 Prozent gut zu erreichen."

Dazu allerdings braucht es auch weitere Wind- und Solarparks im Land. Installiert sind bislang Windparks mit einer Kapazität von gut 50 Gigawatt. Bis 2030 müssten es nach Agora-Berechnungen 85 Gigawatt sein, und das auch vermehrt im Süden der Republik. Im Meer müssten dann knapp 20 Gigawatt stehen, fast viermal so viel wie heute. Die Leistung der Solaranlagen, auf Dächern und in Solarparks, müsste sich zudem mehr als verdoppeln. Da die Preise für die Anlagen deutlich gesunken sind, werde das kaum zu höheren Kosten für die Stromkunden führen, heißt es. Vielmehr gehe es nun um die Frage, ob Deutschland bei der Energiewende "vom Vorreiter zum Mitläufer wird".

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