Energiewende als Milliardengeschäft:Windige Versprechen

Windpark Schöneseiffen

Mächtig im Hintergrund: Windpark Schöneseiffen im Kreis Euskirchen.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Wer sein Geld in Windparks oder Solaranlagen steckt, hofft auf große Renditen bei gutem Gewissen. Ein riskantes Kalkül: Staatsanwälte ermitteln bei immer mehr Unternehmen, die Anleger geprellt haben sollen.

Von Klaus Ott und Uwe Ritzer

Peter S. hat ganz schön viel auf dem Kerbholz. Das Vorstrafenregister des 45-jährigen Geschäftsmannes aus Nordrhein-Westfalen weist elf Einträge auf: Steuerhinterziehung, Betrug, Insolvenzverschleppung, Bankrott, Untreue und noch einiges mehr. Zeitweise war der gelernte Zimmermann, der später ins Immobiliengeschäft eingestiegen ist, sogar mit zwei Frauen verheiratet, das ist ebenfalls verboten. Doch das war noch das harmloseste Delikt, zumindest nach Ansicht der Justiz. Die Geldstrafe für die Polygamie belief sich damals auf lediglich 1800 Euro.

So jemand fühlt sich zuhause in einem Gewerbe, in dem es inzwischen offenbar vor Gaunern nur so wimmelt. In der Branche von Sonne und Wind, von Energie und Ökologie. Unter den vielen Firmen, mit denen Peter S. Reibach machte oder es versuchte, war auch eine Lichtenergiewerke AG aus Berlin. Die Aktiengesellschaft wurde im Internet als der "neue Stern am Himmel der Solarenergieunternehmen" angepriesen. Als "ewige Quelle" für Strom und Profite. Doch die Quelle versiegte recht schnell. Seit einem Jahr sitzt Peter S. in München in Untersuchungshaft, wegen mutmaßlicher Verbrechen mit gleich sechs Aktiengesellschaften. Eine von ihnen ist die Berliner Solarfirma. Dort soll Peter S. gefälscht und geschwindelt haben, zu Lasten der Aktionäre. Die Anklage liegt vor, ein Prozess steht an.

Sauberer Strom und schöne Gewinne

Aus der Energiewende ist längst ein Milliardengeschäft geworden, das Dunkelmänner anzieht. Wie beinahe überall, wo leicht Geld zu holen ist. Sauberer Strom und schöne Gewinne, solche Versprechen verleiten viele Kapitalanleger dazu, ihr Erspartes Öko-Firmen anzuvertrauen. Noch dazu, wenn der Staat die alternative Energiebranche per Gesetz so kräftig unterstützt wie kaum einen anderen Wirtschaftszweig. Allein in diesem Jahr fließen 18,5 Milliarden Euro, so viel wie noch nie, von den Verbrauchern an die Betreiber von Windparks, Solaranlagen und Biogaskraftwerken. Der Erlöse könnten weiter steigen. Hier zu investieren, gilt als sicherer Tipp. Und es beruhigt ja auch das eigene Gewissen, Gutes zu tun für die Umwelt und die kommenden Generationen. Doch längst nicht jedes Unternehmen, das sich einen grünen Anstrich gibt, verdient Vertrauen. Landauf, landab sind Polizisten und Staatsanwälte wegen Betrug und ähnlicher Delikte im Einsatz.

Der neueste Verdacht richtet sich gegen die Windreich AG aus Baden-Württemberg, die sich selbst als größten Anbieter von Windenergieparks in der Nordsee bezeichnet, weit vor Konzernen wie RWE, EnBW und Vattenfall. Marktanteil des Unternehmens aus dem Süden der Republik bei den Windrädern vor der norddeutschen Küste nach eigenen Angaben: 35,3 Prozent. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft glaubt, dass nicht alle Zahlen der Aktiengesellschaft stimmen, und ermittelt wegen Bilanzmanipulation . Das Unternehmen weist alle Vorwürfe zurück.

Ermittlungen bei großen Öko-Gesellschaften wie jetzt bei Windreich und länger schon bei Solar Millenium, bei Klitschen wie der Lichtenergiewerke AG und ähnlichen Firmen; das überrascht Branchenkenner überhaupt nicht. "Ich erlebe immer wieder dubiose Gestalten", sagt Sepp Bichler, der eine Solarfirma in Aichach bei Augsburg betreibt. Früher war Bichler einer der ersten Ökobauern in Bayern, jetzt baut er Fotovoltaik-Anlagen und bekommt öfters Angebote, bei anderen Unternehmen und Projekten mit einzusteigen. Ein Mal, erzählt er, sei sogar ein Preisboxer aus Hessen bei ihm aufgetaucht. Der habe keine Ahnung gehabt, aber große Sprüche geklopft, und schließlich sogar gesagt, "die Leute wollen betrogen werden". Bichler verabschiedete den Mann mit den Worten "schleich Dich!".

"Du gehörst zu einem kleinen Kreis"

Die Methoden, mit denen Anlegern das Geld aus den Taschen gezogen wird, sind teils dieselben wie bei kriminellen Schnellball-Systemen. Da werden hohe Renditen versprochen und anfangs auch ausgeschüttet, bis das böse Ende kommt. Auch vermeintlich tolle Insidertipps machen die Runde. "Du gehörst zu einem kleinen Kreis. Du darfst das nicht groß weitererzählen". Bichler kennt solche Sprüche, er hat Bekannte davor bewahrt, darauf hereinzufallen, darunter auch einen gestandenen Journalisten einer Rundfunkanstalt. Doch zahlreiche Leute lassen sich täuschen von den großen Versprechen. "Da setzt bei vielen Anlegern der Verstand aus", sagt Bichler.

Allein bei Solar Millenium haben 30 000 Anleger mehrere hundert Millionen Euro verloren. "Think big" lautete die Devise der Aktiengesellschaft aus dem fränkischen Erlangen. In den Vereinigten Staaten sollte das größte Sonnenkraftwerk der Welt entstehen. Überhaupt ging es immer um riesige Projekte, an denen das Unternehmen angeblich arbeitete und mit denen es Investoren warb. Nur sehr wenig davon wurde umgesetzt. Ende 2011 war Solar Millenium pleite. Die Finanzaufsicht Bafin und die Nürnberger Staatsanwaltschaft untersuchen die Umstände, die zu der Pleite führten. Vorigen Herbst gab es eine groß angelegte Razzia. Neben anderen Vorwürfen steht auch der Verdacht des Insiderhandels im Raum.

Die Behörden bearbeiten jede Menge Strafanzeigen gegen ehemalige Verantwortliche des Unternehmens. Der Insolvenzverwalter Volker Böhm hat Solar Millennium inzwischen zerschlagen und die verwertbaren Einzelteile verkauft. Außerdem prüft Böhm Schadenersatzansprüche gegen ehemalige Vorstände und frühere Aufsichtsräte, die alle ihre Unschuld beteuern. Wer und was auch immer schuld sein mag an der Pleite, das Kapital der Anleger ist jedenfalls weitgehend weg. Was der Insolvenzverwalter erlöst, reicht hinten und vorne nicht, um die Geldgeber auszuzahlen.

"Weltweite Modulknappheit"

Bei großen Namen wie Solar Millenium, was in etwa sonniges Jahrtausend bedeutet, ist offenbar besondere Vorsicht geboten. Das erfuhren auch die Kunden der Münchner Firma Skylight - übersetzt Himmelslicht. Mit dem wollten die beiden Vorstände der Aktiengesellschaft einträgliche Geschäfte machen. Skylight bot Hausbesitzern an, Solaranlagen auf den Dächern zu errichten. 40 Prozent der Auftragssumme waren bei Vertragsabschluss fällig, 50 Prozent bei Montagebeginn, der Rest nach Fertigstellung. Die Firma beschränkte sich in der Regel darauf, die Unterkonstruktion für die Solarmodule zu installieren und fast alles zu kassieren. Wenn die Kunden nachfragten, wo die eigentliche Anlage bleibe, bekamen sie Ausreden zu hören: "Weltweite Modulknappheit", das Wetter spiele nicht mit, der Monteur sei krank, die ganze Belegschaft sei in Urlaub, Mitarbeiter hätten Geld unterschlagen.

Ende 2012 wurden die beiden Firmenchefs vom Landgericht München wegen Betrug und Insolvenzverschleppung zu Gefängnis verurteilt wurden. Einer der beiden sogar ohne Bewährung, er muss seine Strafe absitzen. Statt Himmelslicht nun Gefängnismauern. Als Buße dafür, dass er nach Erkenntnissen der Ermittler mit den Anzahlungen der Kunden seinen Lebensunterhalt bestritten hatte, statt Solarmodule zu kaufen. Auch dieser Geschäftsmann ist ein alter Bekannter der Justiz. Sein Vorstrafenregister ist sogar noch länger als das von Peter S., der nun im Gefängnis auf seinen Prozess wartet.

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