Energiepolitik:Wende-Show auf See

Energiepolitik: "Das ist einer der besseren Tage", sagt RWE-Chef Peter Terium bei der Einweihung des Windparks Nordsee Ost.

"Das ist einer der besseren Tage", sagt RWE-Chef Peter Terium bei der Einweihung des Windparks Nordsee Ost.

(Foto: Scheer/Hafenprojektgesellschaft Helgoland)

Sigmar Gabriel will seinen Amtskollegen aus den wichtigsten Industriestaaten den neuen Windpark vor Helgoland vorführen. Doch die kommen nicht mit.

Von Michael Bauchmüller, Hamburg

Der Tag ist wie gemacht für die große Vorführung. Die Sonne scheint, die See ist ruhig, ein steter Wind setzt die Riesenmühlen in Bewegung. Der perfekte Tag, um den Energieministern der sieben wichtigsten Industriestaaten mal zu erklären, was es mit der deutschen Energiewende auf sich hat. Sigmar Gabriel hat sie eingeladen, auf eine gigantische Konverterplattform nördlich von Helgoland. Das Problem ist nur: Die meisten kommen zwar zur G-7-Energieministerkonferenz in Hamburg, aber nicht zur Energiewende-Show.

19 000 Beschäftigte leben heute schon von Offshore-Wind

"Sie sehen, es hat sich exzellent entwickelt", begrüßt der Bundeswirtschaftsminister stattdessen die zweite Riege der G 7. "Wir sind jetzt in der Phase der Industrialisierung." Vor Gabriel liegen zwei überdimensionale Schuko-Stecker, später wird er sie gemeinsam mit dem RWE-Chef Peter Terium und EU-Kommissar Miguel Arias Cañete zusammenstecken. Ganz nebenbei wird hier auch noch der Windpark Nordsee Ost eingeweiht. Nur die Zaungäste aus den anderen Industriestaaten fehlen. Heute ist G 1 statt G 7.

Imposant ist das Projekt so oder so. 48 Windräder stehen hier, sie produzieren so viel Strom wie ein Kraftwerk, fast rund um die Uhr. Im Meer stehen noch eine ganze Menge gelbe Stahl-Stummel, sie sollen in den nächsten Wochen Türme bekommen, darauf dann irgendwann eine Turbine mit Rotoren. Der Nachbar-Windpark Amrumbank West entsteht, die Bauschiffe sind bei der Arbeit. Wenn auch diese Windräder irgendwann Strom liefern, dann wird er in Kabeln von der Dicke eines Oberschenkels auf der Konverterstation des Netzbetreibers Tennet anlanden, um in Kabeln von der Dicke eines Oberarms an Land geschickt zu werden.

"Energiewende live" - so hat es das Wirtschaftsministerium den G-7-Ministern angekündigt. Es hat für die Minister sogar eigens ein nettes Handout zusammengestellt, es soll ein bisschen imponieren. Sigmar Gabriel stellt den "lieben Kollegen" darin einen "wichtigen strategischen Baustein in der Energie- und Klimapolitik Deutschlands vor" und schwärmt von der "weltweit einzigartigen technologischen Innovation". Es folgen große Zahlen: die 19 000 Beschäftigten, die heute schon von Offshore-Wind leben, "Tendenz steigend". Die drei Gigawatt Stromleistung, die bis Ende des Jahres angeschlossen sein soll, so viel wie drei Großkraftwerke. Die 320 000 Haushalte, die sich laut RWE alleine vom Windpark Nordsee Ost erzeugen lassen.

"Das ist einer der besseren Tage für den Chef eines Stromkonzerns", sagt Terium, "sogar in Deutschland." Über die Braunkohle, die Gabriel mit einem neuen Klimabeitrag belegen will, will Terium heute lieber nichts sagen - in der Sache liegen die beiden überkreuz. Stattdessen wirbt der RWE-Chef für die scheinbar "kleinen, süßen Windmühlen", die in Wirklichkeit 160 Meter hoch sind, und schwärmt von dem guten Wind hier draußen, "sodass wir fast das ganze Jahr einspeisen können."

Japan belebt die Kernkraft, die USA berauschen sich am Boom des Schiefergases

Doch Gabriels liebe Kollegen interessieren sich nicht so sehr für die Energiewende wie die Deutschen. Japan hat zwar Fukushima erlebt, arbeitet aber an der Wiederbelebung der Kernkraft. Die USA bauen zwar ebenfalls massiv erneuerbare Energien aus, berauschen sich aber gerade am Boom des Schiefergases - per Fracking. Großbritannien plant einen Einspeisetarif für Atomstrom, der in Frankreich den größten Teil der Versorgung schultert, und Kanada hofft auf höhere Ölpreise, damit sich die Gewinnung von Erdöl aus Teersanden wieder rechnet. Im Kreis der Industriestaaten steht Deutschland mit der Energiewende nach wie vor ziemlich allein, auch wenn Erneuerbare weltweit boomen.

Entkommen aber werden die Kollegen dem Thema nicht. Montagabend wollten die G-7-Minister noch über die Lage in der Ukraine sprechen, auch über die Sicherheit der Energieversorgung. Diesen Dienstag soll es dann vor allem um Klimaschutz und erneuerbare Energien gehen, "ein paar nicht einfache Fragen", wie Gabriel sagt. Und das nicht live in der Sonne, sondern in einem Konferenzsaal in Hamburg.

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