Energiepolitik:Herr Draghi und die Klima-Blase

Warum sich der EZB-Präsident mit fossilen Rohstoffen beschäftigt. Und sich auch die Bank of England mit dem Thema befasst.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wie effektiver Klimaschutz die Finanzmärkte erschüttern könnte, erschließt sich nicht unbedingt auf den ersten Blick. Es hat zu tun mit den vielen noch nicht geförderten Öl-, Gas- und Kohlevorräten, die im Boden bleiben müssten, soll der Klimawandel nicht außer Rand und Band geraten. Und es hängt zusammen mit den Bilanzen der Rohstoff-Multis - in denen genau diese Vorräte schon längst verbucht sind, mit dem festen Ziel ihrer Förderung in ferner Zukunft. Macht die Welt Ernst mit dem Kampf gegen die Erderwärmung, dann wird es für diese Konzerne eng - mit Rückwirkungen auch auf die Finanzmärkte. Experte sprechen von einer "carbon bubble", einer Kohlenstoffblase.

Offensichtlich ist das Problem auch in der Europäischen Zentralbank angekommen, jedenfalls lässt darauf ein Brief von EZB-Chef Mario Draghi schließen. Der hatte unlängst Post von den Grünen im Europaparlament bekommen, sie verlangten mehr Augenmerk für das Klimarisiko. Der nächste Bericht des EZB-Systemrisiko-Gremiums ESRB müsse ein eigenes Kapitel zur Klima-Blase enthalten, forderten sie. Nehme man den Klimaschutz ernst, müssten die Bodenschätze im Boden bleiben. "Das macht sie zu stranded investments" - zu unnützen Investitionen.

Das Signal geht an Investoren: Sie sollten sich besser andere Betätigungsfelder suchen

Der EZB-Präsident sieht das offenbar nicht grundlegend anders. "Ich bin mir über die wachsende Aufmerksamkeit für diese Frage im Klaren", schrieb Draghi zurück. Ein neues wissenschaftliches Beratergremium werde sich des Themas annehmen, versicherte Draghi. Er selbst wolle dafür sorgen, dass das auch wirklich passiert. Das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Ohnehin hat das Thema längst den akademischen Raum verlassen. Auch die Bank of England befasst sich mit den Folgen ambitionierter Klimapolitik. Ihr Gouverneur Mark Carney äußerte im Herbst die Vermutung, dass große Teile der Rohstoffvorräte als unverbrennbar einzustufen seien, mit anderen Worten: als "stranded carbon". Mehrere Entwicklungsbanken, darunter auch die Weltbank, finanzieren keine Kohleprojekte mehr. Es soll Investoren signalisieren, dass sie sich besser andere Betätigungsfelder suchen sollten.

Die Grünen sind einstweilen zufrieden mit Draghis Antwort. "Seine Zusage, dass die EZB sich des Themas annehmen wird, wird auch an den Finanzmärkten für Aufmerksamkeit sorgen", glaubt Reinhard Bütikofer, Europa-Parteichef der Grünen. Das Kalkül ist klar: Wenn erst die Finanzmärkte mitspielen, könnte Klimaschutz einfacher werden. Ein neues Risikobewusstsein an den Märkten zusammen mit der Mobilisierung gegen fossile Energie, hofft Bütikofer, könne "eine erhebliche Dynamik für den Klimaschutz auslösen".

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