Energiekonzerne:Nukleares Restrisiko

Die Atomkonzerne bitten bei den Altlasten um Hilfe vom Staat. Eine öffentliche Stiftung soll die Rückstellungen übernehmen und den Betreibern alle etwaigen Mehrkosten abnehmen - zu Lasten des Steuerzahlers.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Als erstes bedankt sich Rolf Martin Schmitz. Es sei schließlich ein "enorm wichtiger Termin", rund um eine Frage, die für manches Unternehmen "von existenzieller Bedeutung" sei. Schmitz, stellvertretender Chef des Stromkonzerns RWE, soll noch deutlicher werden, aber dazu später.

Eine Regierungskommission zur Sicherung der nuklearen Altlast hat die vier Atomkonzerne zur Anhörung in Berlin geladen. Sie sollen darlegen, wie es um jene 38 Milliarden Euro bestellt ist, die sie für Rückbau und Entsorgung ihrer Kernkraftwerke zurückgestellt haben. Seit einiger Zeit gibt es da Zweifel, nicht zuletzt wegen der Nöte manches Stromkonzerns.

Erste Botschaft: alles ok. Im internationalen Vergleich hätten die Unternehmen sogar besonders viel Vorsorge getroffen, sagt Michael Sen, Finanzvorstand bei Eon. Ein Stresstest, beauftragt vom Bundeswirtschaftsministerium, habe das eindrucksvoll bestätigt. Der kam zwar je nach Annahmen zu Zins und Inflation auch zu unangenehmeren Ergebnissen. Zitiert werden aber nur die angenehmen Befunde.

Es dauert keine zehn Minuten, bis die zweite Botschaft klar ist: Die Unternehmen wollen das Problem loswerden. Schmitz kramt dafür in der deutschen Geschichte, erzählt von der Atomeuphorie des Staates, von der anfänglichen Skepsis der Stromkonzerne. "Diese Skepsis ist mit den Jahren gewichen", gesteht er ein. Die Gewinne aus der Atomkraft seien dann in die Modernisierung der Energiewirtschaft geflossen. Jedenfalls sei der Bund nicht unschuldig an der ganzen atomaren Malaise.

Und das auch insofern, als er nun abermals nach einem neuen Endlager suche, mit neuen Unwägbarkeiten für die Kosten der Atom-Abwicklung. Sinkende Börsenkurse der Versorger, so sagt es Eon-Mann Sen, spiegelten auch "den Vertrauensverlust der Kapitalmärkte in politische Entscheidungen". Die Lösung aus Sicht der Betreiber: Eine öffentliche Stiftung, die sich des Problems annimmt. Sie könnte die Rückstellungen übernehmen - und den Betreibern alle etwaigen Mehrkosten abnehmen. Sie blieben dann beim Steuerzahler.

Zwischendrin geht es noch kurz um den Stresstest und dessen unangenehmere Varianten - müssten die 38 Milliarden nicht eher 68 Milliarden Euro sein? "Ich sage nur eines", entfährt es da Schmitz, "dann machen wir die Bücher zu, und 60 000 Leute stehen auf der Straße. Das kann RWE nicht stemmen."

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