Energiekonzern:RWE erzürnt seine Aktionäre

Germany Maintains Ambitious Goals For Renewable Energy Sources

Das Kohlekraftwerk RWE Niederaussem in der Nähe von Bergheim

(Foto: Getty Images)

Der Energiekonzern muss Milliardenausgaben und Verluste abschreiben. Deshalb sollen die Anleger jetzt auf ihre Dividende verzichten. Das könnte viele Kommunen in Bedrängnis bringen.

Von Varinia Bernau, Düsseldorf

Wie ernst die Lage bei RWE ist, zeigt sich am Mittwochmorgen um 9.17 Uhr. Da verschickt der Energiekonzern eine Mitteilung, in der von milliardenhohen Abschreibungen auf Kraftwerke, von Verlusten im vergangenen Geschäftsjahr die Rede ist - und von dem Vorschlag des Vorstands, die Dividende kräftig zu kürzen.

Lars Martin Klieve sitzt zu der Zeit an seinem Schreibtisch. Er ist einer der Aktionäre, die nun auf ihr Geld verzichten sollen. Als Kämmerer in Essen hat er gerade einen Nachtragshaushalt mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von 132 Millionen Euro vorgelegt. Die Stadt braucht dieses Geld vor allem, um die 6000 Flüchtlinge in der Stadt weiterhin unterzubringen und dafür zu sorgen, dass sie etwas zu essen bekommen und auf ihre Gesundheit geachtet wird. Die Kosten für Sprachkurse oder all das, was es bräuchte, um diese Menschen wirklich aufzunehmen, sind in dem Haushalt noch gar nicht vorgesehen.

Klieve hat neun Millionen Euro an Ausschüttungen von RWE einkalkuliert. Etwa halb so hoch wie im vergangenen Jahr werde die Dividende wohl werden, hat er gedacht. "Andere Kommunen haben mir übertriebene Skepsis unterstellt und gemeint, damit bringe ich den Vorstand auf dumme Gedanken", sagt Klieve. "Aber der Vorstand hatte eigene." Nun fallen auch die neun Millionen Euro weg, die fest eingeplant waren. "Das trifft uns ins Mark."

Ein Ende des Absturzes ist nicht in Sicht

So wie Klieve geht es vielen klammen Kämmerern in Nordrhein-Westfalen. Uwe Bonan aus Mülheim an der Ruhr kündigt sogar Widerstand an: "Wir werden den Vorschlag so nicht hinnehmen und alle Möglichkeiten nutzen, um eine Veränderung herbeizuführen", sagt er.

Etwa ein Viertel der Anteile an RWE halten Städte und Gemeinden. Es ist ein Erbe aus längst vergangenen Zeiten: 1898 wurde die Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG, die aus Steinkohle Strom machte, als Stadtwerk in Essen gegründet. Es waren die Kommunen, die dem Unternehmen die Expansion ermöglichten - als Geldgeber und als Abnehmer. Bald stieg RWE zu einem der größten Stromversorger im Kaiserreich auf. Für die Kommunen sollten sich das noch lange sehr lohnen.

Nun, da der Konzern in der Krise steckt, ist es ein schweres Erbe. Viel zu lange hat RWE an den konventionellen Kraftwerken festgehalten. Weil aber der Strom aus Windrädern und Solaranlagen die Strombörse flutete, fielen die Preise ins Bodenlose. Kohle- und Gaskraftwerke lohnen sich nicht mehr. RWE muss nun für das vergangene Jahr 2,1 Milliarden Euro auf seine konventionellen Kraftwerke abschreiben. Ein Ende des Absturzes, auch das stand in der Mitteilung von Mittwoch, ist in diesem Jahr nicht in Sicht. Die RWE-Aktie verlor am Mittwoch in der Spitze 14 Prozent auf nur noch gut zehn Euro.

Anleger haben gehofft, dass die Bundesregierung den Atomkonzernen hilft

RWE-Turm in Essen

Die Stadtkämmerer waren auf schlechte Nachrichten aus der RWE-Zentrale in Essen gefasst. Was kam, ist für sie eine Katastrophe.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Beunruhigend ist diese Situation nicht nur für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, wo ohnehin schon viele Haushalte auf Kante genäht sind. Beunruhigend ist sie auch für den anstehenden Atomausstieg. Zwar hat RWE Rückstellungen sowohl für den Abbau der Atomkraftwerke als auch für die Entsorgung des Atommülls gebildet. Doch dieses Geld liegt nur zu einem Teil bei der Bank, zum anderen steckt es im Unternehmen.

Amerikanische Fonds wie Blackrock, die ebenfalls Anteile an RWE halten, hatten darauf gesetzt, dass die Bundesregierung den Atomkonzernen schon zu Hilfe kommen werde. Auch sie haben sich wohl verrechnet. Denn die Politiker wollen vor allem den Eindruck vermeiden, der Steuerzahler müsse für die Sünden der Konzerne zahlen.

Konzernchef Peter Terium hat RWE selbst in dieses Dilemma geführt: Es ist keine drei Jahre her, da hat er der Konzerntochter Innogy, die sich um die erneuerbaren Energien kümmert, sogar noch das Geld für Investitionen gekürzt. 2015 waren fünf Prozent des RWE-Stroms grün. Investoren machen um das schmutzige Geschäft mit den konventionellen Kraftwerken einen Bogen: Mehr als zwei Drittel seines Börsenwerts hat RWE seit Teriums Antritt verloren, mehr als 13 Milliarden Euro.

Wo wenig Geld da ist, kann auch nur wenig ausgeschüttet werden

Den Ausweg sucht der Manager nun mit der Abspaltung des lukrativen Geschäfts: In einer neuen Gesellschaft mit dem Projektnamen Newco sollen die erneuerbaren Energien, die Netze und der Vertrieb gebündelt und ein Anteil von zehn Prozent an die Börse gebracht werden. Das soll Geld und auch die nötige Freiheit für neues Wachstum bringen. Außerdem verschärft Terium den Sparkurs, den er einschlug, als er 2012 Chef beim Energiekonzern wurde.

Doch wo so wenig Geld da ist und die Aussicht auf neues Geld nicht mehr als eine Wette auf die Zukunft, da kann nur wenig ausgeschüttet werden. Das war die Überlegung in der Chefetage von RWE. Etwa 615 Millionen Euro hat der Konzern im vergangenen Jahr an die Aktionäre ausgeschüttet. Das ist nun nicht mehr drin. Lediglich Vorzugsaktionäre erhalten eine Dividende von 13 Cent pro Papier.

Kämmerer Klieve will noch nicht aufgegeben: Im April kommen alle Aktionäre zur Hauptversammlung zusammen. Erst dann wird über die Ausschüttung entschieden. Nun gelte es, sich mit anderen Kommunen zu beraten und weitere Aktionäre ins Boot zu holen. Vielleicht können sie den Vorschlag dann noch kippen.

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